Heiligstes Herz Jesu
Herzwunde
Als Jesus der Nonne Margaretha Maria Alacoque in einer Vision erschien, forderte er die Einführung eines eigenen Festes zur Verehrung seines heiligsten Herzens. Wenig visionär heißt es dagegen im Schott-Messbuch zu diesem Fest: „Das Herz-Jesu-Fest ist im Grund kein besonderes, kein abgesondertes Fest; wir feiern es Tag um Tag, immer wenn wir der Einladung Jesu folgen: Kommt alle zu mir.” Der Schott greift damit auf die Bibel zurück: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele.” (Mt 11,28f: Evangelium des Festes Lesejahr A).
Ein Bild der Ruhe ist der Lieblingsjünger Johannes, wie er beim Abendmahl an der Seite Jesu liegt – oder eben ruht: auf Herzhöhe. Im Spätmittelalter wurde die Szene zu einem Meditationsbild mit der visuellen Einladung, im Herzen Jesu Ruhe für die Seele zu finden. Vom Ruhen am Herz wurde ein Weg gebahnt zum Ruhe im Herzen. Der Eintritt erfolgte gewissermaßen durch die Seitenwunde Jesu, die zusammen mit den anderen Wundmalen Jesu in spätmittelalterlicher Frömmigkeit Gegenstand der Betrachtung war.
Seitenwunde
Von der Seitenwunde Jesu, nicht aber von seinem durchbohrten Herzen, heißt es im Johannesevangelium: „Als sie [die Soldaten] aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon tot war, zerschlugen sie ihm die Beine nicht, sondern einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite, und sogleich floss Blut und Wasser heraus.” (Joh 19,33f) An diesen knappen Satz hat sich die Herz-Jesu-Verehrung angeschlossen und zwar über die Verehrung der Wundmale und der Leidenswerkzeuge, zu denen die Lanze gehört. Nimmt man den Satz im Zusammenhang des Johannesevangeliums, so geht es um das Lamm und um die Sakramente.
In Johannes 19,36 wird das Geschehen gedeutet mit dem Schriftwort: „Man soll an ihm kein Gebein zerbrechen.” Zitiert wird Exodus 12,46, wo es vom Pessachlamm heißt: Ihr sollt an ihm kein Bein zerbrechen. Nach der Johannespassion ist Jesus gestorben, als im Tempel die Lämmer für Pessach geschlachtet wurden. Der Evangelist erkennt in Jesus das Lamm, das hinweg nimmt die Sünden der Welt (Joh 1,29).
„Blut und Wasser stehen bei Johannes für die Sakramente. In Johannes 6,35 sagt Jesus: ‚Amen, amen, ich sage euch: Wenn ihr nicht esst das Fleisch des Menschensohns und trinkt sein Blut, habt ihr nicht Leben in euch'; das wird man auf die Eucharistie beziehen können. In Johannes 3,3-5 ist von einer Neugeburt aus Wasser und Geist die Rede, und damit wird die Taufe gemeint sein ... Nach 1. Johannes 5,6 heißt es, dass Jesus ‚durch Wasser und Blut' gekommen sei; beide Substanzen werden als Zeugen benannt. Ein sakramentales Verständnis dieses Verses liegt zumindest nahe.” (Jan Dochhorn)
Eine bildliche Synthese schuf Jan van Eyck 1432 im Genter Altar: Das Lamm Gottes steht am Ort der Eucharistie auf einem Altar. Aus einer Wunde quillt Blut in einen Kelch. Engel mit den Leidenswerkzeugen Christi knien anbetend um diese Mitte.
Biblisches Liebeszeugnis in der Liturgie
Eine aus dem biblischen Zusammenhang schöpfende Synthese ist die nach dem II. Vatikanischen Konzil neu eingeführte Präfation des Festes: „In Wahrheit ist es würdig und recht ... Am Kreuz erhöht, hat er [Jesus Christus] sich für uns dahingegeben aus unendlicher Liebe und alle an sich gezogen. Aus seiner geöffneten Seite strömen Blut und Wasser, aus seinem durchbohrten Herzen entspringen die Sakramente der Kirche. Das Herz des Erlösers steht offen für alle, damit sie freudig schöpfen aus den Quellen des Heiles. Durch ihn ...”
Die Präfation bindet über die am Kreuz sichtbar gewordene Liebe Gottes zu den Menschen und das offene Herz weitere biblische Zusammenhänge ein. Die Lesungen des Festes lassen diese biblische Theologie der Liebe Gottes in vielfacher Weise zu Wort kommen:
Der Gott Israels hat sein Volk ins Herz geschlossen und weil er es liebt, befreite er es aus Ägypten. (Dtn 7,7f – Lesejahr A)
Als Israel jung war, gewann Gott ihn liebt, mit Ketten der Liebe zog er sein Volk an sich (Hos 11,1.1 – Lesejahr B)
Gott hat uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt. (1 Joh 4,10 – Lesejahr A)
In der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet, sollen die Christen dazu fähig sein, die Liebe Christi zu verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt. (Eph 3,17-19 – Lesejahr B)
Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist. (Röm 5,5 - Lesejahr C)
Herzfeuer
Diese Liebe Gottes und die Gabe seiner Liebe wird in der Tat im biblischen Wort Tag für Tag ausgerufen und in der Eucharistie gefeiert – nicht nur am Herz-Jesu-Fest oder am ersten Freitag im Monat, dem Herz-Jesu-Freitag. Das Glühen dieser Liebe, sein Feuer, das zum Feuer der Glaubens werden soll, wird in nichtalltäglichen Augenblicken zur Herzmitte, die entzünden kann, zum Beispiel durch das Herz-Jesu-Fest. So heißt es dort im Schlussgebet: „Entzünde auch in uns das Feuer der Liebe, damit wir in unseren Brüdern ihn [Christus] erkennen und ihm dienen.”
Unmittelbar spürbar ist dieses Feuer beispielsweise bei Teilhard de Chardin: „Jetzt aber wird ... sichtbar, dass Du, Jesus, durch die ‚Offenbarung’ Deines Herzens unserer Liebe vor allem das Mittel geben wolltest, dem zu entkommen, was zu eng, allzu scharf umrissen, allzu begrenzt an dem Bild war, das wir uns von Dir machten. Im Zentrum Deiner Brust bemerke ich nichts anderes als einen Glutofen; und je mehr ich dieses brennende Feuer ansehe, um so mehr scheint es mir, dass überall um es herum die Umrisse Deines Leibes zerschmelzen, dass sie über alles Maß hinaus grösser werden, bis ich in Dir keine anderen Züge mehr erkenne als die Gestalt der entflammten Welt.”
Quellenangabe (= Originalbeitrag):
Brüske, Gunda: Heiligstes Herz Jesu. – Herzfeuer und Ruheort. In: Liturgisches Institut der deutschsprachigen Schweiz. URL: http://liturgie.ch/liturgieportal/kirchenjahr/christusfeste/199-heiligstes-herz-jesu [Stand: 06/2014]
(sp)