Freitag 5. Dezember 2025

Buch zur zeitgemäßen Gestaltung von Kriegerdenkmälern erschienen

Um einen zeitgemäßen Umgang mit Kriegerdenkmälern bemüht sich eine Initiative der Diözese Linz. Am 30. Oktober 2025 wurde dazu im Linzer Bischofshof ein Buch vorgestellt, das praktische Impulse für die Arbeit mit Denkmälern in Gemeinden und Pfarren gibt.

Kriegerdenkmäler gibt es in nahezu jedem Ort. Zum überwiegenden Teil befinden sie sich im Umkreis von Kirchen und Friedhöfen; diese Form der Erinnerungskultur ist also überwiegend religiös geprägt. Entstanden sind sie flächendeckend mit Beginn der 1950er Jahre. Immer mehr Gemeinden und Pfarren in Österreich nehmen 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges das Kriegerdenkmal im eigenen Ort in den Blick. Daran schließen sich vor allem Fragen wie:
Wessen wird wie gedacht? Wer wird vom Gedenken ausgeschlossen? Wie sieht ein zeitgemäßes Gedenken an die Gefallenen der beiden Weltkriege aus? Wie wird den Opfern des NS-Regimes aus der Pfarre bzw. Gemeinde gedacht? Und: Welche Bedeutung hat das Denkmal für die Gegenwart?

 

„Darüber reden, kontextualisieren und die geschichtlichen Zusammenhänge in den Blick nehmen“, lautet der Zugang einer Initiativgruppe, die sich in der Diözese Linz seit über 10 Jahren intensiv mit dem Thema der Kriegerdenkmäler auseinandersetzt. Heutige Mitglieder sind Martina Gelsinger (diözesaner Fachbereich Kunst und Kultur), Andreas Schmoller (Franz und Franziska Jägerstätter Institut an der Katholischen Privat-Universität Linz), Eva Bauernfeind-Schimek (diözesaner Fachbereich Gesellschaft und Soziales) und Wilhelm Seufer-Wasserthal (Bildungszentrum Maximilianhaus Attnang-Puchheim).

 

Im November 2024 luden die Diözese Linz und das Bildungszentrum Maximilianhaus in Attnang-Puchheim zu einer Tagung zum Thema „Neue Perspektiven auf Kriegerdenkmäler: Geschichte, Transformation und Gedenkkultur“ ein. Auch diese Tagung hatte eine Geschichte: Bereits zehn Jahre davor, 2014, war eine Veranstaltung im Maximilianhaus unter dem Titel „Vermisst! Worüber Kriegerdenkmäler schweigen …“ gestanden.

 

Bereits nach der ersten Tagung gab es zahlreiche Rückfragen an die Veranstalter:innen, ob Inhalte und Informationen nachgelesen werden könnten. So entstand im Anschluss an die letztjährige Tagung ein Buch, das die Tagungsbeiträge und darüber hinaus Texte mit besonderer Relevanz für das Thema zusammen mit Rückmeldungen von Projektverantwortlichen und Themen der Publikumsdiskussion beinhaltet. Die Dokumentation der Tagung wurde am 30. Oktober 2025 wurde im Festsaal des Bischofshofs in Linz präsentiert. Unter dem Titel „Neue Perspektiven auf Kriegerdenkmäler: Geschichte, Transformation und Gedenkkultur“ gibt sie Interessierten in Pfarren und Gemeinden viele praktische Impulse und Hintergrundwissen für die Arbeit und Auseinandersetzung mit Kriegerdenkmälern.

 

 

Erinnerungszeichen und ihre Bedeutung für die Gegenwart

 

Projektleiterin Martina Gelsinger ist Kunsthistorikerin und Kuratorin im diözesanen Fachbereich Kunst und Kultur. In ihren Begrüßungsworten betonte sie die Rolle der Kunst im Zusammenhang mit einer zeitgemäßen Gestaltung von Kriegerdenkmälern: „Kunst macht vieles, was in der Gesellschaft virulent vorhanden ist, sichtbar. Kunst ist dabei keine Behübschung – im Sinne eines ‚nice to have‘, sondern eine Impulsgeberin und ein Motor für Transformation, Metamorphose und Verwandlung. Bildung und der Diskurs in den Pfarrgemeinden, Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen sind im Blick auf die Geschichte und aktuelle Entwicklungen unverzichtbar. Im Zentrum steht dabei die Frage nach der Bedeutung der Denkmäler für die Gegenwart.“

 

Mitherausgeber Andreas Schmoller ist Historiker und Theologe und leitet das Franz und Franziska Jägerstätter Institut an der KU Linz. Er führte ins Thema ein: „Die Kriegerdenkmäler stehen für eine Erinnerungskultur, in der sich der kollektive Umgang der Gesellschaft, der Kirche mit der Zeit des Nationalsozialismus widerspiegelt. Sie sind keinesfalls als Monolith zu betrachten, die bildsprachlich nur eine Deutung des Krieges zulassen würden.“ Die Denkmäler seien vielmehr Zeugen jener Zeit, in der sie finanziert, gestaltet und umgesetzt worden seien.

 

Aufgrund ihrer Langlebigkeit blieben sie bestehen, hätten aber an unmittelbarer Bedeutung verloren. Vielfach würden sie ignoriert, stillschweigend übergangen oder – vielleicht fragwürdig in ihrer Aussage – zum Anstoß für einige wenige. „Aber sie bleiben epochale Erinnerungszeichen. Wir befinden uns 80 Jahre nach dem Ende der Ereignisse, die als Zweiter Weltkrieg mit 55 Millionen Toten in die Geschichte eingegangen ist. Es war ein Krieg, getragen von einer Ideologie und damit verbundenen Vernichtungs- und Herrschaftsformen, die uns als Zivilisationsbruch ins Geschichtsbuch geschrieben sind. Dazu wollen und müssen wir uns heute in Form von ethischem Gedenken und historischen Lernen verhalten“, so Schmoller.

 

Martina Gelsinger und Andreas Schmoller, zwei von vier Herausgeber:innen, f?hrten durch die Buchpr?sentation.

Martina Gelsinger und Andreas Schmoller führten durch die Buchpräsentation. © Diözese Linz / Thomas Markowetz

 

Bischof Scheuer: Erinnerung braucht „Verleiblichung“ dessen, was erinnert wird

 

Gastgeber Bischof Manfred Scheuer unterstrich in seinen einführenden Worten bei der Buchpräsentation, das Gedächtnis der Opfer brauche Orte und Räume, also eine „Verleiblichung“ dessen, was erinnert wird. „Erinnerung braucht Anschauung: Texte, Kleidungsstücke, Briefe, kleine Kunstwerke und Alltagsgegenstände. Erinnerung braucht das Zeugnis der Dinge, das nackte Anschauen der Gefängnisse, der Hinrichtungsorte, der Gaskammern, das Zeugnis der Wahrheit und das Wahr-Nehmen der tödlichen Ideologie. Erinnerung an Leiden und Opfer ist mit dem Willen zur Wahrhaftigkeit, zur Gerechtigkeit, mit dem Hinschauen auf die nackten Tatsachen zu verbinden“, so der Bischof.

 

Ebenso bedürfe das Gedächtnis der Vermittlung durch lebendige Personen: durch Historiker:innen, die Erinnerung in Daten und Fakten aufbereiten, aber auch durch Menschen, „die Orte und Räume ‚pflegen‘, Erfahrungen erzählen, die dem Sog des Vergessens wehren, die Räume der Begegnung für die Opfer und ihre Nachkommen eröffnen, die trauern und betrauern, die Wut, das Schreien und die Anklage aushalten“. Gleichzeitig gebe es Grenzen der Vergegenständlichung – nämlich dort, wo die Einzigartigkeit in die Reproduzierbarkeit und die Singularität des Leidens zu einer Gleichmachung aller Menschen führe. Der Bischof wörtlich: „Massenmedien wie Fernsehen und Radio ermöglichen ein unbetroffenes Miterleben der Ereignisse, machen also eine Beschäftigung mit dem Grauen möglich bei technisch sichergestellter Passivität des Zuschauens. An Orten wie Gusen, Hartheim, Gunskirchen, Ebensee oder Ternberg darf es aber nie ein ‚Einhausen‘, eine Eingewöhnung geben.“

 

Bischof Manfred Scheuer betonte in seinem Grußwort, das Gedächtnis der Opfer brauche Orte und Räume, also eine Verleiblichung dessen, was erinnert werde.

Bischof Manfred Scheuer sprach einführende Worte. © Diözese Linz / Thomas Markowetz

 

Kunstvermittlerin Meran: Erinnerung durch Vermittlung am Leben erhalten

 

Die aus dem Kremstal stammende Kunsthistorikerin und Kulturvermittlerin Eva Meran verantwortet den Bereich „Diskussionsforum und Kulturvermittlung“ am 2018 eröffneten Haus der Geschichte Österreich auf dem Wiener Heldenplatz. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen kritische Geschichts- und Kunstvermittlung, vermittlerisches Kuratieren, Sprache und Texte im Museum, österreichische Zeitgeschichte und zeitgenössische Bildende Kunst. Im Rahmen der Buchpräsentation gab sie anhand einiger konkreter Projekte im musealen, digitalen und öffentlichen Raum Einblicke in die Vermittlungspraxis. In ihrem Impulsvortrag zum Thema „Die Gegenwart der NS-Vergangenheit: Ins Gespräch kommen“ nannte sie als Anliegen von Vermittlungsarbeit, „Erinnerung als etwas Lebendiges zu behandeln und selbst am Leben zu erhalten. Steinerne Denkmäler sagen uns oft nichts mehr – zentral ist es, darüber zu reden.“ Kunst ermögliche etwas, was eine rein wissenschaftliche Aufarbeitung nicht leisten könne: Sie eröffne in der Erinnerungskultur andere, neue Blickwinkel und Denkräume.

 

In den etwa 750 Workshops, die jährlich im Haus der Geschichte Österreichs für Erwachsene und Jugendliche gehalten werden, werde bewusst nicht nur der Schrecken des Holocaust dargestellt: „Man bleibt dann wie gelähmt und handlungsunfähig zurück“, so Meran. Vielmehr werde viel mit Biografien von Opfern, aber auch von Tätern und Mitläufern gearbeitet. „Lernen funktioniert über Nähe, über Emotionen“, weiß Meran. Darauf aufbauend würden Handlungsmöglichkeiten und Entscheidungen dieser Menschen aufgezeigt. „Uns ist wichtig, anhand der Geschichte bewusst zu machen: Wie funktioniert Ausgrenzung heute, wie wird heute mit Feindbildern gearbeitet, was für ein System steht dahinter?“, unterstrich Meran den Brückenschlag der Geschichtsvermittlung in die Gegenwart. Dass bald keine Zeitzeug:innen mehr zur Verfügung stünden, sei auch für die Vermittlungsarbeit von Bedeutung.

 

Kunsthistorikerin und vermittlerin Eva Meran vom Haus der Geschichte ?sterreich gab Einblicke in die Vermittlungspraxis.

Kunstvermittlerin Eva Meran vom Haus der Geschichte Österreich. © Diözese Linz / Thomas Markowetz

 

Zum Inhalt des Buches

 

Grußworte wurden von Bischof Manfred Scheuer und Landeshauptmann Thomas Stelzer verfasst. Nach einem Vorwort der Herausgeber:innen zeigen sieben Beiträge unterschiedliche Perspektiven auf Kriegerdenkmäler auf.

 

So geben Andreas Schmoller und Verena Lorber vom Franz und Franziska Jägerstätter-Institut einen wissenschaftlich-faktischen Überblick zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs sowie zu Verfolgung (NS-Euthanasie, Holocaust, Zwangsarbeit) und Widerstand.


Der Pädagoge und Historiker Clemens Gruber umreißt die Entstehung von Erinnerungskultur, kategorisiert Formen von Kriegerdenkmälern und vermittelt deren Botschaften und Erzählungen.


Kunsthistorikerin und Projektleiterin Martina Gelsinger erläutert, wie die Neukontextualisierung von Kriegerdenkmälern mithilfe von Künstler:innen gelingen kann, die den Blick der Gegenwart einbringen.


Die Künstler Hubert Lobnig und Moritz Matschke zeigen anhand des Kriegerdenkmals in Altenberg auf, wie es durch Dekonstruktion gelingen kann, ein Kriegerdenkmal in ein Friedensdenkmal zu verwandeln. In ihrem Entwurf ordnen sie Bestehendes neu an, ergänzen und ermöglichen damit eine neue Perspektive. Sie unterstreichen, wie wichtig es ist, eine Täteruntersuchung vorzunehmen, die Opfer hinzuzufügen und einen Hoffnungs- und Erinnerungsort für alle zu schaffen. – Die Künstler:innen Rosa Andraschek und Simon Nagy erklären anhand des Kriegerdenkmals in Garsten, für das ein neuer Platz im Friedhof gefunden werden musste, wie ein Denkmal aktiv abgebaut und „archiviert“ werden kann. Im Zentrum ihres Konzeptes steht für sie der Wandel von Ehrung hin zu Gedenken, Erinnern und Reflektieren. Beide Projekte sind auf Initiative einer Projektgruppe von Pfarre und Gemeinde aus einem geladenen Wettbewerb unter der Leitung des Fachbereichs Kunst und Kultur hervorgegangen. Eine Umsetzung ist im nächsten Jahr in Planung.

 

Willi Seufer-Wasserthal, langjähriger Leiter des Bildungszentrums Maximilianhaus in Attnang Puchheim und designierter Pastoralvorstand der zukünftigen Pfarre Hausruck-Ager, hat mit Isolde Schmid die Podiumsdiskussion der Tagung von 2024 zusammengefas

Einzelne Autor:innen (im Bild: Willi Seufer-Wasserthal) stellten bei der Buchpräsentation ihre Beiträge vor. 
© Diözese Linz / Thomas Markowetz


Historikerin Eva Bauernfeind-Schimek (diözesaner Fachbereich Gesellschaft und Soziales“ hat aus den Erfahrungen und Rückmeldungen Aspekte für das Gelingen eines Umgestaltungs-Prozesses unter Einbeziehung aller Interessensgruppen erarbeitet.


Isolde Schmid und Wilhelm Seufer-Wasserthal vom Bildungszentrum Maximilianhaus in Attnang-Puchheim haben die Podiumsdiskussion der Tagung von 2024 zusammengefasst und thematisiert, was Gedenkkultur im 21. Jahrhundert bedeutet kann. Ihr Fazit: Man kann sich den Diskussions- und Bildungsprozess nicht ersparen.

 

Ergänzt werden die Beiträge durch drei Wiederabdrucke: „Ergänzt die Kriegerdenkmäler“ von Gottfried Bachl (1988), „Gedächtnis und Verantwortung. Anmerkungen zu einer Gedenkkultur“ von Bischof Manfred Scheuer (2022) und „Gedenken und Mahnen. NS-Herrschaft, Erinnerungskulturen und Gedächtnislandschaften nach 1945“ von Claudia Kuretsidis-Haider (2005).

 

Am 30. Oktober 2025 wurde im Linzer Bischofshof ein neues Buch zu neuen Perspektiven auf Kriegerdenkmäler präsentiert.

 

Neue Perspektiven auf Kriegerdenkmäler.
Geschichte, Transformation und Gedenkkultur

 

Herausgeber:innen:

Martina Gelsinger, Fachbereich Kunst und Kultur, Diözese Linz

Eva Bauernfeind-Schimek, Fachbereich Gesellschaft und Soziales, Diözese Linz

Andreas Schmoller, Franz und Franziska Jägerstätter Institut, Katholische Privat-Universität Linz

Willi Seufer-Wasserthal, Bildungszentrum Maximilianhaus Attnang-Puchheim, Diözese Linz

Eigenverlag 2025

 

Das Buch ist kostenlos und kann von Interessierten in Pfarren und Gemeinden hier bezogen werden:

 

Fachbereich Kunst und Kultur
Rudigierstraße 10, 4020 Linz

0732 99 51 51-4520
kunst@dioezese-linz.at

https://www.dioezese-linz.at/kunst

 

Fachbereich Gesellschaft und Soziales
Kapuzinerstraße 84, 4020 Linz

0732 76 10-3251
gesellschaft_soziales@dioezese-linz.at

https://www.dioezese-linz.at/soziales

 

Franz und Franziska Jägerstätter Institut
Katholische Privat-Universität Linz
Bethlehemstraße 20, 4020 Linz

0732 78 42 93
office@ku-linz.at
https://ku-linz.at/forschung/franz_und_franziska_jaegerstaetter_institut

 

Zukünftige Pfarre Hausruck-Ager
Gmundnerstraße 1b, 4800 Attnang-Puchheim

0676 8776 3201
wilhelm.seufer@dioezese-linz.at

https://www.dioezese-linz.at/dekanat-schwanenstadt

 

Die Herausgeber:innen mit Bischof Manfred Scheuer (v. l.): Willi Seufer-Wasserthal (Maximilianhaus), Martina Gelsinger (FB Kunst und Kultur), Andreas Schmoller (FFJI), Lucia Göbesberger (FB Gesellschaft und Soziales) und Bischof Manfred Scheuer

Die Herausgeber:innen (v. l.): Willi Seufer-Wasserthal (Maximilianhaus), Martina Gelsinger (FB Kunst und Kultur), Andreas Schmoller (FFJI), Lucia Göbesberger (FB Gesellschaft und Soziales) und Bischof Manfred Scheuer. © Diözese Linz / Thomas Markowetz

Zukunftsweg

Das Neue nimmt Gestalt an

In den zukünftigen neuen Pfarren der Runde 4 laufen derzeit die Vorbereitungen für die Pfarrgründung am 1.1.2026.

Horizont-Erweiterung auf Innviertlerisch

Übergreifende Starthilfe der Pfarre An der Salzach für die designierte Pfarre Mattigtal.
Advent am Dom 2025
Katholische Kirche in Oberösterreich
Diözese Linz

Herrenstraße 19
4020 Linz
https://www.dioezese-linz.at/
Darstellung: