Samstag 20. April 2024

Theologisch-praktische Quartalschrift: „Hölle und Fegefeuer“

Ausgabe 2/2019 der Theologisch-praktischen Quartalschrift (ThPQ) behandelt das christliche Verständnis und historische bzw. aktuelle Vorstellungen von Hölle und Fegefeuer. 

Ewig lodernde Feuer, schmerzverzerrte Antlitze, schier nie enden wollende Qualen … Das sind vielfach die Assoziationen, die Menschen haben, wenn sie an Hölle oder Fegefeuer denken. Vor ihrem inneren Auge erscheinen Orte der Angst und des Schreckens, an denen der strafende Richtergott die Seelen leiden lässt. So verstanden ist das Fegefeuer, ist die Hölle jedoch „eine von außen auferlegte Strafe, die dem, was geschehen ist, äußerlich bleibt1. Diese Sichtweise spiegelt das eigentliche christliche Verständnis von Hölle oder Fegefeuer jedoch nicht. Hölle und Fegefeuer waren nie nur äußerlich, sondern bezogen sich immer auch auf das Innere des Menschen. Als Medien der Erziehung wollten sie zur Buße hinführen und damit zu einem guten christlichen Leben anleiten. Überdies boten sie Trost und Hoffnung, insofern nach dem Tod denjenigen, die in dieser Welt Unrecht und Leid erfahren hatten, Gerechtigkeit widerfahren werde, ja einem selbst angesichts eigener Fehler Barmherzigkeit zuteil werde, so dass Versöhnung noch möglich wird. Wenn aber Hölle und Fegefeuer diese Konnotationen haben, warum ist es in den letzten Jahren und Jahrzehnten in der Pastoral so still um sie geworden? Seit den 1950er-Jahren sind diese Themen aus den Predigten genauso verschwunden, wie sie beispielsweise auch in der Sterbebegleitung keinen Platz mehr haben, und das, obwohl die Menschen ein (un)ausgesprochenes Bedürfnis nach Antworten haben. Im Genre Film und Literatur nämlich boomt das Thema.

 

Cover Theologisch-praktische Quartalschrift 2/2019

© KU Linz

 

Vor diesem Hintergrund erläutern die ersten drei Autoren die verschiedenen aktuell in der Theologie vertretenen Vorstellungen von Hölle und Fegefeuer. Der Freiburger Soziologe und Theologe Michael N. Ebertz macht deutlich, dass sich im Laufe der (katholischen) Christentumsgeschichte zwei kontradiktorische Modelle entwickelt haben: ein „Exklusionsmodell“, nach dem Teile der Menschheit am Ende der Zeiten in der Hölle und damit Gottferne verharren werden, und ein „Inklusionsmodell“, das eine Allversöhnung im Endgericht vorsieht. Aus beiden leiten sich die heute diskutierten Modelle ab, wobei das Inklusionsmodell – ausdifferenziert in vier Varianten – von den meisten TheologInnen eindeutig favorisiert wird.

 

Eine dieser Varianten erläutert der Freiburger Fundamentaltheologe Magnus Striet, der angesichts des Leids in der Welt dafür votiert, dass sehr wohl eine Hölle als Ort der Vergeltung angenommen werden muss. Zugleich darf auf eine so starke Liebe Gottes gehofft werden, die es den Opfern schlussendlich ermöglicht, den Tätern zu vergeben (Allversöhnung), was eine Hölle obsolet werden lässt. Ganz ähnlich argumentiert Markus Mühling, Systematischer Theologe an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal, aus evangelischer Sicht. Er macht nach der Erläuterung aller bisher in der protestantischen Theologie gescheiterten Konzepte klar, dass Gericht als ein Prozess der Versöhnung sowohl im Hier und Jetzt als auch nach dem Tod verstanden werden muss, der als „Transformations- und Konstitutionsprozess“ der/des Einzelnen geschieht, ohne dabei die negativen Elemente des Lebens zu negieren.

 

Die folgenden Beiträge gehen der Entwicklung der Vorstellung von Hölle und Fegefeuer in der Christentumsgeschichte nach. Der Bamberger Alttestamentler Klaus Bieberstein erläutert den Umgang mit dem Tod bzw. den Toten im Alten Testament und verdeutlicht, wie sich erst mit der Ausbildung der Idee der Auferweckung der Toten eine Vorstellung eines Strafortes, einer Hölle entwickelte. Christoph Niemand, Neutestamentler in Linz, zeigt anhand von ausgewählten „Höllenpredigten“ in den Evangelien, wie diese die/den einzelne/n Christ/in ausschließlich zur Buße und damit zum ständigen Überdenken des eigenen Lebens als gutes christliches Leben anhalten sollen. Der Regensburger Altkirchenhistoriker Andreas Merkt und die Linzer Kirchenhistorikern Ines Weber knüpfen direkt an diese Linie an. Andreas Merkt führt vor Augen, wie sich in der Alten Kirche die Idee des Fegefeuers als Ort einer noch möglichen Rettung, aber auch als pädagogische Mahnung und damit als Anleitung zu einem guten christlichen Leben entwickelt hat. Ines Weber bestätigt diese Befunde für das gesamte Mittelalter und die Neuzeit. Sie macht deutlich, dass überhaupt erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Hölle zur Drohbotschaft wird, um in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts an Plausibilität zu verlieren und völlig aus der Pastoral zu verschwinden. Mit diesen Befunden sowie mit dem Beitrag von Theresia Heimerl, Religionswissenschaftlerin in Graz, schließt sich der Kreis zum eingangs Erläuterten. Sie zeigt, wie sehr das Motiv der Hölle über das Medium Film als realer Ort im heutigen Leben oder als innerer Ort im einzelnen Menschen nach wie vor präsent ist und so seine Aufarbeitung findet.

 

Das Heft schließt mit zwei Beiträgen zum Amt in der Kirche, die aus dem Studientag „Das Amt weiter-denken“, der im November 2018 im Bildungshaus Schloss Puchberg bei Wels stattgefunden hat, hervorgegangen sind. Johanna Rahner, Tübingen, plädiert aus dogmatischer Perspektive genauso wie Sabine Demel, Regensburg, aus kirchenrechtlicher Sicht für eine Revision des Amts, gerade auch, wenn es um die Fragen von Frauen in kirchlichen Ämtern geht.

 

„Religionen können menschliche Ängste bis ins Unermessliche steigern, sie können aber auch von Ängsten befreien und sie bewältigen helfen“, so schreibt Ottmar Fuchs, emeritierter Pastoraltheologie in Tübingen, in seinem Buch „Wer’s glaubt wird selig … Wer’s nicht glaubt, kommt auch in den Himmel.2 Dieser Impetus – Befreiung von Ängsten und Hoffnung auf Versöhnung sowie Anleitung zu einem gelingenden Leben – ist der christlichen Botschaft von Hölle und Fegefeuer immanent. Dessen aber sind wir nicht mehr immer gewahr. Theologinnen und Theologen sollten sich deshalb, da sind sich die AutorInnen einig, der Thematik neu stellen, um sie für die aktuell vorfindlichen kulturellen Zusammenhänge fruchtbringend zur Sprache zu bringen und damit in die Pastoral neu zu übersetzen. 

 

1 Ottmar Fuchs, Das Jüngste Gericht. Hoffnung über den Tod hinaus, Regensburg 2018, 45f.

2 Ders., Wer’s glaubt, wird selig … Wer’s nicht glaubt, kommt auch in den Himmel, Würzburg 2012, 9.

 

 

Theologisch-praktische Quartalschrift auch als eBook und ePDF erhältlich

 

Die Theologisch-Praktische Quartalschrift kann als Abonnement regelmäßig bezogen werden (4 Ausgaben im Jahr). Seit 2017 bietet der Verlag Pustet die Theologisch-Praktische Quartalschrift auch als eBook und ePDF an.

 

Zu den Details

 

Chefredakteurin Univ.-Prof.in Dr.in Ines Weber / Katholische Privat-Universität Linz

 

 

Quartals.Gespräch 10 – Ist die Hölle leer?

 

Bereits zum 10. Mal – zum dritten Mal im Rahmen der Langen Nacht der Kirchen – fand am 24. Mai 2019 an der Katholischen Privat-Universität (KU) Linz das Quartals.Gespräch statt. Es widmete sich einem wahrhaft „heißen“ Thema, der Hölle. Gesprächspartner unter Moderation von Pastoralamtsdirektorin Mag.a Gabriele Eder-Cakl  waren Mag.a Christiane Roser, Referentin für Krankenhauspastoral, Univ.-Prof. Dr. Magnus Striet, Professor für Fundamentaltheologie und Philosophische Anthropologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br., und Univ.-Prof.in Dr.in Ines Weber, Professorin für Kirchengeschichte und Patrologie und Chefredakteurin der Theologisch-praktischen Quartalschrift.

 

Quartals.Gespräch mit Dr.in Ines Weber, Mag.a Christiane Roser und Dr. Magnus Striet (Moderation: Mag.a Gabriele Eder-Cakl).

Quartals.Gespräch mit Mag.a Gabriele Eder-Cakl (Moderation), Univ.-Prof.in Dr.in Ines Weber, Mag.a Christiane Roser und Univ.-Prof. Dr. Magnus Striet. © KU Linz / Kagerer

 

Wie ist das nun mit der Hölle? Ist sie tatsächlich leer? Sind alle Menschen demzufolge erlöst? Oder doch nicht? Die Frage, ob es eine Hölle gibt und ob diese gefüllt oder leer ist, entscheidet sich einzig am Gottes- und Menschenbild. Hier stehen sich in der Geschichte des Christentums zwei Konzepte gegenüber. Erinnert sei an Augustinus, demzufolge der Mensch ein durch und durch sündiges Wesen sei, nicht zuletzt schon aufgrund der Erbsünde, die ihm anhafte. Nur wenige Menschen entgingen der ewigen Verdammnis. Anders hat zum Beispiel Origenes auf den Menschen geblickt. Aufgrund der von Gott geschenkten Gnade zum Guten fähig, könne der Mensch sich sein Leben lang so entwickeln, dass er dem Abbild Gottes immer näherkomme. Weil aber ein vollends gutes christliches Leben nur wenigen gelang und ein/e jede/r Schuld und Sünde immer wieder auf sich lud, konnten Buße, tätige Reue, gute Werken, Spenden … auf den Weg zurückführen und vor dem Fegefeuer und der Hölle bewahren. Luther lehnte diese Lehre vom Mittun des Menschen mit Rückbezug auf Augustinus ab. Der Sünder werde allein durch Glauben gerettet – allein durch die Gnade Gottes. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts ist es still geworden um die Hölle. Heute scheint sie in der Verkündigung keine Rolle mehr zu spielen.

 

Angesichts des durch alle Zeiten erlebten unsäglichen Grauens, das Menschen einander angetan haben und antun, sei jedoch ernstlich die Frage gestellt, ob es am Ende der Zeiten Rettung geben kann? Was ist mit der Differenz von Tätern und Opfern, mag diese Trennlinie auch manchmal schwer zu scheiden sein? Müssen nicht die größten Menschheitsverbrecher vom Himmel ausgeschlossen bleiben, gerade vor der Tatsache unschuldiger Opfer? Darf Gott den Tätern, wenn sie denn bereuen, vergeben? Augustinus war sich seiner Antwort sicher. Die allermeisten Menschen waren der ewigen Sündenstrafen teilhaftig. Ist jedoch Gott ein Gott unbedingter und universaler Liebe, dann umfasst diese Liebe auch jene, die zu Tätern wurden (vgl. Origines). In der Konsequenz heißt das, dass die Täter auch im Himmel sind. Werden dann die Täter zu ihrer Schuldgeschichte stehen können? Andernteils: Werden die Opfer Vergebung gewähren können/wollen? Gott selbst kann dies nicht tun, insofern er je die Freiheit des Menschen respektiert. Gott will in seiner unendlichen Güte den Menschen für sich gewinnen. Es bleibt zu hoffen, dass diese dazu bewegt, „das unmöglich Scheinende doch zu vermögen: zu vergeben. Dass dies auf der Seite der Täter voraussetzt, Reue zu zeigen und die von ihnen Gequälten um Vergebung zu bitten, ist so selbstverständlich, dass es nicht betont werden muss“ (ThPQ 167 [2019], 132). Gott will seine Schöpfung nicht im Tod belassen. Dies zeigt gerade Ostern.

 

Nichtsdestoweniger tragen wir die Schreckensbilder von Hölle – spätestens seit dem Mittelalter – in uns. Dabei waren die Bilder von Fegefeuer und Hölle ursprünglich anders gedacht. Sie hatten pädagogisch-mahnende Funktion, sie wollten den Menschen zu einem gelingenden Leben anhalten, einem Leben, das trotz des mitunter täglich erlebten eigenen Scheiterns die Nähe Gottes erfahrbar machen sollte. Insofern hat das Christentum, hat die Kirche etwas anzubieten, nämlich die Zusage der Versöhnung, die in jedem Moment gegebene Möglichkeit der Umkehr. Darin liegt Potenzial, das viel zu sehr brach liegt. Erinnert sei an das Bild von Jesus als Arzt. Viel eher wird dieses Feld anderen überlassen, etwa der Psychotherapie.

Wird der Frage nach dem Fegefeuer und der Hölle gerade am Lebensende heute noch Bedeutung beigemessen? Hier ist festzuhalten, dass sich die Vorstellungen dazu die vergangenen 20/30 Jahre wesentlich verändert haben. Verlangten Menschen in dieser Zeit in schwerer Krankheit und/oder im Sterben noch nach der Krankensalbung (letzte Ölung), wollten sie alles in Ordnung gebracht, geregelt wissen, so sind es heute eher Selbsterlösungstendenzen, die spürbar werden. Hier ist auch ein Stadt-Land-Gefälle feststellbar. Die Hölle als solche spielt nur mehr insofern eine Rolle, als Menschen von diesbezüglichen traumatisierenden Erfahrungen in ihrer Lebensgeschichte berichten. Geht es in solchen Situationen, in Situationen, in denen die Fragen nach dem, was einen erwartet, auftauchen, nicht gerade darum, dem Menschen – bei aller Vorläufigkeit und Hinfälligkeit, bei allem Scheitern im Leben – die Vollendung zuzusagen, dass alles gut werden wird? Ja, wir dürfen dies hoffen!

 

Univ.-Prof.in Dr.in Ines Weber & Mag. Berhard Kagerer | KU Linz

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Seelsorgeteam Einführung im Dekanat Pettenbach

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