Dienstag 16. April 2024

Stern(e) über Betlehem

Stern(e) über Betlehem

Was damals ein heller Stern war, ist heute das Fest Weihnachten: In der Geburt Jesu bejaht Gott die Welt bedingungslos, schreibt Bischof Manfred Scheuer in einem Gastkommentar, der am 24.12.2018 in den Oberösterreichischen Nachrichten erschien.

Es ist eine der finstersten Gegenden Mitteleuropas. Was nicht unbedingt nach einer Tourismuswerbung klingt, ist für den Nationalpark Kalkalpen eine Auszeichnung. Kaum woanders ist der Himmel in der Nacht so finster wie hier – hieß es im Sommer in einem Bericht der OÖN. Kaum woanders in Europa lässt sich ein prächtigerer Sternenhimmel beobachten. Kein Wunder, dass unterhalb des Gipfels der Hohen Dirn im Gemeindegebiet von Reichraming ein Star Park – ein Sternenpark – entsteht. Teleskope sind für die Beobachtung astronomischer Phänomene aufgestellt und erlauben einen genaueren Blick auf die Schönheit und Imposanz eines sternenübersäten Nachthimmels. Es ist schon irgendwie paradox: Gerade ein dunkler Ort hilft uns, Lichtquellen zu entdecken. Etwas, das in Großstädten nicht mehr möglich ist. Man spricht von Lichtverschmutzung. Das viele künstliche Licht in der Nacht verschluckt das natürliche Licht der Sterne.

 

Der Stern von Bethlehem wird im Matthäusevangelium als ein mit freiem Auge sichtbares Himmelsphänomen geschildert. Seither haben sich so manche Theologen und Wissenschaftler den Kopf zerbrochen, welche Himmelserscheinung dieser Stern genau gewesen sei. Oftmals auch zu dem Zweck, um vielleicht so das genaue Geburtsjahr Jesu bestimmen zu können. War es ein Komet, ein Wandelstern? Manche vermuten eine Konjunktion, eine langandauernde Begegnung von Jupiter und Saturn, die im Jahr 7 vor Christus stattfand. Wie dem auch sei: Die Sterndeuter aus dem Osten waren sich sicher – es ist die Geburtsanzeige eines besonderen Menschen. So spektakulär die Himmelserscheinung aber auch sein musste – sie fiel offensichtlich nicht allen Menschen auf: Der jüdische König Herodes und sein Hofstaat mussten erst von den Sterndeutern darüber unterrichtet werden, heißt es.

 

Wir haben es da bedeutend leichter. Weihnachten ist in unseren Landen zu einem Dauerbrenner geworden. Selbst Menschen, denen der christliche Glaube fremd oder fremd geworden ist, können sich nicht dem Sog von Weihnachten entziehen. Die Sinne werden auf vielen Ebenen unmissverständlich angesprochen: Weihnachten ist unüberhörbar, unübersehbar und im wahrsten Sinn des Wortes gut zu riechen. Der weihnachtliche Stern ist für uns alle sichtbar, aber können wir ihn auch deuten?

 

Bei Weihnachten geht es um die Geburt eines Kindes. Die Christenheit feiert ein großartiges, aber eigentlich unbegreifliches Wunder: Gott wird in einem Säugling, dem Inbegriff an Hilfsbedürftigkeit und Verletzlichkeit, Mensch. In der Geburt eines jeden Menschen wird somit eine entscheidende Dimension von Weihnachten greifbar. Die jüdische Philosophin Hannah Arendt (1906 – 1975) hat sich in ihrem Werk viel mit dem Thema Geburt auseinandergesetzt. In Abgrenzung zum Philosophen Martin Heidegger, der das menschliche Dasein als „Sein zum Tode“ begreift, misst sie nicht dem Ende, sondern dem Beginn des Menschenlebens eine entscheidende Bedeutung zu: Menschen müssen zwar sterben, aber die Sterblichkeit ist nicht ihr Bestimmungsmerkmal. Jeder geborene Mensch steht für einen Neuanfang, mit jeder Geburt eines Menschen kommt etwas Neues in die Welt. Es ist die Einmaligkeit des nun beginnenden Lebens, die eine Geburt so besonders macht. Diese positive Sichtweise auf die Welt wird zu Weihnachten erfahrbar, so Hannah Arendt: „Dass man in der Welt Vertrauen haben und dass man für die Welt hoffen darf, ist vielleicht nirgends knapper und schöner ausgedrückt als in den Worten, mit denen die Weihnachtsoratorien ‚die frohe Botschaft‘ verkünden: ‚Uns ist ein Kind geboren.‘“

 

Mit der Geburt Jesu bejaht Gott das menschliche Leben von Anfang an – ungeachtet von Herkunft und sozialem Status. Die Umstände der Geburt Jesu waren genau betrachtet erbärmlich. Um das zu veranschaulichen, hatte der heilige Franz von Assisi 1223 die Idee, die Geburtsszene von Bethlehem nachzustellen. „Ich möchte nämlich das Gedächtnis an jenes Kind begehen, das in Bethlehem geboren wurde, und ich möchte die bittere Not, die es schon als kleines Kind zu leiden hatte, wie es auf Heu gebettet wurde, so greifbar als möglich mit leiblichen Augen schauen.“ Er wählte eine Felshöhle in Greccio aus, die als Stall benutzt wurde; ein Säugling lag in einer strohbedeckten Futterkrippe, ein Esel und ein Ochse standen an der Seite. Die uns allen so vertraute Ausstattung der Weihnachtskrippen hat hier ihr Vorbild. Was man in den Nachbildungen aber nicht umzusetzen vermag, ist der Gestank, ist die mangelnde Hygiene, ist der Dreck. Gott war sich nicht zu schade für diese Zustände. Gott ist kein Gott der Perfekten und Vollkommenen. Gott ist ein Gott, der die menschliche Realität am eigenen Leib kennenlernte.

 

Wenn wir Jesus in der Krippe sehen, wenn wir dieses Kind feiern, dann feiern wir Gott, Gott ganz unten, Gott ganz nah, Gott in Rufweite, Gott in unserer Haut, mit unseren Schmerzen, mit unseren Freuden. Mit der Geburt Jesu tritt Gott in ein lebendiges Beziehungsgeschehen mit uns, er zeigt Herz, Sympathie und Solidarität mit uns. Die Beziehung zu Gott verlangt wie jede Beziehung auch meine „Sympathie", mein Herz. Bethlehem kommt heraus, wenn Gott und Mensch aufeinandertreffen, wenn Gott die Not und die Abgründe der Menschen wahrnimmt. Weihnachten sagt: Du kannst Gott trauen mit deiner Einsamkeit. Du kannst ihm trauen mit deinem Versagen. Du kannst ihm trauen mit deiner Existenzangst. Und: Du kannst dem Leben trauen.

 

Gott sagt JA zum menschlichen Leben von Anfang an und unter allen Umständen. Für die Christinnen und Christen ergibt sich daraus freilich eine Verpflichtung: die aktive Teilnahme am Leben möglichst aller Menschen und die Verantwortung, füreinander einzutreten. Das setzt voraus, dass der Achtung, der Würde und der Integrität jedes Menschen absolute Priorität eingeräumt werden muss. Es muss die Bereitschaft hochgehalten werden, diese Werte zu schützen und zu fördern. Armut, Flucht und Ausgrenzung können die Christinnen und Christen schlichtweg nicht kalt lassen. Denn Gott hat durch seine Menschwerdung eine eindeutige Wahl für den Menschen – ohne Ausnahme – getroffen.

 

Einen sternenklaren Nachthimmel betrachten und bestaunen zu können, erlebe ich immer als Geschenk. Weihnachten tiefer zu erleben, ist wie der Anblick der Sterne in der Nacht: Es ist vielleicht weniger die aufgekratzte Fröhlichkeit, die rundum gelungene Inszenierung des Familienfestes, das Bemühen um Harmonie an den Feiertagen, die geeignet ist, an den Kern von Weihnachten zu kommen. So manches künstliche Licht deckt da mehr zu, als es erhellen kann. Vielleicht ist es vielmehr das einfache „Danke“ für ein unerwartetes Geschenk, die Stille nach dem Trubel, die kleinen Zeichen der Liebe und Wertschätzung, die den Blick auf Weihnachten freimachen. Und leugnen wir nicht die finsteren Winkel unseres Lebens – wir kennen sie alle. Aber gerade sie sind es, an denen Gott uns seine Nähe besonders zusagt. Das ist die große Hoffnung, die wir zu Weihnachten auch aussprechen dürfen.

 

Bischof Manfred Scheuer

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