Mittwoch 24. April 2024

Digitale Welt: Kirchen müssen Orientierungshilfe leisten

Eine Podiumsdiskussion mit Bischof Wilhelm Krautwaschl, dem orthodoxen Bischof Andrej Ćilerdžić und dem evangelischen Superintendenten Lars Müller-Marienburg bildete den Abschluss der 20. Ökumenischen Sommerakademie im Stift Kremsmünster.

Die Kirchen sind gefordert, in der zunehmenden technologischen Informations- und Meinungsflut "Orientierungshilfe zu leisten und nicht noch mehr Verwirrung zu stiften". Das hat der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej (Ćilerdžić) am Freitag, 13. Juli 2018 bei der Abschlussdiskussion der diesjährigen Ökumenischen Sommerakademie im Stift Kremsmünster eingemahnt. "Wir müssen der Welt zeigen, dass die Kirchen besorgt sind um die Zukunft der Gesellschaft und das Heil der Menschen." Das sei der gemeinsame ökumenische Auftrag für alle Kirchen.

 

Der orthodoxe Bischof diskutierte gemeinsam mit dem katholischen Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl und dem niederösterreichischen evangelischen Superintendenten Lars Müller-Marienburg. Die traditionsreiche dreitägige Sommerakademie in dem oberösterreichischen Benediktinerstift stand heuer unter dem Generalthema "Gott und die digitale Revolution".

 

Bei allen Gefahren sehe er die digitale Vernetzung zugleich als große Chance für die Kirche, noch näher an die Menschen heranzukommen, so Ćilerdžić. Freilich wolle er auch die negativen Erscheinungen nicht geringreden. Neben den vielfältigen Formen von "elektronischer Gewalt" sprach der Bischof auch christliche Internetforen an, die sich zum Teil durch häretische Inhalte oder eine problematische Sprache "auszeichnen würden".

 

Der steirische Diözesanbischof Krautwaschl zeigte sich u. a. überzeugt, dass es für die Kirche nicht genügen dürfe, "einfach nur im Internet bzw. den sozialen Medien präsent zu sein". Man müsse sich vielmehr intensiv die Frage stellen: "Was will ich damit?" Das gelte auch für ihn als Bischof mit eigenem Facebook-Account: "Dient dieser letztlich nur der Selbstdarstellung oder der Verkündigung?" Ähnlich dem serbisch-orthodoxen Bischof zeigte sich auch Krautwaschl über diverse innerkirchliche Diskussionen in den sozialen Medien besorgt, "die die Menschen nicht zusammenführen, sondern auseinanderbringen und für Spaltungen sorgen könnten".

 

Landessuperintendent Müller-Marienburg wies wie Bischof Ćilerdžić auf die Chancen der neuen Technologien für die Kirche hin. Freilich: An erster Stelle müsse stets die reale persönliche Begegnung von Mensch zu Mensch stehen. Als Ergänzung bzw. Überbrückung setze er aber auch große Stücke auf Kommunikationsplattformen wie Facebook. Die Interaktion mache es möglich, mit vielen Menschen gemeinsam durchs Leben zu gehen und als Kirche präsent zu sein. Allerdings räumte auch Müller-Marienburg mögliche Gefahren ein: dass etwa nicht mehr sauber zwischen Beruf und Privat getrennt wird oder Menschen auf Facebook das natürliche Maß an Nähe und Distanz nicht mehr finden würden.

 

Podiumsdiskussion mit Superintendent Lars Müller-Marienburg, Bischof Wilhelm Krautwaschl und dem orthodoxen Bischof Andrej Ćilerdžić.

Podiumsdiskussion mit Superintendent Lars Müller-Marienburg, Bischof Wilhelm Krautwaschl und dem orthodoxen Bischof Andrej Ćilerdžić. © Diözese Linz

 

Neue Machtzentren

 

Einen brisanten Befund lieferte bei der Ökumenischen Sommerakademie zuvor die deutsche Medienexpertin Johanna Haberer. Sie konstatierte beispielsweise eine ganz neue Form der Kommunikationsgeschwindigkeit. Es werde online nur mehr reflexartig kommuniziert, zum Nachdenken bzw. zur Reflexion bleibe keine Zeit. Das führe zu vereinfachten, polarisierenden Debatten in den Social Media und zu einer zunehmenden Gereiztheit der Kommunizierenden. Diese Entwicklung sei höchst bedenklich, sowohl für die persönliche Kommunikation wie auch für die politische Debatte.

 

Auch das Informations- und Wissensmanagement habe sich dadurch grundlegend verändert. Es gelinge durch die neuen Technologien, blitzschnell an Informationen zu kommen, für die man früher Wochen bis Monate gebraucht habe. "Das Denken, das vormals in die Tiefe ging, bleibt an der Oberfläche und geht sozusagen in die Breite."

 

Die neuen Technologien hätten zudem neue Machtzentren hervorgebracht, die nicht nur Daten sammeln und User bestimmten Konsumententypen zuordnen, sondern die inzwischen auch in der Lage sind, "uns zu manipulieren, unsere politischen Systeme zu unterwandern und maßgeblich die Meinungsbildungsprozesse zu beeinflussen", sagte die Professorin für Christliche Publizistik an der Universität Erlangen-Nürnberg.

 

Unter dem Vorwand der Meinungsfreiheit würden von destruktiven Kräften strategisch geplante Lügen verbreitet, um die Gesellschaft zu destabilisieren. Hassmobilisierungen, das Streuen von Gerüchten und persönliche Diffamierungen bräuchten neue gesetzliche Gegenmaßnahmen, aber auch mehr professionellen Journalismus und selbstkritische User. "Wo haben wir noch Glaubwürdigkeitsadressen?", fragte Haber, die in diesem Zusammenhang eine Lanze für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk brach.

 

Die Expertin plädierte zudem für eine Umstellung des Kommunikationsverhaltens. Die Privatsphäre könne nicht mehr einfach vom Rechtsstaat gewährleistet werden, jeder Einzelne müsse neue Form von Kompetenz und Aufmerksamkeit erwerben. Haber: "Es braucht einen aufgeklärten reflektierten Umgang des Einzelnen mit den neuen Technologien."

 

Auch für die Kirchen bzw. die Theologie stellten sich eine Reihe von brisanten Fragen: "Wo bleibt etwa das Recht auf Umkehr und einen Neuanfang? Was macht es mit mir, wenn Technologien ein ewiges Gedächtnis haben und ich aus meiner Biografie nicht mehr herauskomme?" Oder: "Wir brauchen ein Menschenrecht auf ein Geheimnis. Was heißt es für unsere Privatsphäre, wenn Facebook uns vermutlich besser kennt als wir uns selbst?"

 

Dr.in Johanna Haberer

Medienexpertin Dr.in Johanna Haberer. © Diözese Linz

 

Ökumenischer Gottesdienst

 

Der feierliche Schlusspunkt der bereits 20. Sommerakademie war Freitagmittag ein ökumenischer Gottesdienst in der Stiftskirche Kremsmünster, dem Bischof Krautwaschl, Bischof Ćilerdžić und Superintendent Müller-Marienburg vorstanden.

 

Die Predigt hielt Generalvikar DDr. Severin Lederhilger OPraem. Lederhilger stellte mit der Zeitung „Die Zeit“ die Frage: Kann der Gott der Zukunft ein Computer sein? Eine Kirche der künstlichen Intelligenz mit dem Namen „Way of the Future“ sei 2017 von Anthony Levandowski, ehemaliger Street-view-Entwickler bei Google und Programmierer selbstfahrender LKWs, bereits gegründet worden. Lederhilger stellte ausgehend von Gedanken von Bischof Benno Elbs klar: „Was uns keine digitale Technik geben kann, sind eben jene drei Z als 'Grundnahrungsmittel' der Seele, die jeder Mensch braucht: Zärtlichkeit, Zuwendung und Zeit. Es geht da um ein Umarmtwerden, eine tröstende Liebkosung, die Entängstigung durch zärtliche Berührung und entsprechend inneres Berührtsein. Es geht um jene Kraft der Nähe, die Menschen aufblühen lässt, die Hoffnung stärkt und mit Gefühlsansteckung einen empathischen Umgang an andere weitergibt. Es geht um ein Ausbrechen aus der anstrengenden globalen kommunikativen Gleichzeitigkeit in einen humanen Zeit-Rhythmus, um Geduld für menschliche Entwicklung und nachsichtige Gelassenheit bei fehlender Perfektion.“

 

Alles, was ein betender Mensch mit dem religiösen Wort „Gott“ andeute, sei für das digitale Netzwerk „letztlich ein unfassbarer Störfaktor, denn der Glaube an einen persönlichen Gott mit zeit- und raumüberschreitender Compassion für den Menschen hat etwas Subversives“, so Lederhilger. Der Beter wisse nämlich, dass nichts, was existiert, der Endlichkeit des Zeitlichen entrinnen könne, auch nicht die Maschinen. Lederhilger wörtlich: „Er weiß, dass das Geheimnis Gottes und des Menschen sich jedem berechenbaren Algorithmus entzieht. Er akzeptiert einfach, dass Perfektion in dieser Welt kein letztes Ziel ist, weil Liebe, Freiheit, Würde des Menschen und die daraus sich ergebenden Rechte und Pflichten im Miteinander generationen-übergreifender Zeitgenossenschaft die Paradigmen aller digitalen Zukunfts-Szenarien unterlaufen.“ Es liege daher an den Menschen, als von Gott Gesegnete mit Weisheit und Klugheit die Ressourcen technischer Entwicklungen zu nutzen und so politische, soziale, wissenschaftliche Verantwortung wahrzunehmen, betonte Lederhilger.

 

Predigt von Generalvikar DDr. Severin Lederhilger OPraem zum Nachlesen

 

 

Festlicher Gottesdienst am Ende der 20. Ökumenischen Sommerakademie im Stift Kremsmünster

 

Ökumenischer Gottesdienst mit Abt Ambros Ebhart, Bischof Manfred Scheuer, Superintendent Lars Müller-Marienburg, Bischof Andrej Ćilerdžić und Generalvikar Severin Lederhilger. © Diözese Linz

 

Die Ökumenische Sommerakademie ist eine Veranstaltung der Katholischen Privat-Universität (KU) Linz, des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, des Evangelischen Bildungswerks Oberösterreich, der Kirchenzeitung der Diözese Linz, des Stifts Kremsmünster, der Religionsabteilungen des ORF in Fernsehen und Radio und des Landes Oberösterreich. Das "Ars Electronica Center" ist Veranstaltungspartner, die Oberösterreichischen Nachrichten sind Medienpartner.

 

Alle Vorträge der dreitägigen Tagung werden unter www.dioezese-linz.at/oekumenische-sommerakademie-kremsmuenster zum Nachhören zur Verfügung gestellt.

 

Kathpress

 

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