Freitag 29. März 2024

Bischof Scheuer: NS-Gegner in Reihen der Kirche wurden zu spät geehrt

Bischof Manfred Scheuer

Die katholische Kirche hat nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Gegner des Nationalsozialismus in ihren eigenen Reihen zu spät geehrt. Dieser Überzeugung ist der Linzer Bischof Manfred Scheuer. 

Bischof Manfred Scheuer, der selbst im Zuge des Seligsprechungsverfahrens für den oberösterreichischen Märtyrer Franz Jägerstätter als Postulator tätig war, äußerte sich in der am Abend des 10. April 2018 ausgestrahlten ORF-Doku "Hitlers Jünger und Gottes Hirten". Wie aus der Sendung hervorgeht, wollte die Bischofskonferenz, dass nach den Traumata des Dritten Reichs ein Schlussstrich gezogen wird und ehemalige Nazis in den Schoß der Kirche zurückkehren. Vielfach verzieh die Kirche, ohne dass vorher ein Reuebekenntnis erfolgte, so der Tenor.

 

550.000 ehemalige NSDAP-Mitglieder sollten nach Kriegsende wieder in die Kirche zurückgeholt werden, mit allen Angehörigen betraf dies ein Viertel der Bevölkerung, hieß es in der von der ORF-"Report"-Redakteurin und promovierten Kirchenhistorikerin Eva Maria Kaiser gestalteten Doku. Im Interview mit ihr distanzierte sich Bischof Scheuer von einer "Bekehrung" ohne Umkehr. Einen Grund, warum man kirchlicherseits die KZ-Priester und deren Schicksal verschwieg, sieht Scheuer darin, dass ehemalige Nazis, auch die Belasteten, dadurch leichter integriert werden sollten. "Man wollte im Grunde genommen eine Generation noch sterben lassen", so der Bischof rückblickend auf die NS-Gegner im Klerus. "Es wäre der Kirche gut angestanden, das früher aufzugreifen", bedauerte Scheuer.

 

Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) berichtet von mehr als 1.570 österreichischen Priester, die in der Nazi-Zeit mit Predigt- und Schulverboten belegt waren; 700 mussten ins Gefängnis, 110 kamen ins KZ. Gründe für Verhaftungen waren staatsgefährliche Äußerungen in Predigt, Schule und Privatgesprächen, das Abhören ausländischer Radionachrichtensendungen, Übertretungen staatlicher Verordnungen betreffend Gottesdienst, kirchliche Feiertage und Glockenläuten, die Verweigerung des Hitler-Grußes, Beherbergung von Flüchtlingen - auch Juden, oder auch nur das Verteilung von Zigaretten an Kriegsgefangene. Eine Reihe von Priestern wurde laut DÖW ohne Angaben von Gründen verhaftet und musste jahrelang auf einen Prozess warten. 300 Priester waren gau- oder landesverwiesen.

 

Diese zahlreichen Opfer bewirkten nach den Worten des Wiener Kirchenhistorikers Rupert Klieber, dass die Kirche "eindeutig gestärkt" aus der Kriegszeit hervorging. Sie habe auf eigene Opfer, die sie gebracht hat, verweisen können und "stand jetzt als moralischer Sieger da", sagte der Theologe in der ORF-Doku.

 

 

NS-Gegner "Opfer ihrer Dummheit"?

 

Über seine frühere Diözese Innsbruck berichtete Bischof Scheuer, dass dort über kurz oder lang alle Mitarbeiter seines Vorgängers Bischof Paulus Rusch (1903-1986) im KZ landeten, sein engster Mitarbeiter Carl Lampert (2011 seliggesprochen) wurde sogar hingerichtet. Dass dies für Rusch zum Trauma wurde, sei an seinem Umgang mit Georg Schelling erkennbar: Rusch verweigerte dem NS-kritischen Priester, Chefredakteur der christlichsozialen Tageszeitung "Vorarlberger Volksblatt" und späteren Häftling und verdienstvollen Lagerdekan im KZ Dachau eine Auszeichnung gemäß seiner Haltung: Darüber rede er nicht, das sei Vergangenheit, es gehe um die "Kirche der Zukunft".

 

Bevor Schelling nach Intervention Leopold Figls, des ersten Bundeskanzlers Österreichs der Zweiten Republik und selbst ehemaligen Dachau-Häftlings, doch noch geehrt wurde, äußerte sich der Innsbrucker Caritasdirektor Josef Steinkelderer – als ehemaliger KZ-Priester um Rat gefragt wegen Schellings Ehrung – im Mai 1958 vielsagend. In einem Brief an seinen Bischof Rusch brach – wie es in der ORF-Doku hieß – eine jahrelange Kränkung aus ihm heraus: Es gebe "wenig oder gar kein Interesse auch innerhalb des Klerus an den Schicksalen und Erlebnissen im KZ", wies er hin. Das sei "erklärlich, weil jeder froh war, von Leid und Terror nichts mehr zu hören". Zugleich sei am Umgang mit KZ-Priestern etwas zu registrieren, "das auf Geschichtsfälschung hinauslief", so Schelling: Diese wurden "als Opfer ihrer Dummheit oder ihres schlecht beratenen Übereifers" dargestellt.

 

Der Linzer Kirchenhistoriker und Verleger Helmut Wagner kam gegenüber dem ORF vor dem Hintergrund solcher Begebenheiten zum Schluss: "Die Versöhnung fand auf dem Rücken der Opfer statt."

 

Eva Maria Kaiser gewann die Burgschauspieler Peter Matic und Martin Schwab für ihre Sendung, sie rezitieren aus Kirchenarchiv-Schriftstücken, die erstmals öffentlich präsentiert wurden. Dabei kamen unterschiedlichste Protagonisten zu Wort: Kriegsverbrecher und Opportunisten, ehemalige KZ-Priester und Bischöfe. Die Doku erinnert z. B. an den zu lebenslanger Haft verurteilten Lagerarzt des KZ-Loiblpass, Sigbert Ramsauer, für dessen Begnadigung sich später die Erzdiözese Salzburg einsetzte, und an den ehemaligen KZ-Priester Franz Mayr, der nach seiner Rückkehr aus Dachau in der Pfarre an seinen früheren Denunzianten zerbrach.

 

"Hitlers Jünger und Gottes Hirten" ist noch bis 17. April in der "ORF-TVthek" (http://tvthek.orf.at/) zu sehen.

 

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