"Dilexit te": Papst Leo XIV. veröffentlicht sein erstes offizielles Lehrschreiben
In dem Schreiben übernimmt der aus den USA stammende Papst ausdrücklich die von der Kirche in Lateinamerika seit langem geforderte "Option für die Armen". Zugleich verwirft er die Idee, dass eine komplett freie Marktwirtschaft die Probleme der Armut und Ungerechtigkeit überwinden könne.
Das Lehrschreiben trägt den aus einem Bibelzitat abgeleiteten Titel "Dilexi te" (Ich habe dich geliebt) und wurde vom Papst als "Apostolische Exhortation" unterzeichnet. Es steht damit vom Grad der Verbindlichkeit eine Stufe unterhalb einer Enzyklika (Rundschreiben), ist aber ebenfalls eine weltweit zu verbreitende Äußerung des kirchlichen Lehramts.
In den Fußspuren von Franziskus
In dem Schreiben "Dilexi te" greift Papst Leo XIV. nach eigener Aussage Vorarbeiten seines Vorgängers Franziskus (2013-2025) auf, der sie zu seinen Lebzeiten nicht mehr abschließen konnte. Ein zentrales Element ist die von den Bischöfen in Lateinamerika seit 1968 entwickelte Forderung, dass die Kirche sich bevorzugt den Armen zuwenden und an der Überwindung sozialer Missstände aktiv mitwirken solle.
"Die Armen gehören zur Mitte der Kirche", so eine der zentralen Aussagen. Dabei spricht der Papst nicht nur materielle Not an, sondern auch soziale Ausgrenzung, geistliche Leere und kulturelle Armut. Mehrfach fordert er dazu auf, die strukturellen Ursachen der Armut zu beseitigen.
Der aus den USA stammende Papst übernimmt in dem Schreiben auch einen der provokantesten Sätze seines Vorgängers und betont, es sei notwendig, weiterhin die "Diktatur einer Wirtschaft, die tötet" anzuprangern. Gegen christliche Verklärungen des Kapitalismus argumentiert er: Obwohl es nicht an Theorien fehle, die versuchten, den aktuellen Zustand zu rechtfertigen, oder erklärten, dass die wirtschaftliche Vernunft von uns verlange, darauf zu warten, dass die unsichtbaren Kräfte des Marktes alles lösten, sei die Würde eines jeden Menschen jetzt und nicht erst morgen zu respektieren.
Nächstenliebe Kern der Kirchenlehre
Weiter heißt es in dem Text: "Die Tatsache, dass praktizierte Nächstenliebe verachtet oder lächerlich gemacht wird, als handle es sich um die Fixierung einiger weniger und nicht um den glühenden Kern der kirchlichen Sendung, bringt mich zu der Überzeugung, dass wir das Evangelium immer wieder neu lesen müssen, um nicht Gefahr zu laufen, dass eine weltliche Gesinnung an seine Stelle tritt."
Das in der offiziellen deutschen Übersetzung 60 Seiten umfassende Dokument umfasst 121 Paragrafen in fünf Kapiteln. Unterzeichnet hat der Papst das Schreiben bereits am 4. Oktober.

Medien-Bischof Wilhelm Krautwaschl und der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz Erzbischof Franz Lackner begrüßen das neue Papst-Schreiben. © Josef Kuss
Bischöfe begrüßen neues Papst-Schreiben
Die österreichischen Bischöfe haben das am 9. Oktober 2025 veröffentlichte erste Schreiben von Papst Leo XIV. als "Programm und Prophetie" begrüßt. "Dilexi te" stehe in großer Kontinuität zur Sozialverkündigung des Vorgänger-Papstes Franziskus, setze aber eigene Akzente, so der Salzburger Erzbischof und Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Franz Lackner, in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress: "Dieses erste Schreiben unseres Heiligen Vaters ist Mahnung und Anleitung zugleich." Es erinnere daran, dass die Hinwendung zu den Armen für Christen "keine religiöse Kür", sondern Fundament des Glaubens und der Einheit im Glauben sei.
Programmatisch und prophetisch sei "Dilexi te", insofern das Schreiben eine Grenzen überwindende und verbindende Liebe beschreibe, die selbst Feindschaft zu verwandeln trachte. Papst Leo mache deutlich, dass es gelte, für eine solche Kirche heute einzutreten, in der auch die Armen einen Platz hätten. Insofern gehe Leo den von Papst Franziskus begonnenen Weg "mit klaren Worten und festen Schritten weiter", schloss Lackner - und er lud zugleich die Gläubigen ein, das Dokument zu lesen und zu studieren.
Als ein gelungenes "Gemeinschaftswerk mit seinem Vorgänger" bezeichnete der Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl das neue Papst-Schreiben. Es betone vieles, das Papst Franziskus stets hervorgehoben habe - die gleiche Würde aller Menschen, die Anliegen der Armen und die Hinwendung zu den Menschen am Rande der Gesellschaft.
"Papst Leo betont, dass die Meisten nicht selbst schuld sind an ihrer Not, sondern hineingeboren oder davon überfallen werden. Man denke nur an die Kriege unserer Tage", so Krautwaschl. Dabei bleibe Leo nicht bei der Analyse stehen, sondern nenne auch "Gegenmittel": "Eine gute Bildung für alle, eine Sozialpolitik, die die Armen ernst nimmt, und schließlich ein Umdenken von allen Menschen, Not anzuerkennen und zu helfen, wie das möglich ist."
Apostolische Exhortation "Dilexi te" von Papst Leo XIV. im Wortlaut








