Sr. Huberta Rohrmoser über bewussten Verzicht: "Fasten soll dem Leben dienen"
"Fasten ist weder ein Egotrip noch Selbstkasteiung, sondern soll Raum für Leben und Lebendigkeit schaffen": Für Sr. Huberta Rohrmoser, Marienschwester und erfahrene Meditationsleiterin, stellt die 40-tägige Fastenzeit bis Ostern mehr als nur eine Zeit des temporären Verzichts dar. "Ein Fastenvorsatz, der das Leben der Mitmenschen belastet, ist nicht sinnvoll", meint dazu die Exerzitienbegleiterin im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Kathpress und gibt ein Beispiel: "Wenn ich keinen Kaffee trinke und dabei grantig werde, habe ich das Ziel verfehlt."
Nicht der Verzicht steht damit im Mittelpunkt, sondern das Loslassen von Abhängigkeiten und die Lebensfreude: "Die Fastenzeit soll dem Leben dienen, frei machen und im besten Fall meine Aufmerksamkeit stärken", so Sr. Rohrmoser.
Die Ordensfrau versteht unter Fasten eine bewusste Lebenspraxis, die innere Freiheit ermöglichen und Beziehungen vertiefen kann. Klassische Verzichte auf Süßigkeiten oder Alkohol stehen dabei nicht im Vordergrund. Vielmehr geht es darum, Abhängigkeiten zu erkennen und loszulassen. Aufmerksamkeit statt Askese sei die Devise, so Sr. Rohrmoser.
Diese Achtsamkeit dürfe aber nicht mit Egozentrik verwechselt werden, betont die Ordensfrau, die den Begriff der Aufmerksamkeit bevorzugt: "Es geht nicht um Selbstoptimierung oder Selbstverliebtheit, sondern um Aufmerksamkeit - für mich selbst, mein Gegenüber und für Gott." Letztlich stehe eine Beziehungspflege im Vordergrund, die aber nicht bei sich selbst aufhöre, sondern immer ein Gegenüber - sei es Gott, einen anderen Menschen oder die Schöpfung - benötige. Werde diese Ebene vergessen, bleibe auch das Fasten "eindimensional".
Ein konkretes Beispiel aus ihrem Alltag sei der bewusste Verzicht auf Computerarbeit ab 20 Uhr - ein Vorsatz, der ihr mehr Zeit für zwischenmenschliche Begegnungen, Naturerfahrungen und persönliche Stille eröffnete. Auch in diesem Jahr wolle sie den Fokus auf "Beziehungspflege" legen - zu Gott, zu Mitmenschen und zu sich selbst.
Spirituelle Praxis statt Leistungsdenken
Im Zentrum ihres Fastenverständnisses steht eine spirituelle Praxis, die Freude bringt, ohne dass Leistung oder Härte im Vordergrund stehen. "Fasten ist nicht etwas, das ich mir abverlange, sondern eine Haltung, die mein Leben vertieft", so Sr. Rohrmoser. Laut der Ordensfrau reicht es, langsamer zu gehen und weniger zu hetzen. "Wenn wir Menschen alle Sinne einsetzen, sind wir automatisch im 'Hier und Jetzt' und darum geht es letztlich", so die Expertin.
Auch ein achtsamer Umgang mit Medien sei Teil des Fastens. Dazu gehört laut Sr. Rohrmoser etwa, Nachrichten in einem ausgewogenen Maß zu konsumieren, um informiert zu bleiben, ohne von Negativschlagzeilen überwältigt zu werden. Sie spricht von der Haltung des "Mit-zwei-Augen-Schauens" - der Fähigkeit, neben dem Schweren auch das Schöne und Hoffnungsvolle wahrzunehmen.
"Menschen suchen in unserer scheinbar so chaotischen Welt nach einfachen Antworten, um Gewalttaten, Kriege und Ängste einordnen zu können, vergessen aber, dass Freudiges und Schweres gleichzeitig existieren." Die Gleichzeitigkeit von Gefühlen und Nachrichten könne überfordern, bedeute aber auch, "dass es immer etwas Gutes in der Welt gibt", so Rohmoser. Sie zeigt sich im Kathpress-Interview überzeugt, dass Vertrauen auch die Entscheidung benötigt, "dass es gut werden wird". Damit bekomme nicht die Angst eine übergeordnete Stellung, sondern das Vertrauen. "Wir Menschen sollen unsere Gefühle zwar bewusst wahrnehmen und ihnen Platz geben, letztlich müssen wir sie aber auch loslassen, um in der Gegenwart leben zu können", so die Marienschwester und ehemalige Lehrerin. Tue dies der Mensch nicht, würden Ängste und Sorgen Überhand gewinnen.
Schwester Huberta Rohrmoser schöpft selbst Kraft in der Natur. © privat
Ganzheitliches Fasten
Zu einem ganzheitlichen Fastenverständnis zählen für die Marienschwester zudem regelmäßige Bewegung in der Natur, achtsames Essen und tägliche Momente der Dankbarkeit. "Fasten bedeutet, mein Leben bewusst zu gestalten, mich nicht von äußeren Einflüssen treiben zu lassen und so lebens- und liebesfähiger zu werden", so die Ordensfrau, die regelmäßig Meditations- und Kontemplationsseminare im Haus der Achtsamkeit in Grünau in Oberösterreich anbietet. Das ehemalige Marienheim befindet sich aktuell in einer Umstrukturierung und wird ab Herbst 2025 bis Mai 2026 umgebaut. Mittels Crowdfunding und einem eigen gegründeten Verein "Haus der Achtsamkeit Grünau" wolle man das Haus für Kontemplation, Fasten und Pilgern öffnen und mehr Angebote setzen, heißt es. Aktuell sucht der Verein noch nach Unterstützerinnen und Unterstützern.
Marienschwestern vom Karmel
Die Marienschwestern vom Karmel sind ein apostolisch tätiger Zweig des Karmelordens. Seit 1861 wirkt die Ordensgemeinschaft in Österreich, seit 1920 in Deutschland und seit 2002 in Uganda. Seit 1961 heißt sie "Marienschwestern vom Karmel". Derzeit leben in Österreich insgesamt 60 Schwestern: im Curhaus Bad Kreuzen, in Bad Mühllacken (Mutterhaus und Spirituelles Gesundheitszentrum), im Exerzitienhaus in Grünau im Almtal und in den Schulen für wirtschaftliche Berufe in St. Pantaleon-Erla bei St. Valentin (NÖ). Überdies sind Schwestern in Regensburg und Konnersreuth (Bayern) sowie in Uganda stationiert.