Bischof Manfred Scheuer: Dem rechten Maß im Leben nachspüren
„Mehr oder weniger? Dem rechten Maß im Leben nachspüren“: So lautet der Titel des neuen Buches von Bischof Manfred Scheuer, das vor dem Beginn der Fastenzeit 2025 im TYROLIA Verlag erschienen ist. Die Überzeugung des Bischofs: Es ist wichtig, das Leben immer wieder neu zu ordnen und einzelne Aspekte richtig zu dosieren, um Überforderung und Verwirrung zu vermeiden. Er empfiehlt eine innere Haltung, die nach Großem strebt und sich zugleich um das Kleine kümmert. In seinen Ausführungen bezieht Manfred Scheuer sich auf Philosophen, Theologen und Künstler wie zum Beispiel Theodor W. Adorno, Ignatius von Loyola oder Joseph Beuys. Sechs Essays mit tiefen Gedanken – vereint in einem mit Bedacht gestalteten Geschenk-Büchlein. Am 6. März 2025 präsentierte Bischof Manfred Scheuer sein neues Buch im Gespräch mit Melanie Wolfers in der Bischofsaula des Linzer Priesterseminars vor etwa 80 Interessierten. Musikalisch einfühlsam gestaltet wurde der Abend von Kerstin Huber (Pianino) und Eva Stögmüller (Violine).
Melanie Wolfers und Bischof Manfred Scheuer bei der Buchpräsentation im Linzer Priesterseminar. / © Diözese Linz - Kienberger
Dem auf die Spur kommen, was das Leben kostbar macht
Nach einer Begrüßung von Helene Daxecker-Okon vom Tyrolia Verlag führte die Salvatorianerin Melanie Wolfers, selbst Bestseller-Autorin (das neueste mit Andreas Knapp: „Atlas der unbegangenen Wege: Eine Reise zu dir selbst, 2025, Bene! Verlag), mit Autor Manfred Scheuer einen humorvollen und gleichzeitig tiefsinnigen Dialog über sein Buch. Er selbst versteht sein Buch als „geistlichen Impuls, manchmal auch wie eine Predigt, um in den Gedanken und in den Herzen von Menschen etwas anzuregen, zu berühren – damit sie dann vielleicht dem auf die Spur kommen wollen, was das Leben kostbar und wertvoll macht“.
Melanie Wolfers und Bischof Manfred Scheuer. / © Diözese Linz - Kienberger
Der Bischof als „Ernährungsberater“
In seinem Buch entfaltet Scheuer mehrere Lebensfelder, in denen es um das rechte Maß für ein gelingendes, gottbezogenes Leben geht. Eines dieser Lebensfelder ist die Nahrungsaufnahme. Warum ist dieser Bereich wichtig für ein gelingendes Leben? Dazu der Autor: „Unsere Ernährung hat Auswirkungen auf unser ganzes Menschsein, auf Leib und Seele und auch auf die sozialen Beziehungen.“ Das Gleiche gelte seiner Ansicht nach auch für geistige Nahrung, so Scheuer. Bei medialen Botschaften könne man sich fragen: Sind das Gedanken, die aufbauen, die erfreuen? Oder Gedanken, die belasten, die ratlos machen und verzweifeln lassen? „Was ich aufnehme, hat also Auswirkungen auf meine Fröhlichkeit oder auf meine Lebensmüdigkeit.“ Auf die Nachfrage von Melanie Wolfers an den „Ernährungsberater“ Manfred Scheuer, was denn seine „Top-3-Nahrungsmittel“ für die Seele sind, antwortete der Autor: „Die Seele ernährt sich von dem, was sie erfreut, sagt ein Wort des heiligen Augustinus. Für mich selber sind Bewegung und Beweglichkeit, die Schönheit der Natur, der Schöpfung, aber auch der Kunst ein wichtiges Nahrungsmittel. Ein Leben lang wichtig waren und sind mir auch Beziehungen und Freundschaften. Und als Drittes das Innehalten – und die Nahrung der Eucharistie und des Wortes.“
Die Ziele des Lebens nicht zu niedrig ansetzen und Gott Großes zutrauen
In seinem Buch grenzt Bischof Scheuer das rechte Maß von der Mittelmäßigkeit ab. „Das rechte Maß in der spirituellen Tradition ist gerade nicht das schlechte Mittelmaß. Vielmehr geht es um eine positive Dynamik des Lebens, um eine Logik des guten Wachstums, um eine Geduld des Reifens, aber auch um eine Beziehungsaufnahme mit den Kleinen und Schwachen.“ Nicht immer sei also das Weniger das Entscheidende, sondern das ‚Je mehr‘ – in der Wissenschaft, in der Kunst, in der Wirtschaft und auch in der Kirche. Deshalb stehe auch ein Fragezeichen im Titel des Buches. Scheuer zitierte in diesem Zusammenhang ein Wort ignatianischer Spiritualität: ‚Nicht begrenzt werden vom Größten und doch einbeschlossen im Kleinsten, das ist göttlich.‘ Letztlich gehe es um die Großmut – um eine Tugend, eine gläubige Haltung, die letztlich Gott im eigenen Leben Großes zutraue. „Mir hat einmal ein geistlicher Lehrer den Rat mitgegeben: ‚Setz die Ziele des Lebens nicht zu niedrig an!‘ Es geht also darum, darauf zu vertrauen, dass ich mit meinen Talenten etwas erreichen kann.“
Bischof Manfred Scheuer. / © Diözese Linz - Kienberger
Aber wo ist die Grenze zu einer Dynamik der Selbstoptimierung, auch im spirituellen Bereich? Bischof Scheuer: „Selbstoptimierung ist etwas Monologisches und bleibt in der eigenen Blase stecken. Sie ist getragen von ‚Ich kann’s‘, aber auch von ‚Du musst‘. Wir stehen in vielen Bereichen sehr unter Druck. Druck und Angst sind schlechte Ratgeber und ein Hinweis darauf, dass das nicht vom guten Geist Gottes kommt. Der gute Geist wird dann deutlich, wenn das, wofür ich mich einsetze, letztlich zu einem ‚Je mehr‘ an Glaube, Hoffnung und Liebe führt. Nicht: Werde ich selber besser?. sondern: Werde ich immer mehr ein liebender Mensch?“
Vergeben: eine Frage der Empathie, Schuldfähigkeit und Verantwortung
Ein weiteres Thema im Buch: die Kraft des Vergebens. Warum fällt Vergeben so schwer und was gewinnen wir dadurch? Die Antwort des Autors: Es gebe die Tendenz, dass „die anderen“ schuld seien – etwa die eigenen Eltern, die Herkunft, die Systeme und Strukturen. Eigene Anteile würden oftmals nicht wahrgenommen. „Ich denke, es ist eine Frage der Empathie: Kann ich Leiden der anderen wahrnehmen, mir zu Herzen gehen lassen? Und zum anderen eine Frage der Selbstwahrnehmung, der Schuldfähigkeit und Verantwortung. Wenn ich vergebe, gewinne ich etwa, dass ich Altlasten nicht mitschleppen muss, dass ich besser schlafen kann, dass ich so etwas wie inneren Frieden habe – und vielleicht auch, dass ich das Leben eines anderen glücklicher mache.“
Bischof Manfred Scheuer liest aus seinem Buch "Mehr oder weniger? Dem rechten Maß im Leben nachspüren" / © Diözese Linz - Kienberger
Die letzte Frage von Melanie Wolfers an den Autor: „Was würdest du einem neugeborenen Menschen als Rat für sein Leben mitgeben?“ Die Antwort von Bischof Scheuer: „Nicht einen Rat, sondern die Zusage, die ein Lied zum Ausdruck bringt, das ein Häftling in Garsten beim Weihnachtsgottesdienst in Garsten gespielt und gesungen hat: ‘Wie schön, dass du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst!‘“
Das Buch
Manfred Scheuer
Mehr oder weniger?
Dem rechten Maß im Leben nachspüren
88 Seiten, 11 x 18 cm, in Leinen gebunden mit Banderole
Tyrolia Verlag, Innsbruck Wien 2025
ISBN 978-3-7022-4266-4
€ 18,–
Das Buch im Behelfsdienst der Diözese Linz erwerben
Das neue Buch von Bischof Manfred Scheuer: Mehr oder weniger? Dem rechten Maß im Leben nachspüren" / © Diözese Linz - Kienberger
Der Autor
MANFRED SCHEUER ist seit 2016 Bischof der Diözese Linz. Nach seiner Habilitation an der Universität in Freiburg lehrte er als Professor bis 2003 an der Theologischen Fakultät Trier Dogmatik und Dogmengeschichte. 12 Jahre wirkte er dann als Bischof der Diözese Innsbruck. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit, mit den Euthanasie-Opfern, den ermordeten Juden sowie den Verfolgten, Opfern und Märtyrern aus der katholischen Kirche. Er hat zahlreiche Bücher im Tyrolia-Verlag veröffentlicht.
© Diözese Linz - Kienberger