Donnerstag 25. April 2024

Sophie Scholl – Ausstellung der Friedensbibliothek Berlin im Linzer Mariendom

Die Widerstandsbewegung „Weiße Rose“ steht im Zentrum einer Ausstellung der Friedensbibliothek Berlin im Linzer Mariendom, die am 13. Mai 2022 eröffnet wurde und noch bis 7. Juli zu sehen ist.

Die Ausstellung „Sophie Scholl – Der Traum von einem anderen Deutschland“ zeigt Bilder und Texte zur politischen Situation der „Zwischenkriegszeit“ in der Weimarer Republik, zum Erstarken der NSDAP und zu den Jahren des Dritten Reichs und informiert über die Aktivitäten der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“, deren Widerstand in hohem Maße christlich motiviert war. Zum inneren Kreis gehörten die Geschwister Hans und Sophie Scholl, Alexander Schmorell, Christoph Probst, Willi Graf und Kurt Huber. Im Februar 1943 wurden Hans und Sophie Scholl sowie Christoph Probst verhaftet, zum Tod verurteilt und am 22. Februar enthauptet. Im April 1943 wurden auch Kurt Huber, Willi Graf und Alexander Schmorell zum Tod verurteilt und durch das Fallbeil hingerichtet.
Die Wanderausstellung, die von der Friedensbibliothek der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg zur Verfügung gestellt wurde, wurde am Abend des 13. Mai eröffnet. Sie ist bis 7. Juli 2022 im Linzer Mariendom zu sehen.

 

Von der Begeisterung für Hitler zum Widerstand gegen das NS-Regime

Zur Ausstellungseröffnung am Abend des 13. Mai 2022 gekommen waren u. a. Bischof Manfred Scheuer, Pastoralamtsdirektorin Gabriele Eder-Cakl, der Vorsitzende des Jägerstätter-Beirats Maximilian Mittendorfer, Jägerstätter-Biografin Erna Putz, Mitglieder des Jägerstätter-Beirates und von Pax Christi, Dompfarrer Maximilian Strasser und Jochen Schmidt von der Friedensbibliothek Berlin. Die Studentin Lydia Eder, die sich bereits während ihrer Schulzeit mit Sophie Scholl auseinandergesetzt hat, schilderte bei der Eröffnung, was sie an der Widerstandskämpferin fasziniert.

 

Bischof Manfred Scheuer
Maximilian Mittendorfer begrüßt die Ausstellungsbesucher:innen
Jochen Schmidt von der Friedensbibliothek Berlin.
Studentin Lydia Eder schilderte bei der Eröffnung, was sie an der Widerstandskämpferin Sophie Scholl fasziniert.
V. l.: Dompfarrer Maximilian Strasser, Jägerstätter-Biografin Erna Putz, Lydia Eder, Bischof Manfred Scheuer, der Vorsitzende des Jägerstätter-Beirats Maximilian Mittendorfer und Jochen Schmidt von der Friedensbibliothek Berlin.

©  Diözese Linz / Kienberger


Den Ausgangspunkt für die Entstehung der Ausstellung „Sophie Scholl – Der Traum von einem anderen Deutschland“ beschrieb Jochen Schmidt von der Friedensbibliothek Berlin folgendermaßen: „Besucher:innen einer anderen Ausstellung stellten uns im Zusammenhang mit der Weißen Rose die Frage: ‚Wie kommt es, dass junge Menschen in der NS-Zeit vom begeisterten Für-Hitler-Sein zum Widerstand gekommen waren?‘ Bei Hans und Sophie Scholl war dies ja der Fall: Sophie war beim Bund Deutscher Mädel, Hans Scholl bei der Hitlerjugend und sogar beim Reichsparteitag in Nürnberg 1935 als Fähnleinführer. Und ein paar Jahre später haben sie Flugblätter verteilt. Wir sind dieser Frage nachgegangen, weil es ein Thema ist, das uns auch heute beschäftigt: Wie kommt man von der einen auf die andere Seite?“ Aus Gesprächen in den 1990er-Jahren mit noch lebenden Angehörigen von Mitgliedern der Weißen Rose hätten sich zum Teil überraschende Antworten ergeben. So sei etwa eine sehr prägende Gestalt für Hans und Sophie Scholl Karl Muth gewesen, der Herausgeber der katholischen Zeitschrift „Hochland“. Die beiden belesenen Geschwister erhielten Zugang zu Muths Privatbibliothek, in der sich Bücher fanden, die in der Nazizeit längst verboten waren. Durch den Kontakt mit Muth hätten sich Gespräche über den Zusammenhang von christlichem Glauben und politischem Handeln ergeben.

 

Glaube als Halt und Motivation, Widerstand zu leisten

 

Mit Sophie Scholls Gesinnungswandel – von der Hitler-Begeisterung hin zu einer tiefen Abneigung gegen das Hitler-Regime – hat sich auch Lydia Eder während ihrer Schulzeit in einer vorwissenschaftlichen Arbeit auseinandergesetzt. Bei der Ausstellungseröffnung skizzierte Eder, die in Wien Geschichte und Astrophysik studiert, die Gründe dafür. Prägend seien in diesem Zusammenhang aus ihrer Sicht die Eltern von Hans und Sophie gewesen, die Hitler von Anfang an kritisch gegenübergestanden seien, was die Geschwister in ihrer Begeisterung herausgefordert habe: „In ihrem gut dokumentierten Briefwechsel mit diversen Personen wird deutlich, dass Sophie das Hitlerregime immer kritischer hinterfragt, es bald ganz ablehnt, untermauert von starken Argumenten“, so Eder. Entscheidend sei auch Sophie Scholls Beschäftigung mit dem Christentum gewesen. Theologische Schriften hätten ihr Interesse geweckt, der Glaube sei ihr zum Halt und zur Motivation geworden, Widerstand zu leisten. Umgekehrt habe auch Sophies Haltung ihr nahestehende Personen beeinflusst. So habe sich etwa ihr Freund Fritz Hartnagel selbst vom Hitlerregime abgewendet – und das als Soldat an der Front. Lydia Eder: „Mich begeistern Sophies Entwicklung, ihr großes Reflexionsvermögen, ihre Gedanken und ihre Zweifel, und ihr Wille, sich ihre Prinzipien nicht nehmen zu lassen.“ Deutlich werde dies, wenn Sophie nach ihrer Verhaftung sage: „Ich bereue deshalb meine Handlungsweise nicht und will die Folgen, die mir aus meiner Handlungsweise erwachsen, auf mich nehmen.“

 

Maximilian Mittendorfer bei der Ausstellung
Bischof Manfred Scheuer bei der Ausstellung
Lydia Eder bei der Ausstellung

©  Diözese Linz / Kienberger

 

Eine Hoffnung, die Lebensmut gab

 

Bischof Manfred Scheuer betonte in seiner Ansprache, die Mitglieder der Weißen Rose hätten ihr Handeln und ihr Leben in einem größeren, die Gegenwart transzendierenden Zusammenhang gesehen. Der Theologe und Jugendseelsorger Romano Guardini hätte ihnen attestiert, „Christen aus Überzeugung“ gewesen zu sein. Die Wirkkraft der Bewegung sei nicht erst in der Aufarbeitung und Rehabilitierung nach 1945 wahrgenommen worden, sondern bereits unmittelbar, wie eine Erinnerung der österreichischen Schriftstellerin Ilse Aichinger eindrucksvoll zeige. Sie beschreibe die Hoffnung, die von den Mitgliedern der Weißen Rose ausging, eine Hoffnung, die ihr als Halbjüdin und vielen anderen Lebensmut gab: „Ich las die Namen der Weißen Rose. Ich kannte keinen dieser Namen. Aber ich weiß, dass von ihnen eine unüberbietbare Hoffnung auf mich übersprang. Das geschah nicht nur mir. Diese Hoffnung hatte, obwohl sie es uns möglich machte, in dieser Zeit weiterzuleben, doch nichts mit der Hoffnung auf Überleben zu tun. […] Wir hatten keine große Chance zu überleben. Aber das war es eben nicht. Es war kein Überleben. Es war das Leben selbst, das uns durch diesen Tod der Geschwister Scholl und ihrer Gefährten angesprochen hat… Man kann leben, ohne etwas zu haben. Aber man kann nicht leben, ohne etwas vor sich zu haben, vor sich im Sinne von in sich. Man kann nicht ohne Hoffnung leben.“

 

Der Bischof unterstrich, die Geschwister Scholl als Mitglieder der Weißen Rose hätten die Widerstandskraft des Glaubens gegenüber barbarischen Systemen der Menschenverachtung und der Gottlosigkeit realisiert. Scheuer wörtlich: „Sie waren dabei alles andere als notorische Neinsager oder Lebensverächter, keine bloßen Kritiker oder Wirklichkeitsflüchtlinge. Die Krisis des Glaubens hatte bei ihnen nichts zu tun mit projektiver Aggressivität oder abstrakter Lust am Widerstand. Sie hatten die Gabe der ‚Unterscheidung der Geister‘. Sie blickten hinter die Masken der Propaganda, hinter die Rhetorik der Verführung, sie schauten auf den Schwanz von Entwicklungen, etwa was Versprechen von Arbeit und Brot, nationales Selbstbewusstsein nach ‚Demütigungen‘, Verheißungen großer Siege und Ähnliches anlangt.“ 


Scheuer erinnerte an den vielfach preisgekrönten Film „Sophie Scholl – Die letzten Tage“, in dem Sophie Scholl nach ihrer Verhaftung zum Vorwurf, sie habe sich gegen das Gesetz vergangen, aus ihrem christlichen Glauben heraus antwortet: „Es gibt noch eine andere Gerechtigkeit!“ Der Bischof dazu: „Die menschliche Geschichte entwickelt sich nicht von selbst in Richtung einer größeren Gerechtigkeit. Im Gegenteil: Das anständige Verhalten im Kleinen wie der heldenmütige Widerstand gegen Diktaturen werden in der Geschichte meist nicht belohnt. Angesichts dessen gibt es nur eine gute oder eine schlechte Nachricht. Die schlechte wäre: Die menschliche Justiz ist auch schon die letzte Instanz. Die offenen Rechnungen, die schuldige Tat und das unschuldige Leiden bleiben für alle Ewigkeit zementiert. Und wer sein Leben im Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit verloren hat, bleibt für immer ein ‚Loser‘.“ Die Botschaft Jesu vom Gericht Gottes stelle in Aussicht, dass die Sehnsucht des Menschen nach einer letzten und endgültigen Gerechtigkeit keine leere Hoffnung bleibe. „Dies ist eine Frohbotschaft insbesondere für alle Benachteiligten und An-den-Rand-Gedrängten, aber auch für jene, die sich für eine gerechtere Welt einsetzen und oft auf verlorenem Posten kämpfen“, so Scheuer.

 

Ausstellung „Sophie Scholl – Der Traum von einem anderen Deutschland“ im Linzer Mariendom
Ausstellung „Sophie Scholl – Der Traum von einem anderen Deutschland“ im Linzer Mariendom
Ausstellung „Sophie Scholl – Der Traum von einem anderen Deutschland“ im Linzer Mariendom
Ausstellung „Sophie Scholl – Der Traum von einem anderen Deutschland“ im Linzer Mariendom
Ausstellung „Sophie Scholl – Der Traum von einem anderen Deutschland“ im Linzer Mariendom
Ausstellung „Sophie Scholl – Der Traum von einem anderen Deutschland“ im Linzer Mariendom
Ausstellung „Sophie Scholl – Der Traum von einem anderen Deutschland“ im Linzer Mariendom
Ausstellung „Sophie Scholl – Der Traum von einem anderen Deutschland“ im Linzer Mariendom
Ausstellung „Sophie Scholl – Der Traum von einem anderen Deutschland“ im Linzer Mariendom
Ausstellung „Sophie Scholl – Der Traum von einem anderen Deutschland“ im Linzer Mariendom
Ausstellung „Sophie Scholl – Der Traum von einem anderen Deutschland“ im Linzer Mariendom
Ausstellung „Sophie Scholl – Der Traum von einem anderen Deutschland“ im Linzer Mariendom

©  Diözese Linz / Kienberger

 

Die Zusammenarbeit des Mariendoms mit der Friedensbibliothek Berlin begann vor fünf Jahren mit der Ausstellung „Sie wollten nicht töten“ mit Zeugnissen und Bildern von Menschen wie Franz Jägerstätter, die sich aus humanistischen und religiösen Gründen geweigert haben, mit der Waffe in den Krieg zu ziehen und zu töten. Mit „Sophie Scholl – Der Traum von einem anderen Deutschland“ beherbergt der Linzer Mariendom bereits die vierte Ausstellung der Friedensbibliothek Berlin.
 

„Sophie Scholl – Der Traum von einem anderen Deutschland“
Ausstellung der Friedensbibliothek Berlin
Linzer Mariendom
13. Mai – 7. Juli 2022
Montag bis Samstag 7.30 – 17.30 Uhr | Sonn- und Feiertag 12.30 – 17.30 Uhr

 

Download: Plakat zur Ausstellung

 

www.friedensbibliothek.de
 

 

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