Freitag 29. März 2024

„Die Leute wollen nicht nur wissen, wo es Sonderangebote gibt“

Julian Kapeller über den Reiz eines Theologiestudiums.

Was ist der Reiz an einem Theologiestudium? Ist es noch zeitgemäß?  Und: Was kann man damit überhaupt anfangen? Im MitarbeiterInnen-Magazin "spirit" unterhielten sich Brigitte Gruber-Aichberger, Direktorin der Abteilung Pastorale Berufe der Diözese Linz, und KU-Student Julian Kapeller.

Herr Kapeller, wie ist das Studium Religionspädagogik so? Erfüllt es Ihre Erwartungen?

 

Kapeller: Gerade weil es nicht meinen Erwartungen entspricht, ist es gut. Weil Theologie nicht gleichzusetzen ist mit Volksfrömmigkeit, sondern wirklich eine Wissenschaft ist. Meiner Meinung nach ist es eine der letzten Universalwissenschaften, die man heute noch studieren kann – weil man einen Einblick in Psychologie, Soziologie, Geschichte, alles Mögliche bekommt. Ich war ab der ersten Lehrveranstaltung begeistert, dass es nicht darum geht, Glaubensinhalte auswendig zu lernen, sondern darum, Glaubensinhalte zu reflektieren, selbst zu denken.

 

Frau Gruber-Aichberger, Sie haben Theologie studiert. Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt? Würden Sie den Weg noch einmal einschlagen?

 

Gruber-Aichberger: Der Religionsprofessor hat mir zum Studium geraten. Ich bin ihm heute noch dankbar. Die Inhalte hatten zwar nichts zu tun mit dem, was ich ehrenamtlich in der Pfarre gemacht habe, aber ich schätze es unheimlich, dieses „Handwerkszeug“ Theologie mitbekommen zu haben. Positionen reflektieren, Texte erschließen und darin Lebensfragen von Menschen sowie die Botschaft des Glaubens zu entdecken, habe ich im Theologiestudium gelernt. Woran sich orientieren? Worauf bauen? In welcher Welt wollen wir leben? Solche Fragen haben sich Menschen schon vor 2.000 Jahren gestellt. Und ich glaube, dass die Leute auch heute nicht nur wissen wollen, wo es Sonderangebote gibt.

 

Brigitte Gruber-Aichberger und Julian Kapeller im Gespräch darüber, ob ein Theologiestudium überhaupt noch zeitgemäß ist.

Brigitte Gruber-Aichberger und Julian Kapeller im Gespräch darüber, ob ein Theologiestudium überhaupt noch zeitgemäß ist. © Robert Maybach

 

Ist es noch ein zeitgemäßes Studium?

 

Gruber-Aichberger: Ich glaube sogar, es ist spannender denn je. In einer säkularisierten Welt sind die Plausibilitäten für Glaube weg. Als ich Kind war, war es zum Beispiel völlig plausibel, dass man in die Kirche geht. Ich habe mich dafür nie rechtfertigen müssen, während Jugendliche heute angefragt werden. Da braucht es Begründungen und Unterscheidungshilfen, die im Studium gefunden werden können.

 

Kapeller: Ich sehe das auch so. Ich würde es vielleicht sogar noch ein bisschen verschärfen. Christ sein heißt auch immer in gewisser Weise, Rebell zu sein. Denn das theologisch-christliche Gedankengut ist immer Kritik an privilegierten Strukturen, an Ungerechtigkeit. Rebellion heißt aber nicht einfach nur, gegen etwas zu sein oder Gewalt auszuüben, sondern es braucht dafür eine Denkweise und Handwerkszeug, wie ich Dinge verändern kann.

 

Was kann man mit einem Theologiestudium anfangen?

 

Gruber-Aichberger: Beruflich gibt es viele Möglichkeiten: als Seelsorgerin oder Seelsorger in Pfarren, bei innovativen Projekten, in einem Krankenhaus oder der Jugendarbeit, Arbeit im Bildungsbereich, in Fachstellen von Ämtern, als Religionslehrkraft, in der Personalentwicklung bis hin zum außerkirchlichen Bereich. Zu allem gibt das Studium ein gutes Grundgerüst.

 

Welche Voraussetzung braucht es für die Arbeit als TheologIn oder in pastoralen Berufen?

 

Gruber-Aichberger: Die Bereitschaft, als Glaubende oder Glaubender leben zu wollen und auch auf dem Weg zu bleiben. Das Besondere an der seelsorglichen Arbeit ist ja, dass wir nicht fertige Produkte verkaufen, sondern dass die Produktentwicklung in der Kommunikation entsteht und wächst. Und im Nachhinein sagt dann jemand: „Das hat mir jetzt gutgetan.“ Oder: „Jetzt habe ich eine Hoffnungsperspektive bekommen.“ Neben der theologischen Fachkompetenz und einer gesunden Persönlichkeit braucht es also kommunikative Kompetenz. Und das unvoreingenommene, absichtslose Interesse am Menschen.

 

Kapeller: Das Theologiestudium ist auch oft Türöffner. Wenn ich Menschen kennenlerne und mich als Theologe oute, ist das wie eine Gesprächseinladung, dass sie mir erzählen, wie sie zur Kirche stehen, was sie glauben, was sie bewegt und was ihr Sinn im Leben ist. Da überspringt man oft den ganzen Small Talk, den man sonst vielleicht betreibt, um sich kennenzulernen. Im Prinzip braucht man also nur wirkliches Interesse am Menschen.

 

Julian Kapeller ist Student an der Katholischen Privat-Universität Linz.Julian Kapeller ist Student an der Katholischen Privat-Universität Linz. © Robert Maybach

 

Was ist das Besondere oder Schöne an dieser Arbeit?

 

Gruber-Aichberger: Ich war zwölf Jahre hauptamtlich in der Pfarrseelsorge tätig. Was mich am meisten begeistert hat, war, durch die Vielfalt der Lebenssituationen das Leben de facto im Zeitraffer vor mir zu haben. In der Diözese haben wir ein Leitwort: „Nahe bei den Menschen“ – und genau das habe ich in der Seelsorge jeden Tag erlebt. Das ist erfüllend, das ist herausfordernd. Aber absolut sinnstiftend.

 

Kapeller: Da kann ich gleich anknüpfen. Ich habe immer nach einer Tätigkeit gesucht, für die ich meine Talente einsetzen kann, dass ich möglichst vielen Menschen und auch mir selbst Freude machen kann. Und das Gefühl habe ich jetzt gerade. Ich bringe Menschen zusammen, stoße Gespräche an und organisiere für die Jugendkirche und als Beauftragter für Jugendpastoral coole Events. Wir als Kirche sind dafür die ideale Institution, weil es nicht um Umsatz­ oder Kirchenbesucherzahlen geht, sondern rein darum, das Leben von Menschen schöner und gerechter zu gestalten.

 

Brigitte Gruber-Aichberger und Julian Kapeller im Gespräch darüber, ob ein Theologiestudium überhaupt noch zeitgemäß ist.

Nur im Moment des Fotografierens wurde beim Gespräch der Mund-Nasen-Schutz abgenommen. © Robert Maybach


 

Dieses Interview erschien in der Ausgabe 6 des MitarbeiterInnen-Magazins der Katholischen Kirche Oberösterreich, "spirit". Es wurde geführt von Renate Stockinger. 

 

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