Freitag 19. April 2024

Am 2. März öffnet der Vatikan seine Archive zu Pius XII.

Die "Stichwort-Zutaten" für das, was ab dem 2. März 2020 in Rom erforscht werden kann, wecken Erwartungen wie für einen Roman von Dan Brown: Vatikan – Archiv – geheim – Weltkrieg – Holocaust.

Indes: In der Realität wird die nach der Öffnung der vatikanischen Archive zum Pontifikat von Papst Pius XII. (1939–58) beginnende Arbeit internationaler Historiker deutlich nüchterner ausfallen. Was nichts daran ändert, dass sich ihnen Zugänge zu zwei spannenden Jahrzehnten der jüngeren Geschichte öffnen.

 

"Im Pontifikat von Pius XII. verdichtet sich gewissermaßen das 20. Jahrhundert insgesamt", sagt Martin Baumeister, Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Rom. Die knapp 20 Jahre seiner Regierungszeit bildeten "eine Art Scharnier" in einem Zeitalter der Extreme – zwischen den totalitären Diktaturen einerseits und der einsetzenden Demokratisierung andererseits.

 

Datum der Öffnung ist der 81. Jahrestag der Wahl von Eugenio Pacelli (1876–1958) zum Papst, zugleich sein 144. Geburtstag. Üblicherweise würden die Archive erst am 10. Oktober 2027 geöffnet, 70 Jahre nach dem Tod des Papstes. Aber genau wegen der Themen NS-Zeit und Judenverfolgung hatte bereits Johannes Paul II. 2003 verfügt, die Archive Pius' XI. (1922–1939) eher zu öffnen; Benedikt XVI. ordnete dies für Pius XII. an.

 

200.000 Kartons allein im Privatarchiv

 

Geöffnet wird nicht nur das Vatikanische Apostolische Archiv, bis Oktober "Vatikanisches Geheimarchiv" – wobei "geheim" nur "privat" bedeutete. Auch die Archive der Glaubenskongregation und anderer Kurienbehörden öffnen ihre Pforten für Forscher.

 

Damit die darin überhaupt arbeiten können, mussten die Mitarbeiter das gesamte Material erst einmal zusammenstellen und katalogisieren. Und das war viel. 200.000 archivarische Einheiten – Kartons, die wenige Notizzettel oder bis zu 1.000 Blatt Papier enthalten können.

 

Die eigentliche Arbeit der Historiker geschieht an einem der knapp 60 Arbeitsplätze im Benutzersaal des Hauptarchivs. Rund die Hälfte ist für jene reserviert, die sich Pius XII. widmen. Andere Forschungen sollen deswegen nicht komplett blockiert werden. In einem eigenen Indexsaal können sie anhand des Katalogs das Material bestellen, das sie interessiert: maximal fünf Kartons pro Tag.

 

Arbeit in mehreren Archiven

 

"Wenn wir also am 2. März um 8 Uhr anfangen, können wir gegen 10 Uhr die ersten Dokumente zu Pius XII. anschauen", sagt der deutsche Historiker Hubert Wolf, der dort schon oft gearbeitet hat. Anschließend beginnt für ihn und sein Team das Blättern, Lesen, Entziffern. Auf mitgebrachten Laptops finden die Forscher Material anderer Archive oder Forschungen, das zum Abgleich dienen kann.

 

"Zunächst werden wir versuchen, uns klarzumachen, nach welchem System Akten geordnet wurden", sagt Wolf. Denn da Pius XII. die meiste Zeit ohne Staatssekretär regierte, könnte sich in der Ablagepraxis etwas geändert haben. Von relevanten Dokumenten können die Forscher sich Scans machen lassen. Wer auf Nuntiaturberichte stößt und dazu Näheres wissen will, muss sich ins Archiv des Staatssekretariats begeben. Für die Theologie ginge es hinüber in die Glaubenskongregation.

 

Nicht nur Person des Papstes von Interesse

 

Was die erwarteten Themen betrifft, sieht Baumeister "die Fortsetzung der Hochhuth-Themen zu hoch gehängt". Er warnt zudem davor, sich zu sehr auf die Person des Papstes zu konzentrieren. Viele Informationen zu Pius und Holocaust sind nach Aussagen von Forschern bekannt. Die Bewertung der Frage, warum der Pacelli-Papst öffentlich nicht deutlicher gesprochen hat, können und werden wohl unterschiedlich ausfallen.

 

Wolf will diese Fragen unbedingt zusammen mit jüdischen Historikern angehen. Mehrfach habe er selbst mit Holocaust-Überlebenden gesprochen. "Wenn mir dabei bald 90-Jährige sagen: 'Sorgen Sie dafür, dass wir erfahren, warum der Papst nicht laut protestierte', und sie geben einer solchen Persönlichkeit die Hand, dann ist das ein moralisches Versprechen, saubere Arbeit zu machen", sagt Wolf.

 

Forscher brauchen Zeit

 

Doch in den Archiven des Vatikan schlummern auch Informationen zu anderen, viel weniger erforschten Themen: Zur Haltung oder gar zum Einfluss der katholischen Kirche bei der Blockbildung von Nato und Warschauer Pakt, bei der europäischen Einigung, der Entkolonialisierung in Asien und Afrika oder auch zur Entwicklung im Islam erwarten Wolf und Baumeister noch einiges.

 

Aber es brauche Geduld, warnen beide. Drei bis fünf Jahre werde es mindestens dauern, bis seriöse Ergebnisse vorliegen könnten, schätzt Wolf. Damit neue Erkenntnisse etwas taugen, muss viel Material miteinander verglichen, kontrolliert und abgewogen werden. "Wir sind keine Vereinfacher, wir sind Verkomplizierer", warnt Baumeister vor Sensationsmeldungen.

 

Vertuschungen oder Behinderung seitens des Vatikan erwarten beide nicht. Es gebe sicher ein Interesse, "das Bild von Pius XII. nicht zu sehr angekratzt zu sehen. Ich kann aber nicht sagen, dass der Vatikan verhindern wollte, an bestimmte Dinge ranzukommen", sagt Baumeister. Und sollten Dinge tatsächlich aus Beständen entfernt worden sein, so "würde man das sehen, und mir ist das bisher nicht vorgekommen", beruhigt Wolf.

 

Vatikan

Am 2. März 2020 öffnet der Vatikan seine Archive zum Pontifikat von Papst Pius XII. © congerdesign / www.pixabay.com CC0 1.0

 

Historiker: Vatikanarchive zu Pius XII. auch für Österreich wichtig

 

Eine Forschungsinitiative zum Thema "Pius XII. und Österreich" will der Wiener Kirchenhistoriker Rupert Klieber ins Leben rufen. Die Anfang März bevorstehende Öffnung der vatikanischen Archive zum Pontifikat von Papst Pius XII. (1939-1958) seien auch für Österreichs Bemühungen um die Aufarbeitung kirchlicher Zeitgeschichte eine "gewaltige neue Herausforderung", erklärte Klieber am Donnerstag auf Anfrage von "Kathpress". Der Experte sieht mit Blick auf Österreich eine Fülle an relevanter Themenfelder und zu klärender Fragen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs aber auch nach 1945.

 

Von Interesse sei etwa, welche Informationen während der Kriegsjahre aus österreichischen Kirchenkreisen in den Vatikan gelangten und welche Wirkungen sie dort entfalteten, so Klieber exemplarisch. "Inwieweit gab es Anweisungen und Anregungen der römischen Kirchenzentrale für das Verhalten und Agieren der heimischen Kirchenleute in der Zeit des NS-Regimes bzw. Weltkriegs?", formuliert der Kirchenhistoriker eine weitere Forschungsfrage. Und: "Welches Wissen und welche Haltungen der betroffenen Akteure zu den Verbrechen des NS-Regimes wie der Shoa lassen die neuen Quellen erkennen?"

 

Aber auch zur Einschätzung politischer und kirchlicher Entwicklungen im Österreich der Nachkriegszeit könnten Dokumente aus den vatikanischen Archiven neue Erkenntnisse bringen. Eine wesentliches Thema sieht Klieber hier u.a. im Ausmaß des Einflusses der römischen Kurie auf die kirchliche Neuorganisation Österreichs nach 1945, etwa im Hinblick auf die Abkehr vom politischen Katholizismus hin zum Konzept der Katholischen Aktion.

 

Ebenso könnten durch vatikanische Quellen bisher unbekannte Hintergründe zu wichtigen Bischofsbestellungen bekannt werden, darunter jene von Franz König für Wien und Andreas Rohracher für Salzburg. Gleiches gilt für den spektakulären Rückzug des vom Papst ernannten Wiener Koadjutors Franz Jachym während des laufenden Gottesdienstes zur Bischofsweihe im Stephansdom.

 

Auch zur Frage, ob vatikanische Impulse die politischen Bemühungen um eine Aussöhnung der politischen Lager in Österreich förderten oder konterkarierten, könnte aus Sicht des Kirchenhistorikers die Suche nach entsprechenden Akten in den vatikanischen Archiven lohnen. Eine mögliche "spirituelle und diplomatische Schützenhilfe" des Vatikan für Österreichs Bemühungen um das Ende der Besatzung des Landes durch die alliierten Streitkräfte steht ebenso im Raum.

 

Weitere Klärungen könnte es zudem darüber geben, inwieweit die politischen Spannungen und Ängste nach 1945 im Kontext der kommunistischen Putsche in Osteuropa bzw. des Kalten Krieges das kirchliche Handeln bestimmten, so Klieber. Dazu stelle sich die Frage, ob Österreich durch seine geschichtliche und geographische Nähe zu den betreffenden Ländern eine maßgebliche Rolle zu kam.

 

Bewährte Kooperation

 

Wie rasch es in diesen Fragen zu Ergebnissen kommen kann, ist freilich noch unklar. Österreichs Kirchenhistoriker verfügten "bei weitem" nicht über die personellen und finanziellen Ressourcen Kollegen in anderen Ländern, allen voran Deutschland, erinnerte Klieber gegenüber "Kathpress".

 

Nach der 2006 erfolgten Öffnung der vatikanischen Archive zum Pontifikat von Papst Pius XI. (1922-39) leitete der Wiener Kirchenhistoriker in den vergangenen zehn Jahren ein umfangreiches Forschungsprojekt zum Verhältnis von Pius XI. und Österreich. Auch für die Österreich-Forschung zum Nachfolger-Pontifikat von Pius XII. gelte es nun, die schon bewährte Kooperation mit Partnern zu suchen, vor allem dem Österreichischen Historischen Institut in Rom sowie dem Forschungsnetzwerk des Münsteraner Kirchenhistorikers Hubert Wolf. Klieber: "Auf dieser Basis soll erneut versucht werden, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu Dissertationsprojekten im großen vielversprechenden Forschungsterrain zu motivieren, ebenso Kolleginnen und Kollegen aus der heimischen (kirchen-)historischen Landschaft zu gezielten Studien bzw. Forschungsaufenthalten in Rom."

 

Kathpress

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