Dienstag 19. März 2024

Wie "trendy" ist Kirche? Wissenschaft und Praxis im Gespräch

Ständig ist die Gesellschaft mit neuen Moden und Trends konfrontiert und gerade junge Menschen springen gerne auf den „Zug der Zeit“ auf. Aber wird auch die Kirche als trendig wahrgenommen?

Diese Frage diskutierten am 13. November 2018 im Rahmen der sogenannten „Quartals.Gespräche“ der Rektor der Katholischen Privat-Universität Linz Univ.-Prof. Dr. Franz Gruber und Diplom-Pastoralassistent Klemens Hager von der Jugendkirche Linz Grüner Anker.

 

Das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965) hat geradezu ermutigt, die Fenster zu öffnen, frischen Wind hereinzulassen, die Zeichen der Zeit zu erforschen. Es stellt sich die Frage: Wie modern darf, ja muss Kirche heute sein? Gilt es, gewissen Trends zu folgen oder vielmehr selbst Trends zu setzen?

Mag.a Gabriele Eder-Cakl, Pastoralamtsdirektorin der Diözese Linz, moderierte den Abend und stellte die Veranstaltung als „eine Stunde Wissenschaft zum Angreifen“ vor. Ihre einleitende Frage an die Podiums-Diskutanten lautete dem Titel entsprechend: „Ist Kirche trendy?“

 

„Nur der Papst ist cool“

Klemens Hager ist Projektleiter der Jugendkirche Linz Grüner Anker. Diese begann 2011 als Pilotprojekt und ist seit 2015 – mit Zustimmung des dortigen Pfarrgemeinderats – fix in der Stadtpfarrkirche Urfahr etabliert und teilt sich das Gotteshaus mit der Pfarrgemeinde vor Ort.

Hager erzählte von seinen Erfahrungen mit Jugendlichen. In einer Instagram-Umfrage und in Jugendstunden herrsche eher die Meinung, Kirche sei nicht unbedingt trendig; Weihnachten und Ostern würden dazugehören, die Kirche selbst werde aber als kalt, alt, eher für ältere Leute und nicht mehr zeitgerecht empfunden. Nur der jetzige Papst sei cool. Hager: „Für junge Menschen ist die Gemeinschaft wichtig, aber eine Jugendgruppe wird nicht mit Kirche gleichgesetzt. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass es mit 13 Jahren nicht unbedingt cool ist, zur Kirche zu stehen.“ Was sehr wohl für junge Menschen zähle, sei die Frage der Ästhetik, beispielsweise wie ein Raum wirke. In der Jugendkirche, die auch als Stadtpfarrkirche in Urfahr genutzt wird, sind die weißen Wände bunt beleuchtet.

 

Wie 'trendy' ist Kirche? Wissenschaft und Praxis im Gespräch

V.l.: Diplom-Pastoralassistent Klemes Hager von der Jugendkirche Linz Grüner Anker, Univ. Prof. Dr. Franz Gruber, Rektor der Katholischen Privatuniversität Linz im Gespräch mit Pastoralamtsdirektorin Mag.a Gabriele Eder-Cakl, die den Abend moderierte.   Bild (c) Diözese Linz / Fürlinger

 

„Wenn der Kern authentisch ist, bleibt Kirche zeitgemäß“

Auch Dr. Franz Gruber, Rektor und Professor für Dogmatik und Ökumenische Theologie an der KU Linz, hob die Wichtigkeit von Ästhetik hervor: „Ästhetik zählt zu Bedingungen, unter denen ich heute kommunizieren muss.“ Ein Problem der Kirche sei eine falsch verstandene Traditionspflege. Kirche müsse immer im Hier und Jetzt sein. Echte Tradition heiße demnach, zur Quelle zu gehen, aus der Quelle zu leben. „Wenn der Kern authentisch ist, bleibt Kirche zeitgemäß“, so Gruber. Aber auch Unzeitgemäßes gehört immer zur Kirche, wie etwa das Kreuz.

Grundsätzlich gehe es darum, zu verdeutlichen, dass das Christentum kein Religionsverein sei, sondern eine Pastoralgemeinschaft, in der es um das Leben, Sterben und Auferstehen des Jesus von Nazareth gehe und was dieser damit in die Welt gebracht habe. Es gelte, zu unterscheiden zwischen Kirche als Pastoralgemeinschaft, die mit den Menschen unterwegs sei wie Jesus damals, und einem „Kulturchristentum“.

Die Frage „Ist es trendy?“ müsse vielleicht zur Frage „Ist es an der Zeit?“ verwandelt werden. Es gelte als Kirche, Trends zu setzen: „Die Kirche muss Werte und Lebensstile prägen, die anziehend und lebensfördernd sind“, forderte Gruber.

 

Pastoralamtsdirektorin Gabriele Eder-Cakl brachte ein, dass junge Menschen, wenn sie zur Bedeutung von Kirche befragt werden, meist „klassische Dinge“ wie Weihnachten, Ostern, Gemeinschaft oder Soziales nennen.

Klemens Hager dazu: „Gemeinschaft ist ein extrem hoher Wert. Jugendliche kommen zum Beispiel in die Jugendkirche, weil sie den oder die wiedersehen möchten. Ich sage immer, Jugendarbeit ist eine Arbeit mit Pheromonen.“

 

„Manche Rituale haben an Kraft verloren“

Im Laufe der Diskussion wurde auch die Wichtigkeit von „Ritualen“ für junge Menschen thematisiert. Manche Rituale seien leer geworden und hätten vielleicht an Kraft verloren, meinte Klemens Hager. Franz Gruber skizzierte anhand des MinistrantInnendienstes, dass es ganz normal sei, dass sich die Bedeutung von Ritualen verändere: „Wenn Kinder im liturgischen Spiel mitspielen, ist das natürlich. Hier ist Religion noch nicht gedeutet. Jugendliche allerdings geraten in eine Umwelt, in der diese Selbstverständlichkeiten fast gänzlich wegbrechen.“ Mit dem Gleichnis vom barmherzigen Vater versuchte Gruber zu verdeutlichen, dass es zum Erwachsenwerden dazugehöre, wegzugehen und die Werte der Familie zu verlassen. Wie im Gleichnis müsse man warten können, bis sich im Leben eines (jungen) Menschen etwas ereigne, wo die Frage nach dem Sinn aufbreche. „Religion wird erst dann Lebensprägung, wenn etwas sinnstiftend ist“, so Gruber.

 

Gesellschaftliche Transformation als große Chance für die Kirche

Auf die Frage, wer die Kirche im Ursprung sei, antwortete Franz Gruber mit einem Zitat des französischen Theologen Alfred Loisy: „Jesus kündete das Reich Gottes an und gekommen ist die Kirche.“ Es gehe heute um eine „Inkulturation der Botschaft des Evangeliums“ und nicht vorrangig um die Sorge nach Klerikern. „Wir brauchen immer geweihte Amtsträger, übrigens Männer und Frauen, aber keine Kleriker mehr, die als Stand auftreten“, so Gruber, der sich hier auch auf Papst Franziskus berief.

Franz Gruber stellte die Trends in der Kirche in einen größeren gesellschaftlichen Zusammenhang. „Wir befinden uns in einem Transformationsprozess, in dem die Karten völlig neu gemischt werden. Das ist eine große Chance.“ Die Zukunft werde keine verkirchlichte Gesellschaft mehr sein, trotzdem werde es aber immer so etwas wie eine Pastoralgemeinschaft brauche, weil das Religiöse im Leben der Menschen nicht verloren gehe. Was alle Menschen verbinde, sei die Tatsache, dass jeder lebe und durch das Leben herausgefordert sei. Glaube sei ein Thema des Lebens, es müsse aber in einer hochindividualisierten Welt die Freiheit respektiert werden, wenn jemand nicht religiös sein wolle.

Klemens Hager zur praktischen Seite dieser von Gruber skizzierten Transformation: „Ich bin im Umbruch mittendrin und versuche mit den Jugendlichen Antworten zu finden auf wichtige Fragen des Lebens. Es gibt Jugendliche, die auf der Suche sind, und andere. Es geht in der Jugendarbeit vor allem um Beziehungsangebote.“ Dabei müsse man sich die Frage gefallen lassen, wie „trendy“ Personen seien, die Kirche gestalten.

 

Die drängenden Fragen

In einer abschließenden Runde antworteten die Diskutanten darauf, welche Fragen ein Konzil heute beantworten müsste.

Franz Gruber stellte grundsätzlich in Frage, ob jetzt ein geeigneter Zeitpunkt für ein Konzil wäre und ob ein Konzil heute der richtige Weg sei. Er würde sich wünschen, dass zuerst einmal die „Hausaufgaben“ des Zweiten Vatikanischen Konzils gelöst würden. Außerdem solle man das Gedankenexperiment wagen: „Wie würde Jesus heute handeln und leben?“. Und auch eine grundlegende Reform des Kirchenrechts, das in weiten Teilen leider noch immer eine feudale, ständische Ordnung spiegelt, hält Gruber für notwendig. Die Kirche der Zukunft müsse eine „pfingstliche Kirche“, eine Weltgemeinschaft werden, wo Vielfalt Platz habe und Menschen zeigen, als Brüder und Schwestern gut miteinander leben zu können, schloss Gruber.

Klemens Hager setzte den Akzent in seinem Schlussstatement zunächst auf die Frage der Liturgie. Es brauche so etwas wie eine Liturgiereform. In der Jugendkirche würden Formen praktiziert, die aus der Sprachlosigkeit herausführen und die Bedeutung der Liturgie und des Brotbrechens unterstreichen würden, so Hager. „Jugendliche haben da einen einfachen und oft pragmatischen Zugang.“ Außerdem wären Mut und Großzügigkeit beim Thema Scheitern gefragt. Nicht über andere zu urteilen sei eine wünschenswerte Tugend, so Hager.

Unter den BesucherInnen dieses Quartalsgespräches, die sich auch in die Diskussion einbrachten, waren Univ.-Prof.in Dr.in Ines Weber (Kirchenhistorikerin an der KU Linz, Chefredakteurin der Theologisch-Praktischen Quartalsschrift), Mag. Bernhard Kagerer (Redaktionsleiter der Theologisch praktischen Quartalschrift), Mag.a Brigitte Gruber-Aichberger PMM (Direktorin der Abteilung Pastorale Berufe), Mag. Daniel Blumenschein (Stadtjugendreferent und Referent am Institut für Pastorale Fortbildung) und einige interessierte jüngere und ältere Semester.

 

Quartals.Gespräche

Die Quartals.Gespräche haben das Anliegen, Wissenschaft und Praxis ins Gespräch zu bringen. Veranstaltet wurde die Diskussion „Wie trendy ist Kirche?“ von der Theologisch-praktischen Quartalschrift an der KU Linz, vom Bildungszentrum Haus der Frau, der Personalentwicklung der Diözesanfinanzkammer und des Pastoralamtes der Diözese Linz sowie vom Katholischen Bildungswerk – Treffpunkt Bildung in Kooperation mit der Jugendkirche Linz Grüner Anker.

Das nächste Quartals.Gespräch findet am 24. Mai 2019 von 20.00 bis 20.45 Uhr an der Katholischen Privat-Universität Linz, Bethlehemstraße 20, im Rahmen der „Langen Nacht der Kirchen“ statt. Zur Frage „Ist die Hölle leer?“ diskutieren Mag.a Christiane Roser (Abteilungsleiterin Seelsorge für Menschen in spezifischen Lebenssituationen im Pastoralamt der Diözese Linz) und Univ.-Prof.in Dr.in Ines Weber (Institut für Kirchengeschichte und Patrologie an der KU Linz) miteinander.

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