Donnerstag 25. April 2024

Theologisch-praktische Quartalschrift: „Männerbilder“

 Ausgabe 2/2018 der Theologisch-praktischen Quartalschrift (ThPQ) behandelt das Thema „Männerbilder“, die heutzutage keineswegs eindeutig sind und es auch nicht sein müssen. Die ThPQ ist auch als eBook und ePDF erhältlich.

Als der Soldat Richard Lubanski 1954 nach zwölf Jahren Kriegsgefangenschaft plötzlich vor der Haustür seiner Familie steht, sind seine Frau und seine drei Kinder freudig überrascht, aber auch entsetzt. Sowohl der Anblick des von Leid gezeichneten Äußeren als auch seine Einstellungen und sein ganzes Verhalten, die nicht mehr zur neuen Lebenssituation der Familie passen, erschrecken sie. Als Soldat ist Lubanski Befehl und Gehorsam gewohnt; diese will er auch weiterhin uneingeschränkt in seiner Familie umgesetzt wissen. Jedoch werden ihm sowohl von seiner Gattin, die sich als klassische Trümmerfrau im Nachkriegsdeutschland behauptet und die Familie ernährt, als auch von seinen Kindern Grenzen gesetzt. Das größte Stück Fleisch beim Essen gebührt nicht länger dem Vater, sondern dem im Wachstum begriffenen Sohn. Ohrfeigen werden ebenso in keiner Weise unwidersprochen hingenommen. Und dass deutsche Buben sehr wohl weinen dürfen, das erklärt der Sohn seinem Vater, als Letzterer am Ende eines Films selbst in Tränen ausbricht.

 

Was Regisseur Sönke Wortmann vor einigen Jahren im Film „Das Wunder von Bern“ überragend in Szene gesetzt hat, spiegelt die Situation unzähliger Familien nach 1945. Das alte Männerbild trug nicht mehr, ein neues musste erschaffen, adaptiert und dann auch angeeignet werden. Seither hat sich vieles verändert. Männliche und weibliche Domänen haben sich zusehends vermischt, und Verhaltensweisen des typisch starken Mannes eignen diesem heute nicht mehr allein. Vielen Männern – auch in Führungspositionen – ist ihre Familie ebenso wichtig geworden wie ihr Beruf. Sie reduzieren ihre Arbeitszeit, um in Elternzeit zu gehen oder die eigenen hochbetagten Eltern zu pflegen. Gleichzeitig ist der Mann als Ernährer der Familie noch immer in den Köpfen vieler präsent. Befindet sich der Mann bzw. das Bild von ihm deshalb in der viel besprochenen Krise, weil alte Rollenmuster nicht mehr tragen und neue noch nicht etabliert sind? Oder führt eine solche Frage in die Irre, weil sie von falschen Vorannahmen ausgeht? Wie wenig tragfähig eindeutige Rollenbilder, wie vielfältig demgegenüber Männlichkeitskonstruktionen sind und immer schon waren, das zeigen die unterschiedlichen psychologischen, theologischen und soziologischen Beiträge des aktuellen Themenheftes.

 

Theologisch-Praktische Quartalschrift, Cover der Ausgabe 2/2018 zum Thema 'Männerbilder'

 

Den Auftakt macht der Wiener Psychoanalytiker und Männerforscher Erich Lehner, der brillant vor Augen führt, wie vielfältig Männlichkeiten heute konstruiert werden (müssen) und wie sehr die auf einem EU-weiten Projekt beruhende „caring masculinity“ sowohl das Verhältnis der Geschlechter zueinander entlastet, als auch die Grundzufriedenheit von Männern steigert. Männlichkeiten werden nicht länger als hegemonial entlang den Kategorien von Macht und Dominanz, sondern als sorgend und auf Gleichstellung beruhend konstruiert. Dieselbe sorgende Männlichkeit forderten bereits die katholischen Autoren der 1960er-Jahre, so überraschenderweise die Linzer Kirchenhistorikerin Ines Weber. Weil Liebe, Achtsamkeit und Wertschätzung zu den Grundzügen menschlicher Existenz gehörten, müssten sie auch von Männern eingeübt und in das Familienleben eingespeist werden. Auch der Grazer Neutestamentler Josef Pichler wendet die Theorie der hegemonialen Männlichkeit auf die neutestamentlichen Texte an. Fundiert arbeitet er ein Gegenkonzept von Männlichkeit heraus, das auf Dienst und Empathie und nicht auf Dominanz, Stärke und Macht beruht. Damit wird ein großes Potenzial christlicher Theologie sichtbar. Darüber hinaus zeigen die biblischen Texte eine Vielzahl von Männerbildern, die abhängig vom Lebenskontext, der Rolle sowie der Charaktereigenschaft des jeweiligen Mannes variieren, Männlichkeiten also, die sowohl vom sozialen Kontext strukturiert als auch individuell ausgestaltet werden. Diesen Gesichtspunkt betont auch Wolfgang Beck, Juniorprofessor für Pastoraltheologie und Homiletik in St. Georgen. Exzellent führt er vor Augen, wie wenig eindeutig Männlichkeitskonstruktionen in Film und Fernsehen heute sind, wie vor allem in der Werbung das Klischee des starken, technik- und handwerksaffinen Mannes perpetuiert wird. Welch gewaltiger Handlungsbedarf deshalb in Kirche und Pastoral besteht, hebt Andreas Ruffing, verantwortlich für die diakonische Pastoral in Fulda, hervor. Wenngleich Männer in Kirche und Gemeinde weniger zahlreich vertreten sind, so erlaube dies nicht den Schluss, dieselben hätten kein Interesse an spirituellen Angeboten. Im Gegenteil: Das Bedürfnis nach Sorge um sich selbst und andere sei immens hoch. Allein ein vielfältiges, die individuellen Bedürfnisse des Mannes wertschätzendes Angebot fehle. Demgegenüber macht Alexander Yendell, Mitarbeiter in der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie an der Universität Leipzig, anhand einer Leipziger Studie zur Gewaltbereitschaft aufschlussreich deutlich, dass rechtextreme Einstellungen keine männlichen Phänomene sind. Sie können auch nicht einfach als Reaktion auf Männlichkeitskonstruktionen verstanden werden, die weniger die Stärke und Macht von Männern betonen.

 

Es folgt ein freier Doppelbeitrag des bekannten Pariser Dogmatikers und Fundamentaltheologen Christoph Theobald SJ, der Einblicke in seine Theologie im Sinne eines Christentums als Lebensstil gewährt.

 

Das Heft schließt mit besonderen, zum Teil sehr persönlichen Resonanzen Matthias Remenyis auf Hansjürgen Verweyens „Mensch sein neu buchstabieren“.

 

Die Autorin und Autoren sind sich einig: Männerbilder sind heutzutage keineswegs eindeutig und müssen es auch nicht sein. Keinesfalls biologisch determiniert, vielmehr sozial konstruiert, werden sie im Dialog mit dem Gegenüber und dem eigenen Leben entworfen. Sie dürfen deshalb vielfältig sein und bleiben. Diese Pluralität ist aber kein Zeichen von Krise, sondern Hinweis auf die menschliche Individualität und den Reichtum des Lebens.

 

Die Theologisch-praktische Quartalschrift wird von den ProfessorInnen der Katholischen Privat-Universität Linz (KU) herausgegeben.

 

 

Theologisch-praktische Quartalschrift jetzt auch als eBook und ePDF

 

Die Theologisch-Praktische Quartalschrift kann als Abonnement regelmäßig bezogen werden (4 Ausgaben im Jahr). Seit 2017 bietet der Verlag Pustet die Theologisch-Praktische Quartalschrift auch als eBook und ePDF an.

 

Zu den Details

 

Chefredakteurin Univ-Prof. Dr.in Ines Weber / Katholische Privat-Universität Linz

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