Papst an Kirchen: Weniger auf erlittenes Unrecht zurückblicken
Die christlichen Kirchen sollten sich nicht damit aufhalten, "an erlittenes und verübtes Unrecht zu denken". Das Urteilen nach rein menschlichen Kriterien führe hier nicht weiter. Zurückzublicken sei aber insofern "hilfreich und überaus notwendig, um das Gedächtnis zu reinigen", sagte Franziskus.
Er äußerte sich am Mittwoch, 25. Jänner 2017 zum Abschluss der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen in der Basilika St. Paul vor den Mauern. An der Feier nahmen die Bischöfe, Leiter und Studenten aus den in Rom ansässigen nichtkatholischen Kirchen teil, darunter der griechisch-orthodoxe Metropolit für Italien, Gennadios Zervos, der anglikanische Bischof David Moxon sowie Studierende aus dem Weltkirchenrats-Kolleg Bossey.
Der Papst forderte auf, nach vorne zu schauen. "Das Wort Gottes ermutigt uns, aus dem Gedenken Kraft zu schöpfen, uns an das vom Herrn empfangene Gute zu erinnern. Aber es verlangt auch von uns, die Vergangenheit hinter uns zu lassen, um Jesus im Heute zu folgen und in Ihm ein neues Leben zu leben."
Die Einheit der Christen koste Opfer, betone der Papst. Die christlichen Konfessionen dürften sich nicht auf Programme und Berechnungen stützen, den eigenen Vorteil suchen oder vorübergehenden Moden vertrauen. Eine echte Versöhnung zwischen den Christen werde sich verwirklichen lassen, wenn die Konfessionen versuchten, "wechselseitig die Gaben des anderen anzuerkennen, und fähig sind, demütig und aufmerksam voneinander zu lernen". Sie dürften nicht erwarten, dass zuerst die anderen von ihnen etwas lernten.
Franziskus würdigte die auch in den Texten diesjährigen Weltgebetswoche angesprochene Hoffnung im Blick auf das gemeinsame Reformationsgedenken. "Während wir auf dem Weg der Einheit unterwegs sind, denken wir in diesem Jahr besonders an den 500. Jahrestag der protestantischen Reformation. Dass heute Katholiken und Lutheraner gemeinsam eines Ereignisses gedenken können, das die Christen getrennt hat, und dass sie dies hoffnungsvoll tun, indem sie den Schwerpunkt auf Jesus und sein Werk der Versöhnung setzen, ist ein bemerkenswertes Ziel, das durch Gott und das Gebet im Laufe von 50 Jahren gegenseitiger Bekanntschaft und ökumenischen Dialogs erreicht wurde", hob der Papst hervor.
Ziel der Ökumene sei dabei die "volle sichtbare Einheit". In "geduldiger und zuversichtlicher Erwartung", dass diese von Gott gewährt werden möge, sollten Kirchen im "Weg der Versöhnung und des Dialogs vorangehen". Ermutigung komme dabei von den Märtyrern, die heroisch "gestern wie heute im Leiden für den Namen Jesu vereint waren und sind".
Die diesjährige Weltgebetswoche für die Einheit der Christen, die am vergangenen Mittwoch begann, stand im Zeichen des ökumenischen Reformationsgedenkens. Ihr Motto lautete "Versöhnung - die Liebe Christi drängt uns". Musikalisch wurde das Abendgebet in Rom vom Päpstlichen Chor der Sixtinischen Kapelle und dem Anglikanischen Chor von Westminster Abbey gestaltet. Das ökumenische Abendgebet mit dem Papst findet traditionell am Fest Pauli Bekehrung statt, das die katholische Kirche am 25. Jänner begeht.