Samstag 20. April 2024

Papstschreiben "Amoris laetitia" zur Familiensynode präsentiert

Am 8. April 2016 wurde im Vatikan das lang erwartete Papst-Schreiben "Amoris laetitia - Über die Liebe in der Familie" zur Familiensynode von den Kardinälen Lorenzo Baldisseri und Christoph Schönborn präsentiert. Es erscheint am 20. April als Buch auf Deutsch.

Franziskus will Freude an Ehe und Familie stärken  

 

Papst Franziskus hat im neuen Schreiben zur Familiensynode Bischöfe, Priester, Diakone, Ehepaare und alle Katholiken aufgerufen, sich die Bedeutung der Ehe und der Familie neu bewusst zu machen. Trotz der vielen Anzeichen einer Krise der Ehe sei unter den Jugendlichen der Wunsch nach einer Familie lebendig, heißt es in dem Freitagmittag von den Kardinälen Lorenzo Baldisseri und Christoph Schönborn präsentierten 189-Seiten-Papier mit dem Titel "Amoris laetitia - Über die Liebe in der Familie". Das Nachsynodale Apostolische Schreiben ist das Resümee der beiden vatikanischen Bischofssynoden zu Ehe und Familie von Oktober 2014 und Oktober 2015; sie werden im normalen Sprachgebrauch als "die Familiensynode" bezeichnet.

Der Papst schreibt, die Kirche wolle "Licht in Krisen, Ängste und Schwierigkeiten" tragen, die es in Ehen und Familien gebe. Das Verhalten Jesu zeige, dass er "zwar ein anspruchsvolles Ideal vorgeschlagen" habe, aber zugleich "niemals die mitfühle Nähe zu den Schwachen wie der Samariterin und der Ehebrecherin verloren hat".    

Das Ergebnis der Überlegungen der Familiensynode sei "nicht ein Stereotyp der Idealfamilie, sondern eine herausfordernde Collage aus vielen unterschiedlichen Wirklichkeiten voller Freuden, Dramen und Träume", hält der Papst fest. "Wir gehen nicht in die Falle, uns in Wehklagen der Selbstverteidigung zu verschleißen, anstatt eine missionarische Kreativität wachzurufen." Die großen Werte der christlichen Ehe und Familie "entsprechen jener Suche, welche die menschliche Existenz durchzieht".

Genaue und gewissenhafte Prüfung

In einem ausführlichen Kapitel geht Franziskus auf die wiederverheirateten Geschiedenen ein. Er lädt ein "zu Barmherzigkeit und pastoraler Unterscheidung angesichts von Situationen, die nicht voll dem entsprechen, was der Herr geboten hat". Zur umstrittenen Frage der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion äußert sich der Papst in dem Schreiben zwar nicht direkt, doch er zeigt die Methodik auf. Ein Kommunionempfang wäre somit unter der Bedingung einer sehr genauen und gewissenhaften Prüfung der Situation durch einen Priester, gemeinsam mit dem oder der Betroffenen, zulässig.  

Der Papst ruft Priester auf, Wiederverheiratete zu begleiten, die Situationen zu unterscheiden und die Betroffenen einzugliedern. Er betont die Notwendigkeit von "Gradualität" in der Pastoral. Franziskus definiert eine "Logik der pastoralen Barmherzigkeit". Er bekräftigt, was eine christliche Ehe ist, und zeigt auf, dass "andere Formen der Vereinigung" teils diesem Ideal "von Grund auf widersprechen", teils dieses Ideal "zumindest teilweise und analog" verwirklichen.

Was die "Unterscheidung" in "irregulären Situationen" - im Text ist der Ausdruck immer in Anführungszeichen gesetzt - angeht, sagt der Papst: "Daher sind Urteile zu vermeiden, welche die Komplexität der verschiedenen Situationen nicht berücksichtigen. Es ist erforderlich, auf die Art und Weise zu achten, in der die Menschen leben und aufgrund ihres Zustands leiden". Und er fährt fort: "Es geht darum, alle einzugliedern; man muss jedem Einzelnen helfen, seinen eigenen Weg zu finden, an der kirchlichen Gemeinschaft teilzuhaben, damit er sich als Empfänger einer unverdienten, bedingungslosen und gegenleistungsfreien Barmherzigkeit empfindet". Die Geschiedenen in einer neuen Verbindung könnten sich "in sehr unterschiedlichen Situationen befinden, die nicht katalogisiert oder in allzu starre Aussagen eingeschlossen werden" dürften, ohne "einer angemessenen persönlichen und pastoralen Unterscheidung" Raum zu geben.

Dieser Linie folgend, greift der Papst die Beiträge vieler Synodenväter auf. Getaufte, die geschieden und zivil wiederverheiratet sind, müssten ihrer Meinung nach - und nach Meinung des Papstes - "auf die verschiedenen möglichen Weisen stärker in die Gemeinschaft integriert werden".

 

Papst Franziskus. © Osservatore Romano

 


Moralgesetze "keine Felsblöcke"

Priester und Bischöfe dürften moralische Gesetze nicht anwenden, "als seien es Felsblöcke, die man auf das Leben von Menschen wirft". Oft sei Barmherzigkeit für Menschen, die im Widerspruch zur katholischen Lehre lebten, in der Kirche an zu viele Bedingungen geknüpft, schreibt der Papst. Das sei "die übelste Weise, das Evangelium zu verflüssigen". Eine Einheit von Lehre und Praxis sei in der Kirche zwar notwendig, so Franziskus. Das schließe jedoch keineswegs aus, dass "verschiedene Interpretationen einiger Aspekte der Lehre oder einiger Schlussfolgerungen, die aus ihr gezogen werden", weiter existierten.

In der geltenden kirchlichen Lehre war von nicht kirchlich getrauten Katholiken ein Zusammenleben "wie Bruder und Schwester" als Bedingung für den Kommunionempfang gefordert worden. Franziskus geht hier weiter. Er verweist darauf, dass Enthaltsamkeit die Treue der Partner und das Kindeswohl gefährden könnten. Dabei betont er jedoch, dass er für den Umgang mit den Betroffenen keine allgemeinverbindliche Norm geben wolle.

Damit stärkt Franziskus die Rolle der Ortskirchen und der einzelnen Bischöfe. Er steht ihnen in dem Schreiben mehr Eigenständigkeit und Interpretationsspielraum in der Anwendung der kirchlichen Lehre zu. Nicht "alle doktrinellen, moralischen oder pastoralen Diskussionen" müssten durch "ein lehramtliches Eingreifen entschieden werden", so der Papst. Oft könnten in den jeweiligen Ländern und Regionen besser "inkulturierte Lösungen" gefunden werden, "welche die örtlichen Traditionen und Herausforderungen berücksichtigen", heißt es in dem Schreiben. Konkrete Beispiele nennt Franziskus nicht.

Homosexuelle: Partnerschaften geben Halt, sind keine Ehe  

Auf den Umgang mit Homosexuellen und gleichgeschlechtlichen Paaren, der unter den Bischöfen ebenfalls besonders umstritten war, geht der Papst nur kurz ein. Er bekräftigt, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht der Ehe angeglichen werden dürften, betont aber zugleich, dass auch solche Formen des Zusammenlebens den Betroffenen "einen gewissen Halt geben".

In dem Schreiben äußert sich der Papst zu zahlreichen weiteren Themen aus dem Bereich Ehe und Familie, von der staatlichen Geburtenkontrolle über die grundsätzliche Offenheit von Sexualität für die Weitergabe des Lebens und der Erziehung von Kindern im christlichen Glauben bis hin zu Gewalt gegen Frauen. Darunter findet sich etwa auch eine Verteidigung der Emanzipation der Frau und des Feminismus gegen innerkirchliche Kritiker. Das Dokument bildet den Abschluss einen zweieinhalbjährigen Diskussionsprozesses in der katholischen Kirche. Er begann Ende 2013 mit einer weltweiten Umfrage unter Katholiken. Im Herbst 2014 und 2015 befassten sich zwei Weltbischofssynoden mit dem Thema Ehe und Familie.

 

 

Schönborn: Papst bekräftigt pastorale Neuausrichtung der Kirche

 

Papst Franziskus bekräftigt den Weg der pastoralen Neuausrichtung der Kirche, in der alle Menschen ihren Platz haben und in der dem persönlichen, geschulten und gereiften Gewissen große Bedeutung zukommt. Das hat Kardinal Christoph Schönborn am Freitag bei der Präsentation des nachsynodalen Schreibens "Amoris Laetitia" von Papst Franziskus betont. Das schließe auch die Möglichkeit des Zugangs zu den Sakramenten u.a. für wiederverheiratete Geschiedene "in gewissen Fällen" ein.

Das päpstliche Schreiben umfasst neun Kapitel auf knapp 190 Seiten und wurde von Kardinal Schönborn gemeinsam mit Kardinal Lorenzo Baldisseri, dem Synoden-Generalsekretär, im Vatikan der Öffentlichkeit vorgestellt.

Der Papst vertiefe in seinem Schreiben die Bedeutung der ehelichen und familiären Liebe und leite dazu an, wie es gelingen kann, "den Wert und den Reichtum der Ehe zu entdecken", betonte Schönborn. Zugleich werde aber auch schmerzlich sichtbar,  wie verletzend die Erfahrungen vom Scheitern einer Beziehungen sein könne. Deshalb sei es nicht verwunderlich, dass besonders die Frage, wie die Kirche mit Verwundungen der Liebe und dem Scheitern von Beziehungen umgeht, so zentral sei. Für viele sei sie zur Testfrage geworden, "ob die Kirche wirklich der Ort erfahrbarer Barmherzigkeit Gottes ist", so Schönborn.

Zwei Fehlhaltungen benenne Papst Franziskus in diesem Zusammenhang ausdrücklich, erläuterte der Wiener Erzbischof: Zum einen die des Rigorismus. Der Papst schreibe wörtlich in Abschnitt 305: "Daher darf ein Hirte sich nicht damit zufrieden geben, gegenüber denen, die in 'irregulären' Situationen leben, nur moralische Gesetze anzuwenden, als seien es Felsblöcke, die man auf das Leben von Menschen wirft. Das ist der Fall der verschlossenen Herzen, die sich sogar hinter der Lehre der Kirche zu verstecken pflegen." Andererseits dürfe die Kirche auf keine Weise darauf verzichten, "das vollkommene Ideal der Ehe, den Plan Gottes in seiner ganzen Größe vorzulegen", wie es in Abschnitt 307 heißt.



Sakramentenempfang bei "irregulären" Situationen

Über den Zugang zu den Sakramenten für Personen, die in "irregulären" Situationen leben, betone der Papst eingangs die Notwendigkeit, die Situationen gut zu unterscheiden. Wörtlich schreibe der Papst in Abschnitt 305: "Die Unterscheidung muss dazu verhelfen, die möglichen Wege der Antwort auf Gott und des Wachstums inmitten der Begrenzungen zu finden. In dem Glauben, dass alles weiß oder schwarz ist, versperren wir manchmal den Weg der Gnade und des Wachstums und nehmen den Mut für Wege der Heiligung, die Gott verherrlichen".

Franziskus erinnere zudem an ein Wort, das er in seinem Schreiben "Evangelii gaudium" geschrieben hatte: "Ein kleiner Schritt inmitten großer menschlicher Begrenzungen kann Gott wohlgefälliger sein als das äußerlich korrekte Leben dessen, der seine Tage verbringt, ohne auf nennenswerte Schwierigkeiten zu stoßen". Im Sinne dieses "Weges der Liebe " ("via caritatis") sage der Papst dann schlicht und einfach in einer Fußnote, dass auch die Hilfe der Sakramente "in gewissen Fällen" gegeben werden kann, erläuterte Schönborn.

Dazu biete der Papst aber keine Kasuistik und keine Rezepte, sondern verweise einfach an zwei seiner bekannten Worte aus dem Schreiben "Evangelii Gaudium": "Die Priester erinnere ich daran, dass der Beichtstuhl keine Folterkammer sein darf, sondern ein Ort der Barmherzigkeit des Herrn" und: "Die Eucharistie ist, obwohl sie die Fülle des sakramentalen Lebens darstellt, nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen".

Wie Kardinal Schönborn weiter ausführte, wisse er wohl um die Sorgen von Bischöfen, Priestern und Gläubigen, die sich ob der geforderten "Unterscheidung der Situationen" überfordert fühlten, wenn dies nicht genauer geregelt sei. So schreibe der Papst wörtlich in Abschnitt 308: "Ich verstehe diejenigen, die eine unerbittliche Pastoral vorziehen, die keinen Anlass zu irgendeiner Verwirrung gibt." Dem halte er aber in Abschnitt 311 entgegen: "Wir stellen der Barmherzigkeit so viele Bedingungen, dass wir sie gleichsam aushöhlen und sie um ihren konkreten Sinn und ihre reale Bedeutung bringen, und das ist die übelste Weise, das Evangelium zu verflüssigen."

Logik der Integration

Der Kardinal hob positiv hervor, dass in dem Dokument konsequent die künstliche und äußerliche Trennung von "regulär" und "irregulär" überwunden wird und alle unter den gemeinsamen Anspruch des Evangeliums gestellt würden. Dieses Prinzip der Inklusion wende der Papst ausdrücklich auch auf die Wiederverheirateten Geschiedenen an, wenn er in Abschnitt 299 schreibe: "Die Logik der Integration ist der Schlüssel ihrer pastoralen Begleitung (...) Sie sollen sich nicht nur als nicht exkommuniziert fühlen, sondern können als lebendige Glieder der Kirche leben und reifen, indem sie diese wie eine Mutter empfinden, die sie immer aufnimmt."

Schönborns Resümee: "Papst Franziskus vertraut auf die 'Freude der Liebe'. Sie weiß den Weg zu finden. Sie ist der Kompass, der uns den Weg zeigt." Nichts sei freilich so anspruchsvoll wie die Liebe. "Sie ist nicht billig zu haben", betonte der Kardinal wörtlich. Deshalb brauche auch niemand zu fürchten, dass Papst Franziskus mit "Amoris Laetitia" auf einen allzu einfachen Weg einlade.

"Keiner muss sich verurteilt fühlen"

Der Wiener Erzbischof erläuterte das neue Papstdokument auch mit sehr persönlichen Worten. In der kirchlichen Rede über Ehe und Familie bestehe oft eine Tendenz, diese zweigleisig zu führen: "Da gibt es die Ehen und Familien, die 'in Ordnung' sind, die den Regeln entsprechen, in denen alles 'stimmt' und 'passt', und dann gibt es die 'irregulären' Situationen, die ein Problem darstellen." Schon mit dem Wort "irregulär" werde suggeriert, dass diese Unterscheidung so fein säuberlich getroffen werden kann.

Wer auf der Seite der "Irregulären" zu stehen kommt, werde damit leben müssen, dass die "Regulären" auf der anderen Seite seien, so der Kardinal: "Wie schmerzlich das für die ist, die selber aus einer Patchwork-Familie stammen, ist mir persönlich vertraut durch die eigene Familiensituation. Die kirchliche Rede kann hier verletzend sein, ja das Gefühl geben, ausgeschlossen zu sein."

Papst Franziskus habe sein Schreiben aber unter das Leitwort gestellt: "Es geht darum, alle zu integrieren", zitierte der Kardinal aus Abschnitt 297. Denn es gehe um eine Grundeinsicht des Evangeliums, dass alle Menschen der Barmherzigkeit bedürften. Schönborn: "Deshalb ist die Lektüre von Amoris Laetitia so wohltuend.  Keiner muss sich verurteilt, keiner verachtet fühlen." In diesem Klima des Angenommenseins werde die Rede von der christlichen Sicht von Ehe und Familie "zur Einladung, zur Ermutigung, zur Freude über die Liebe, an die wir glauben dürfen und die niemanden, wirklich und ehrlich niemand ausschließt".

Der Kardinal räumte ein, dass dieses durchgehende Prinzip der Inklusion vielen auch Sorge bereite, ob denn damit nicht dem Relativismus das Wort gesprochen und die  so oft angesprochene Barmherzigkeit damit zur Beliebigkeit werde. Papst Franziskus sei aber davon überzeugt, dass die christliche Sicht von Ehe und Familie auch heute eine ungebrochene Anziehungskraft habe, betonte Schönborn.

"Sprachereignis" und synodaler Prozess

"Amoris Laetitia" sei für ihn vor allem auch ein "Sprachereignis", wie es schon "Evangelii gaudium" war, führte Kardinal Schönborn weiter aus. Etwas im kirchlichen Diskurs habe sich gewandelt. Dieser Wandel der Sprache sei schon während des synodalen Weges spürbar geworden, merkte Schönborn an: "Zwischen den beiden Synodensitzungen von Oktober 2014 und Oktober 2015 ist deutlich erkennbar, wie der Ton wertschätzender geworden ist, wie die verschiedenen Lebenssituationen einfach einmal angenommen werden, ohne sie gleich zu be- oder verurteilen." In "Amoris Laetitia" sei dies zum durchgehenden Sprachstil geworden.

Der Papst betone dabei auch ausdrücklich, dass er sich damit die ihm vorgelegten Aussagen der beiden Synoden zu eigen mache, so Schönborn. Der Kardinal sprach wörtlich von der "Fruchtbarkeit der Vorgangsweise" von Papst Franziskus. Dieser habe ausdrücklich eine offene Diskussion über die pastorale Begleitung von komplexen Situationen gewünscht, und er habe sich in seinem Schreiben nun weitgehend auf die von den beiden Synoden ihm vorgelegten Texte stützen können.

Der Papst spreche sich für einen klaren Blick auf die nüchterne Realität der Familien aus. Dieser Realismus führe aber nicht weg vom Ideal sondern bewirke genau das Gegenteil, so Schönborn: "Papst Franziskus schafft es, zusammen mit den Arbeiten der beiden Synoden, einen zutiefst hoffnungsvollen, positiven Blick auf die Familie zu werfen." Doch erfordert dieser ermutigende Blick auf die Familie jene pastorale Neuausrichtung, von der schon das Papstschreiben "Evangelii Gaudium" spricht.

Immer wieder spreche der Papst im Rahmen der pastoralen Neuausrichtung das Vertrauen in das Gewissen der Menschen an, so Schönborn. Wörtlich halte der Papst in Abschnitt 37 fest: "Wir sind berufen, die Gewissen zu bilden, nicht aber dazu, den Anspruch zu erheben, sie zu ersetzen." Dem Gewissen der Gläubigen Raum zu geben, sei für die Verantwortlichen in der Kirche aber oft noch schwer, räumt der Papst laut Schönborn ein.

 

Kardinal Christoph Schönborn. © Klingen / Kathpress

 

Schönborn im Kathpress-Interview: "Ausrichtung auf die Liebe ist wichtiger als Normen"

 

Papst Franziskus geht es in seinem Schreiben "Amoris Laetitia" um ein genaues Hinsehen auf die Lebensrealitäten und Lebensumstände der Menschen. Die Frage, ob jemand, der sich in einer sogenannten "irregulären" Lebenssituation befindet, zur Kommunion gehen dürfe, sei nicht die erste Frage, in bestimmten Fällen ist dies für den Papst aber möglich. Das hat Kardinal Christoph Schönborn im Interview mit der Nachrichtenagentur "Kathpress" am Rande der Präsentation des päpstlichen Schreibens im Vatikan betont. Hinter dem gesamten Schreiben stehe eine besondere Logik: "Das erste sind nicht die Normen, die zwar wichtig sind, an erster Stelle steht aber die Ausrichtung auf die Liebe."

Er sei dankbar und stolz, so der Wiener Erzbischof, dass die katholische Kirche damit eigentlich die in Wien seit gut 15 Jahren gelebt pastorale Praxis sowohl im Synodendokument von 2015 als nun auch im päpstlichen Schreiben "voll übernommen" habe.

Das päpstliche Schreiben "ist von A bis Z ein Dokument der Liebe und der Freude an der Liebe", so Schönborn wörtlich. Dem Schreiben müsste man deshalb eigentlich das berühmte Wort des Heiligen Augustinus voranstellen: "Liebe und tue was du willst." Schönborn: "Die Liebe zeigt den Weg; weil sie anspruchsvoll ist und weil sie eine Freude ist. Franziskus spreche mit viel Lebensnähe, Herzenswärme und Realismus von der Schönheit der Liebe. Es werde deutlich, "dass er wirklich dem Leben der Menschen nahe ist", so der Kardinal und weiter wörtlich: "Man spürt den Seelsorger, der viel mir armen Menschen zu tun hat, die sich auch in ihren schwierigen Verhältnissen bemühen, Familie zu leben". Der Papst drücke zudem eine tiefe Bewunderung aus für kleine Schritte, die Menschen in schwierigen Situationen schaffen. Diese bewerte er mitunter als größer als jene von  Menschen, die einen sehr geordneten und wohlhabenden Lebensrahmen haben.

Besonders wichtig an dem Dokument sei, dass der Papst das Wort "irregulär"  fast immer unter Anführungszeichen setze. Er mache damit deutlich, was in der Kirche oft vergessen werde: "Ob sich jemand in einer regulären oder irregulären Situation befindet, ist zuerst einmal nur ein äußerer Blick auf die Situation. Der innere Blick auf die Lebenssituation von Ehen und Familien besteht darin, dass wir alle mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben und alle der Barmherzigkeit Gottes bedürfen." Kein Ehepaar und keine Familie dürfe sagen: "Wir sind die ordentlichen und Ihr seid die unordentlichen." Das sei für ihn eine befreiende und wohltuende Botschaft, "weil es in Wirklichkeit auch so ist", betonte Schönborn.

Das bedeute andererseits natürlich nicht, dass der Papst damit meine, alles sei erlaubt. Schönborn: "Es gibt Situationen, die nicht dem entsprechen, was Gottes ursprünglicher Plan ist." Aber der Papst lade dazu ein, genau hinzusehen und zu unterscheiden. Nicht jede sogenannte "irreguläre" Situation sei gleich. "Es gibt komplexe schwierige Situationen, die ganz anders aussehen als andere, wo die Ehe ganz offensichtlich zerbrochen wurde. Und dieses Unterscheiden ist die große Aufforderung dieses Schreibens", erläuterte der Kardinal.

Papst Franziskus spreche klar die Situation von unverheiratet zusammen lebenden Paaren und geschiedenen Wiederverheirateten an. Er lade sie zuerst ein, auf die Hilfe Gottes und die Offenheit der Kirche zu vertrauen. "Sie gehören in das Leben der Kirche integriert und dürfen auf die Hilfe der Kirche bauen", so der Kardinal. Das sei  vor allen auch eine große Aufforderung an die Gemeinden, "wie sie mit Menschen in diesen Situationen umgehen"; und das schließe auch die Hilfe der Sakramente in bestimmten Fällen ein.

Schönborn: "Der Papst warnt vor billigen Lösungen, er sagt zugleich aber auch, dass es kein allgemeines Rezept gibt, wobei er sich hier auf Papst Benedikt XVI. bezieht. Es gibt die klare Linie des Wortes Gottes, die muss immer in Erinnerung gerufen werden. Und dann gibt es das Hinschauen auf konkrete Situationen, und hier gibt es solche, wo die Hilfe der Sakramente berechtigt ist und ihren Platz hat."

Franziskus überlasse aber die Entscheidung über den Zugang zu den Sakramenten den Seelsorgern, den Gemeinden und den Betroffenen selbst. Schönborn: "Hier braucht es verantwortungsvolle Entscheidung und hier bringt der Papst deutlich das geschulte Gewissen ins Spiel.

Eine der Folgen des Papst-Schreibens werde es sein, "dass wir alle uns fragen müssen, was sind  eigentlich die Bedingungen für einen guten Sakramentenempfang?" Es  genüge nicht, "dass es formal äußerlich in Ordnung ist oder auch nicht. Es geht um die persönliche Frage: Wie stehst du selbst vor deinem Gott, wie stehst du selbst in deinem Leben?"

Wiener Weg der "fünf Aufmerksamkeiten"

Kardinal Schönborn verwies im "Kathpress" Interview auf die seit gut 15 Jahren in der Erzdiözese mit den sogenannten "Fünf Aufmerksamkeiten" gelebte seelsorgliche Praxis hin.

An erster Stelle unter den "Aufmerksamkeiten" stehe die gegenüber den Kindern. Kinder bräuchten die Sicherheit, von Mutter und Vater geliebt zu werden, wie immer auch das Leben weitergehen mag. So müsse man sich immer die Frage stellen, ob die Rechte der Kinder wahrgenommen werden.

Die zweite "Aufmerksamkeit" betrifft jene gegenüber dem getrennten Partner, auf den noch lange viele Gefühle fixiert sind. Hier gehe es vor allem um das Bemühen, eine korrekte Gestaltung der Beziehung "abseits eines Rosenkrieges" und im Sinne der Kinder anzustreben.

Die Frage, ob Schuld und Schuldgefühle bewältigt wurden, führe zur dritten "Aufmerksamkeit" gegenüber genau dieser Schuldfrage. So gelte es zuerst, sich mit der eigenen Verantwortung für das Scheitern der Ehe auseinanderzusetzen und in einem zweiten Schritt eine "Versöhnung mit Verantwortung" anzustreben. Dabei komme auch dem Glauben eine bedeutende Rolle zu. Es gehe darum, die Hoffnung zu stärken, dass Gott Schuld und Sünde vergibt.

Die vierte "Aufmerksamkeit" gegenüber treuen Ehepaaren führe zur Frage, wie die Gemeinden deren Leistung für die Gesellschaft zu würdigen verstehen. Es gehe aber auch darum, wie die Pfarren diesen Ehepaaren helfen können, ihre Beziehung zu vertiefen und noch glücklicher zu gestalten.

Die fünfte "Aufmerksamkeit" schließlich betrifft jene gegenüber dem Gewissen und Gott. Wer ehrlich betet, dürfe auch mit der Barmherzigkeit Gottes rechnen. Die durchlebten und im Glauben reflektierten Phasen seien für das Gewissen eine harte Prüfung und es erhalte dadurch eine Größe und Weite, "die Kraft gibt für die künftige Lebensform und für das weitere Leben innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft". Eine Weiterentwicklung der Persönlichkeit und eine Neuorientierung aus dem Glauben würden so möglich.

All diese Fragen und Aspekte betone auch Papst Franziskus in seinem Schreiben " in sehr großer Lebensnähe und Aufmerksamkeit", so Kardinal Schönborn abschließend.

O-Töne von Kardinal Schönborn sind in Kürze unter www.kathpress.at/audio abrufbar.

 

 

"Amoris laetitia" erscheint am 20. April als Buch auf Deutsch


Das päpstliche Lehrschreiben "Amoris laetitia" zu Ehe, Familie und Sexualität gibt es ab 20. April als Buch auf Deutsch. Das übersetzte Dokument wird mit Einführungen und Stichwortverzeichnis herausgegeben, wie der Herder-Verlag am Freitag in München mitteilte. Die Einführungen stammen vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, dem Berliner Erzbischof Heiner Koch und dem Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode.

Die drei Oberhirten nahmen im Herbst 2015 an der vatikanischen Familiensynode teil. "Amoris laetitia" wird im lateinischen Original und mehreren Übersetzungen, darunter auch auf Deutsch, am Freitag im Vatikan veröffentlicht.

 

Das apostolische Schreiben zum Download


Weitere Infos zum Papstschreiben "Amoris Laetitia" unter www.kathpress.at/papstschreiben

 

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