Für eine Kirche nah bei den Menschen: 30 Jahre Pfarrassistent:innen in der Diözese Linz
Sie sind ein Spezifikum der Diözese Linz: die Pfarrassistent:innen. In den vergangenen 30 Jahren waren sie als hauptamtliche Seelsorger:innen in 115 der 487 Pfarren der Diözese Linz an der Pfarrleitung beteiligt, die von einem Priester, dem sogenannten „Pfarrmoderator“, wahrgenommen wird. Das Modell „Moderator und Pfarrassistent:in“ kann auf Grundlage des Kirchenrechts dann zum Einsatz kommen, wenn aufgrund des Priestermangels kein Pfarrer für eine Pfarrgemeinde eingesetzt werden kann. Seit Bischof Maximilian Aichern 1994 das Statut für die Pfarrassistent:innen in Kraft gesetzt hat, haben bisher insgesamt 111 Frauen und Männer diese Funktion ausgeübt. Wurden am Beginn des Berufsstandes in den 1990er Jahren Pfarrassistent:innen vor allem für kleinere Pfarren mit bis zu 1.000 Katholik:innen eingesetzt, übernahmen sie später auch Leitungsaufgaben in einigen der größten Pfarren, wie etwa in Vöcklabruck, Freistadt, Eferding und Garsten. Mit diesem Pfarrleitungsmodell war die Diözese Linz österreichweit Vorreiterin.
Durch den laufenden Pfarrstrukturprozess haben sich neue Berufsbilder entwickelt, die den Anforderungen der Gegenwart Rechnung tragen sollen. In der neuen Struktur wird die Pfarre von einem Pfarrer gemeinsam mit Pastoralvorstand/-vorständin und Verwaltungsvorstand/-vorständin geleitet. In den Pfarrteilgemeinden einer Pfarre übernehmen Seelsorgeteams Leitungsverantwortung. 2028, wenn alle 39 Dekanate der Diözese Linz in der neuen Struktur „angekommen“ und als neue Pfarren gegründet sind, wird es den Beruf Pfarrassistent:in nicht mehr geben. Die neuen Pfarren machen die Pfarrassistent:innen aber nicht beschäftigungslos: Eine Reihe von ihnen sind Pastoralvorständ:innen in den neuen Pfarren geworden. Andere übernehmen weitere pastorale Aufgaben in den neuen Pfarren, etwa als Seelsorgeverantwortliche.
Matthias List ist Mitglied im Vorstandsteam der Berufsgemeinschaft der Pfarrassistent:innen und war von 2006 bis 2022 Pfarrassistent in der Pfarre Linz-St. Markus. Er erinnert sich an die Entwicklung des Berufsbildes: „Es war ein absolutes Novum, dass Frauen und Männer ohne Weihe ein pfarrliches Leitungsamt übernahmen. Das hat sich durch die guten Rahmenbedingungen in der Diözese Linz mit der Zeit normalisiert, sodass wir in der neuen Pfarrstruktur gut daran anknüpfen konnten“, so List, der seit 2022 in der neuen Pfarre Urfahr-St. Junia als Pastoralvorstand tätig ist.
Bei einer Feier am 17. Oktober 2025 im Bildungshaus Schloss Puchberg in Wels wurde das 30-jährige Wirken der Pfarrassistent:innen gewürdigt – mit viel Freude über das Gelungene, aber auch mit Wehmut über das Ende einer Ära. Insgesamt 80 Gäste, darunter viele frühere bzw. „amtierende“ Pfarrassistent:innen, waren der Einladung gefolgt. Beim Festakt ließen Pfarrassistent:innen der ersten Stunde Erinnerungen wiederaufleben. Brigitte Gruber-Aichberger als Festrednerin und Bischof Manfred Scheuer würdigten das Gewesene und nahmen in den Blick, was ausgehend von dieser Berufsgruppe in die Zukunft hinein wirken wird. Den Abschluss bildete eine liturgische Dankfeier.
Pfarrassistent:innen als tragende Säulen der Seelsorge
Den Festvortrag hielt Brigitte Gruber-Aichberger. Die Theologin war selbst Pfarrassistentin und bis 2022 insgesamt 22 Jahre lang Dienstvorgesetzte von über 300 pastoralen Mitarbeiter:innen, auch der Pfarrassistent:innen. Sie zeigte in ihren Worten auf, dass viel Wertvolles durch dieses Leitungsmodell, mehr aber durch das Wirken der konkreten Pfarrassistent:innen in der Diözese Linz gewachsen ist. „Das Leitungsmodell Pfarrassistent:in und Pfarrmoderator wurde auf Fundamente gebaut, die es auch für zukünftige Entwicklungen tragend braucht. Es wurden Entwicklungen angestoßen, die es wahrzunehmen und zu pflegen gilt“, so Gruber-Aichberger, die den Pfarrassistent:innen ihren Dank und ihre Anerkennung aussprach.
Den vor 30 Jahren entscheidenden Leitungspersonen sei die Beteiligung von Laien – vor allem auch von Frauen – am Sendungsauftrag von Kirche ein Herzensanliegen gewesen. Die guten Erfahrungen mit den Pionier:innen hätten diese Entscheidung noch bestärkt. Für das Gelingen des Leitungsmodells wesentlich waren konkrete Menschen, die ihre eigene Überzeugung in ihrer Pfarre gelebt hätten – mit „persönlichem Einsatz, Gestaltungswillen und einer Vision von zeitgemäßer Kirche im Miteinander mit der Pfarre“. Seelsorge sei immer ein Beziehungsgeschehen, so die Festrednerin, und: „Sendung von Kirche konkretisiert sich immer in Personen, die als Glaubende und Hoffende ihr Können für die Menschen am Ort einbringen.“ Der Rückhalt durch die Diözesanleitung und geeignete Rahmenbedingungen hätten ebenfalls zum Gelingen des Modells beigetragen. „Die Zusage: ‚Du hast Zukunft als Leitungsperson mit Gestaltungsraum und Verantwortung‘ hat die Gruppe der Pfarrassistent:innen zu tragenden Säulen der Seelsorge und des diözesanen Geschehens werden lassen. Gott sei Dank!“
Die Beauftragung von Pfarrassistent:in und Pfarrmoderator zur gemeinsamen Leitung einer Pfarre habe gezeigt, dass Leitungsaufgaben auf mehrere Personen mit unterschiedlichen Funktionen und Rollen aufteilbar seien und in gemeinsamer Verantwortung von Priestern und Laien – auch Frauen – wahrgenommen werden könnten. Gruber-Aichberger: „Einzigartig in der Diözese Linz ist, dass die Aufgaben der Pfarrassistent:innen nicht vom Pfarrmoderator delegiert werden, sondern dass beide, Pfarrmoderator und Pfarrassistent:in, gleichzeitig vom Bischof ihre jeweiligen Aufgaben übertragen bekommen. Das ist eine gute Basis für Zusammenarbeit auf Augenhöhe und stellt gleichzeitig eine Wertschätzung der Funktion Pfarrassistent:in als eigenständiges Amt dar.“ Sie freue sich, dass diese Praxis der direkten Beauftragung auf Basis des Kirchenrechtes für die Beauftragung der Pastoral- und Verwaltungsvorständ:innen übernommen worden sei, weil das „eine Weitung des Amts- und Leitungsverständnisses“ bedeute.
Die Hineinnahme von qualifizierten Frauen und Männern in die Leitung von Pfarren habe „das äußere Erscheinungsbild von Kirche verändert“, so die Überzeugung von Gruber-Aichberger. „Ob Menschen sich in der Kirche zuhause fühlen, dazugehören wollen, hängt wesentlich am Bild, das von Kirche vermittelt wird. Die Vielfalt und Buntheit der Berufsgruppe der Pfarrassistent:innen weiteten das Bild. Zugleich wurde auch sichtbar, in wie viel unterschiedlichen Lebensformen und Lebenssituationen sich Christsein verwirklichen lässt, ergänzend zu den bekannten geistlichen Berufen.“
Die Berufung zur Seelsorge weitertragen
Bischof Manfred Scheuer würdigte in seinem Grußwort das Wirken der Pfarrassistentinnen und Pfarrassistenten für die Diözese als „Verwirklichung von Kirche, die nah bei den Menschen sein und Gemeinschaft aufbauen will“. Die neue Struktur der Diözese bedeute zwar den Abschied vom Beruf „Pfarrassistent:in“, eröffne aber neue Perspektiven für Seelsorgerinnen und Seelsorger. Diese sollten weiterhin „als Zeuginnen und Zeugen wirken“, so Scheuer. Zeuge bzw. Zeugin habe mit Zeigen zu tun: „Ein Zeuge, eine Zeugin verweist auf Jesus und gibt die Menschen, die zu ihm bzw. zu ihr kommen, an Jesus ab. Zeuge sein heißt: zeigen, was man liebt.“ Zeuge und Zeugin zu sein, habe auch mit „Ziehen“ zu tun: „Menschen im Glauben anstecken, auf gute Gedanken bringen, mit auf den Weg nehmen“. Zeuge / Zeugin sein sei schließlich auch ein Zeugen: Seelsorger:innen bräuchten die Bereitschaft, sich auf Unbekanntes einzulassen, Neues anzufangen und aufzubauen“, erklärte der Bischof.
Scheuer betonte außerdem, er sehe die Seelsorgerinnen und Seelsorger als Missionarinnen und Missionare. Ausgehend von einer Formulierung der französischen Bischöfe sprach der Bischof von einer „Mission mit Breitenwirkung“ und einer „Mission der Dichte“. Bei der „Mission mit Breitenwirkung“ gehe es darum, „dass die Stimme des christlichen Glaubens um des Wohles und der Würde der konkreten Menschen willen, gerade der Schwächeren und der Opfer bestimmter gesellschaftlicher Entwicklungen, so wirksam wie möglich wahrgenommen wird“. „Mission der Dichte“ meine, den eigenen Glauben an andere weiterzuvermitteln. „Über den Glauben Auskunft zu geben heißt, das weiterzugeben, was wir selber empfangen haben und immer wieder neu von Gott her empfangen. Auskunft im Glauben zu geben heißt, die Menschen mit Gott in Berührung zu bringen“, so Manfred Scheuer.
Der Bischof dankte den Pfarrassistentinnen und Pfarrassistenten für ihr Wirken und wünschte ihnen Gottes Segen für alles Kommende. „Sie mögen die Berufung zur Seelsorge weitertragen zum Wohl für die Menschen – nach Kräften und auch mit Freude.“
Buchpräsentation: „Gott sei Dank, Pfarrassistentinnen und Pfarrassistenten!“
Die Berufsgemeinschaft der Pfarrassistent:innen präsentierte beim Festakt am 17. Oktober in Puchberg das Buch „Gott sei Dank, Pfarrassistentinnen und Pfarrassistenten! – Gemeindeleitung in der Diözese Linz“. Darin wird dieser besonderen Berufsgruppe von vielen Seiten Wertschätzung entgegengebracht: etwa von Bischof Manfred oder von Irmgard Lehner, Leiterin des Bereichs Pfarre & Gemeinschaft, die selbst 16 Jahre lang als Pfarrassistentin in Wels-St. Franziskus tätig war. Im Buch wird das Berufsbild aus verschiedenen Perspektiven in den Blick genommen; Pfarrassistent:innen berichten authentisch über ihren Arbeitsalltag.
Berufsgemeinschaft der Pfarrassistent:innen (Hg.)
Gott sei Dank, Pfarrassistentinnen und Pfarrassistenten!
Gemeindeleitung in der Diözese Linz
2025
154 Seiten, ISBN 978-3-903239-12-8
Edition R3
Das Buch kostet € 21,60 Euro und ist im Behelfsdienst der Diözese Linz erhältlich.
Buchcover als PDF anbei
Presseunterlagen zum Download
Pressemitteilung zum Download (doc/pdf)
Honorarfreie Fotos zum Download: © Diözese Linz / Josef Danner


