Pastoraltheologin Polak: Wahl von Papst Leo XIV. starkes politisches und pastorales Zeichen
Die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak sieht in der Wahl von Papst Leo XIV. ein starkes politisches und pastorales Zeichen. Im Interview mit der ORF-Nachrichtensendung ZIB 2 am Donnerstagabend betonte sie, der neue Papst Leo XIV., ein Amerikaner mit langjähriger Missions- und Führungserfahrung in Peru, könne sowohl innerhalb der Kirche als auch in der Welt eine integrative Rolle spielen.
"Seine Herkunft aus den USA, kombiniert mit seiner tiefen Verwurzelung in Lateinamerika, macht ihn zu einem Brückenbauer in vielfacher Hinsicht", so Polak. Prevost kenne nicht nur die politischen Spannungen der Region, sondern auch die Realität von Armut und Elend - und könne damit als "friedliches Gegengewicht zu Donald Trump" gelesen werden. Der Papst habe in seiner ersten Ansprache alle katholischen Christinnen und Christen ausdrücklich aufgerufen, "miteinander in Dialog zu treten und Brücken zu bauen". Es gehe ihm darum, die Kirche als Gemeinschaft neu zu beleben.
Polak hob hervor, dass Leo XIV. nicht nur die Situation im globalen Süden kenne, sondern durch seine Zeit in Rom auch mit den Herausforderungen Europas vertraut sei. "Gerade darin sehe ich großes Potenzial: Anliegen aus dem globalen Süden mit jenen aus Europa zu vermitteln - das erfordert gegenseitige Unterstützung und Übersetzungsarbeit auf beiden Seiten." Dem neuen Papst traue sie zu, diesen Ausgleich leisten zu können.
Zugleich sei es zentral, den synodalen Prozess weiterzuführen, so Polak. "Der synodale Weg fördert ein besseres gegenseitiges Verständnis zwischen den unterschiedlichen Weltregionen. Leo XIV. muss integrativ wirken - nach innen wie nach außen."
Auch die Wahl seines Namens habe eine klare Botschaft. "Leo - das verweist auf die katholische Soziallehre, auf Papst Leo XIII. und die soziale Frage", erläuterte die Theologin. Sie habe seine Rede als "universell ausgerichtet" verstanden - Leo XIV. sei ein "Weltbruder", der - anders als sein Vorgänger Franziskus - weniger charismatisch auftrete, aber dennoch in der Lage sei, seine Mission glaubwürdig und nachhaltig zu verfolgen.
Widerspruch signalisierte Polak gegen die Annahme, Leo XIV. sei ein bloßer Kompromisskandidat gewesen: "Das glaube ich nicht. Er hat es offenbar geschafft, im Vorkonklave relativ rasch Einmütigkeit zu erzeugen - das deutet darauf hin, dass er sehr glaubwürdig gewirkt hat." Auf sie wirke der neue Papst als jemand mit einem "eigenen Charisma des Zuhörens und der Bescheidenheit" - Eigenschaften, die sowohl progressive als auch konservative Gläubige ansprechen könnten.
Leo XIV. wirke als ein Reformpapst, der nicht leicht zu kategorisieren sei - ähnlich wie Franziskus, der gesellschaftspolitisch als progressiv galt, in anderen Bereichen jedoch konservative Positionen vertrat. "Franziskus hat ganz wesentliche Weichen gestellt, und ich habe den Eindruck, die werden jetzt weitergeführt", so Polak. Gleichzeitig werde sich Leo XIV. durch Persönlichkeit, Bildungsweg, Ordenszugehörigkeit und biografischen Hintergrund unterscheiden. Auch der Stil seiner Amtsführung werde ein anderer sein, während inhaltlich viele Themen erhalten bleiben dürften - insbesondere der Einsatz für Frieden, Evangelisierung und Armutsbekämpfung. "Das sind zentrale Anliegen, die auch unter Franziskus im Fokus standen", so Polak.
Die Theologin sieht die Kirche nicht so tief gespalten, wie oft dargestellt. Im Gegenteil: Die klare und zügige Entscheidung im Konklave sowie die Wirkung der ersten Rede Leo XIV. wertete die Theologin als geistliches Zeichen: "Er hat sehr rasch und klar gewirkt - das war, was wir Katholiken den Heiligen Geist nennen."