Christ:in sein für eine demokratische Gesellschaft
Kirche und Gläubige müssen ihre gesellschaftliche wie politische Verantwortung für demokratische Werte wie Menschenrechte, Solidarität und Rechtsstaatlichkeit aktiv wahrnehmen: Mit diesem Aufruf hat der Kärntner Bischof Josef Marketz am 9. Jänner die Österreichische Pastoraltagung 2025 unter dem Motto „Auftrag Zukunft. Christ:in sein für eine demokratische Gesellschaft" eröffnet.
V. l.: Lucia Greiner (Leiterin Seelsogeamt Salzburg), Bischof Josef Marketz (Gurk), Peter Schipka (Generalsekretär OBK) und Lisz Hirn (Philosophin Wien) © MIG-Pictures / Michaela Greil
Christlicher Glaube könne auch heute eine wichtige Motivation sein, sich für eine integrative Gesellschaft einzusetzen. Das hat der deutsche Theologe Ansgar Kreutzer dargelegt. Als einer der Hauptredner sprach er über die politisch-öffentliche Präsenz des Christentums. Religion und politische Öffentlichkeit stünden von jeher in Beziehung zueinander. Kirchen sollten sich laut dem Professor für Systematische Theologie an der Universität Gießen jedoch davor hüten, zu eng an den Staat anzurücken. Als negatives Beispiel nannte er die Nähe evangelikaler Kirchen in den USA zu Donald Trump.
Ansgar Kreutzer war 2002 bis 2011 als Universitätsassistent an der Katholischen Privat-Universität Linz (KU) tätig. 2010 erhielt er an der KU Linz die Venia docendi für das Fach Dogmatik. Im März 2011 wurde er zum ordentlichen Universitätsprofessor für Fundamentaltheologie an die KU Linz berufen und im Oktober 2011 zum Vorstand. © MIG-Pictures e.U. / Michaela Greil
Zivilgesellschaftlich aktiv seien Christinnen und Christen heute beispielsweise im Eintreten gegen Rechtspopulismus, Ausgrenzung oder Klimaschutz, erwähnte Kreutzer. „Ein politisches Christentum zeigt wieder Gesicht in der Öffentlichkeit", sagte der Theologe. Er warnte aber auch vor der problematischen Verbindung von Religion und Politik, Kirchen hätten einen festen Platz in der Gesellschaft - ähnlich wie NGOs -, jedoch nicht als politisches Machtinstrument, sondern in einer aktiven Zivilgesellschaft.
Pfarren als Diskursorte
Auf die wichtige Bedeutung christlicher Gemeinschaften für das demokratische Miteinander verwies Isabella Bruckner am Abschlusstag der Pastoraltagung. Insbesondere die Pfarrgemeinden könnten öffentliche Räume sein, in denen sich Menschen begegnen, um miteinander zu diskutieren und so auch gemeinsame Geschichte und Identität zu schaffen, sagte die aus Amstetten stammende Professorin für christliches Denken und spirituelle Praxis an der römischen Benediktiner-Hochschule Sant'Anselmo am Samstag.
Isabella Bruckner studierte Katholische Theologie in Wien, Graz und Linz studiert und war dort jeweils als Assistentin im Fachbereich Fundamentaltheologie tätig. Daneben arbeitete sie von März 2021 bis Februar 2022 als Referentin für Ökumene und Judentum der Diözese Linz. Nach ihrem Doktoratsstudium 2019 bis 2021 an der KU Linz lehrte sie als Assistenzprofessorin am dortigen Institut für Fundamentaltheologie und Dogmatik. © MIG-Pictures e.U. / Michaela Greil
Bruckner sprach in ihrem Vortrag zur „Spiritualität der Freiheit" über Hanna Arendts Verständnis von Freundschaft als „ständiger Diskurs". Grundlegend sei dabei das Vertrauen, im Dialog die Wahrheit zu finden. Freundschaft sei aus christlicher Sicht mit jedem Menschen möglich, auch bei verschiedener Meinung. Die dabei erforderliche „Konfliktfähigkeit" gelte es durch Ansprechen von Konflikten einzuüben. Um eine solche Diskursfähigkeit sollten sich Pfarren und christliche Gemeinschaften bemühen und zu einem Lernort dafür werden, plädierte die 33-jährige Theologin.
Die Theologien verwies auch besonders auf die „Herzensbildung" sowie auf die „Frage nach dem wirklichen Begehren des Menschen", nämlich dem Finden seiner Lebensberufung. Sie selbst habe als Heranwachsende die Pfarre als Ort erlebt, wo Berufungen erfahrbar und deutlich spürbar werden können, sagte Bruckner. Um dieser Berufung nachzuspüren, seien Räume der Stille wertvoll, in denen man Konfrontation mit sich selbst und mit Glauben erfahren könne, sowie Formen selbst kleiner ritueller Zeichen und Gebete.
300 Teilnehmende
Die traditionell zu Jahresbeginn stattfindende Österreichische Pastoraltagung wird von der Österreichischen Pastoralkommission und dem Österreichischen Pastoralinstitut (ÖPI) veranstaltet. Die Tagung richtet sich an pastorale Mitarbeitende und bietet auch spezielle Vernetzungsmöglichkeiten, darunter ein „Come Together" für unter 40-Jährige sowie berufsspezifische Austauschformate.
Im Fokus der diesjährigen Tagung im Bildungszentrum St. Virgil stand die Rolle der Kirche in einer demokratischen Gesellschaft. Rund 300 Teilnehmende, darunter hochrangige Kirchenvertreter, Politikerinnen und Expertinnen und Experten, diskutierten über Herausforderungen und Chancen der Demokratie – darunter die Journalistin Ingrid Brodnig, die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak, die Philosophin Lisz Hirn und Irmgard Griss, die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs.
Zu den Teilnehmenden zählen unter anderem auch die Bischöfe Josef Marketz (Gurk) und Wilhelm Krautwaschl (Graz-Seckau), Caritas-Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler und der Vorsitzende der Österreichischen Ordenskonferenz, Korbinian Birnbacher.
Die nächste Pastoraltagung wird sich von 8. bis 10. Jänner 2026 der Vulnerabilität bzw. Verletzbarkeit widmen.