Pilgern in Oberösterreich: Das Gute liegt so nah
Immer mehr Menschen brechen für längere Zeit auf, um im wahrsten Sinn des Wortes ihrer Sehnsucht nachzugehen, um zu sich selbst und zu Gott zu finden. Oft sind Lebenswenden wie der Pensionsantritt, eine schmerzhafte Verlusterfahrung, eine anstehende Entscheidung oder die Dankbarkeit für eine überstandene Krise Anlässe, um den Pilgerrucksack zu packen und sich auf den Weg zu machen.
Andrea Reisinger aus Vöcklabruck pilgert seit 16 Jahren regelmäßig, seit acht Jahren begleitet sie auch Gruppen. Seit April 2020 ist sie Referentin für Pilgern und Pilgerbegleitung der Diözese Linz. Reisinger bezeichnet Pilgern als „Wandern mit Mehrwert“, für sie persönlich ist es „Beten mit den Füßen und mit dem ganzen Körper“. Nicht alle Menschen pilgern aus einer religiösen Motivation heraus, aber „das Unterwegssein in der Natur macht offen für spirituelle Erfahrungen“, ist Reisinger überzeugt.
Dass Pilgern über bloßes Wandern hinausgeht und heilsam auf die Seele wirkt, diese Erfahrung entdecken zunehmend mehr Menschen. In der Corona-Zeit hat sich dieser Trend noch verstärkt – und er hält an. Reisinger: „Ich habe den Eindruck, dass immer noch sehr viele Menschen in der näheren Umgebung pilgern. Gleichzeitig genießen viele, dass das Reisen wieder möglich ist, und machen jetzt lang geplante und verschobene Pilgerreisen nach Santiago de Compostela, Rom oder Assisi.“
Die diözesane Referentin für Pilgern und Pilgerbegleitung Andrea Reisinger. © privat
Pilgern für den Frieden
Hat die erfahrene Pilgerin im vergangenen Jahr einen neuen Weg für sich entdeckt? Reisinger: „Für mich ist jeder Weg ist einzigartig. Der Josefweg in meiner nahen Umgebung ist für mich durch die Nähe und die Verbindung von Attersee und Traunsee besonders beeindruckend. Das Gute liegt oft so nah! Fast alltäglich ist für mich der Jakobsweg in Vöcklabruck.“ Eine Pilger-Erfahrung ist ihr ganz besonders im Gedächtnis geblieben: „In der Karwoche bin ich einen Tag als Mitglied einer Pilgergruppe auf dem Jerusalemweg mitgepilgert. Es war ein ‚Pilgern für den Frieden‘ von Linz nach Wien – insgesamt 250 Kilometer –, organisiert von Johannes Aschauer und dem Jerusalemweg-Vorstand. Dabei wurden Spenden für die Ukraine pro gegangenen Kilometer gesammelt. Insgesamt sind über 8.600 Euro ‚ergangen‘ worden! Dieses Zeichen der Verbundenheit und der Solidarität mit Menschen, die gerade unter den Kriegswirren leiden, hat mich sehr berührt.“
Andrea Reisinger nahm in der Karwoche am „Pilgern für den Frieden“ teil, bei dem der Weg von Linz nach Wien führte. Im Bild: Stift Melk. © Reisinger
Stadtpilgern in Linz
Pilgerangebote der Pilgerstelle URBI@ORBI
Da einige Pilgerwege durch Linz führen, ist das kirchliche Begegnungszentrum URBI@ORBI in der Betlehemstraße 1a in Linz auch Pilgerstelle. Pilgerinnen und Pilger können dort während der Öffnungszeiten (Dienstag bis Freitag 11.00 bis 17.00 Uhr) kommen, einen Kaffee trinken, in Pilgerliteratur schmökern, jemanden zum Gespräch finden und sich natürlich auch einen Pilgerstempel abholen.
Im Herbst 2021 fand zum ersten Mal das sogenannte „Stadtpilgern“ statt. Zweimal im Frühjahr und zweimal im Herbst werden seither an Freitagnachmittagen Stadtpilger-Termine angeboten. Start- und Endpunkt ist das URBI@ORBI. Mit den beiden erfahrenen Pilgerbegleiter:innen Karin Seisenbacher und Johann Gallhammer können Interessierte beim Pilgern in und rund um Linz ins Gehen kommen, Achtsamkeit üben und die Stadt von einer anderen Seite kennenlernen. Angelika Stummer, Referentin für Citypastoral, über das Angebot: „Das Stadtpilgern ist eine gute Möglichkeit, ins Pilgern hineinzuschnuppern und auch den Unterschied zwischen Pilgern und Spazierengehen kennenzulernen.“ Dieses „Pilgern light für Neugierige“ eignet sich auch für Menschen, die aufgrund ihrer Konstitution keine langen Pilgerstrecken bewältigen können, aber dennoch einmal pilgern möchten. „Unsere Pilgerbegleiter:innen, die das Stadtpilgern ehrenamtlich anbieten, freuen sich, dass dieses Angebot von ganz unterschiedlichen Menschen sehr gern genutzt wird“, berichtet Stummer.
Die nächsten Stadtpilger-Termine von URBI@ORBI:
- 23. September 2022
- 14. Oktober 2022
jeweils von 13.30 bis 16.30 Uhr
Die Teilnahme ist kostenlos; Anmeldung erwünscht unter urbi.orbi@dioezese-linz.at oder 0676 8776 6000 (Teilnehmer:innenzahl: max. 10 Personen) |
Das URBI@ORBI bietet Stadtpilger-Termine an. © Reisinger
„Haus der Frau“: Stadtpilgern – auf den Spuren bedeutender Frauen unterwegs in Linz
Auch vom Bildungs- und Begegnungszentrum „Haus der Frau“ in Linz werden viermal jährlich Stadtpilger-Termine angeboten. Thematisc geht es bei den nächsten Terminen um Spuren von Frauen, die Kunst und Kultur, Wissenschaft und Bildung sowie Soziales maßgeblich beeinflusst haben. Beim Stadtpilgern mit Pilgerexpertin ChristineDittlbacher (www.bewegt-begleiten.at)
besteht die Möglichkeit, einige dieser Persönlichkeiten hautnah und mit allen Sinnen zu erleben. „Ihr Wirken nehmen wir auf, um damit unseren eigenen Lebenspilgerweg zu bereichern“, so Dittlbacher.
Gepilgert wird jeweils einen Tag lang von 9 bis 16 Uhr, Startpunkt ist das „Haus der Frau in der Volksgartenstraße 18.
- 24. September 2022 | Frauenspuren im Herbst:
„Brot und Rosen“, Frauenrechte, Frauenbewegung in Linz
- 21. Jänner 2023 | Frauenspuren im Winter
Hedda Wagner – Schriftstellerin und Komponistin damals
Christina Stürmer – Musikerin heute
- 22. April 2023 | Frauenspuren im Frühling
Lydia Roppolt, Künstlerin
- 24. Juni 2023 | Frauenspuren im Sommer
Prof.in Dr.in Marianne Meinhart – erste Professorin der Linzer Universität
Prof.in Dr.in Ursula Floßmann – Expertin für Frauenrechtsgeschichte und Legal Gender Studies an der JKU Linz
Die Pilgerwanderungen führen an Wirkungsstätten dieser Frauen vorbei.
Information und Anmeldung (erforderlich):
Haus der Frau Linz
Volksgartenstraße 18
4020 Linz
T: 0732 66 70 26
Pilgerexpertin Christine Dittlbacher. © privat
Weltpilgertag und „Heiliges Jakobusjahr“
Am 25. Juli ist Weltpilgertag. Die Kirche begeht ihn am Gedenktag des Pilger-Apostels Jakobus des Älteren. Fällt der 25. Juli auf einen Sonntag, ist in der nordwestspanischen Pilgerstadt Santiago de Compostela, dem Ziel des Jakobsweges, ein „Heiliges Jakobusjahr“. Ein Heiliges Jakobusjahr beginnt am 31. Dezember des Vorjahres mit der Öffnung der Heiligen Pforte, durch die Pilger:innen nur in diesem besonderen Jahr die Kathedrale in Santiago de Compostela betreten dürfen. Dieses Ritual ist seit dem 15. Jahrhundert belegt. Die Heilige Pforte wird auch „Pforte der Vergebung“ (Puerta del Perdón) genannt. Im Heiligen Jahr kann den Gläubigen nämlich ein vollkommener Ablass der Sünden gewährt werden; deshalb wird das Heilige Jahr auch „Gnadenjahr“ genannt. Das letzte Heilige Jakobusjahr war 2021. Wegen der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Einschränkungen auch für Pilger:innen hat es Papst Franziskus bis 2022 verlängert.
Interessierte sind eingeladen, rund um diesen Tag zu einer der zahlreichen Kirchen in Oberösterreich zu pilgern, die dem hl. Jakobus geweiht sind: Asten, Buchkirchen bei Wels, Gaspoltshofen (Filialkirche Unteraffnang), Gmunden (Spitalkirche), Gmunden-Ort (Seeschlosskirche), Großraming, Grünau im Almtal, Höhnhart, Hörsching, Lengau, Neumarkt im Mühlkreis, Oberneukirchen, Perg, Pichl (Filialkirche Unterirrach), Puchkirchen am Trattberg, Ried im Traunkreis (Filialkirche Weigersdorf), Rohrbach, Roitham, Roßbach, Schalchen, Schönau im Mühlkreis, Seewalchen, Vichtenstein (Filialkirche Kasten), Windischgarsten.
Pilgerwege und spirituelle Wanderwege
Es muss ja nicht gleich Santiago de Compostela, Rom oder Assisi sein: Auch Oberösterreich hat für PilgerInnen viel zu bieten. Auf knapp 4.000 Kilometern laden 14 Pilgerwege und 11 spirituelle Wanderwege zum (In-sich-)Gehen ein. „Die oberösterreichischen Pilgerwege sind nicht hochalpin und somit auch für Einsteiger:innen geeignet – lediglich auf die Streckenlänge ist zu achten“, ermutigt Reisinger interessierte Anfänger:innen.
Auf Initiative des Netzwerks Pilgerwege & Spirituelle Wege in Oberösterreich, der Werbegemeinschaft Donau Oberösterreich und des Oberösterreich Tourismus wurden die Pilgerwege in Oberösterreich kompakt in einer Broschüre zusammengefasst. Über 20 Wege und Wegvarianten sind darin beschrieben.
Einer davon ist der Benediktweg Oberösterreich, der auf rund 380 Kilometern von Spital am Pyhrn an die Donau (mit einer Alternativroute über St. Florian) und von dort weiter nach Passau führt. Er soll unter dem Motto „Von Kloster zu Kloster“ möglichst viele der bestehenden oö. Klöster und Stifte, die nach der Regel des hl. Benedikt leben, verbinden und so deren geistlichen und kulturellen Schatz hervorheben. Im Vollausbau Ende 2022 – Baustart war 2021 – wird er in beide Richtungen begehbar sein und eine eigene Radpilgerroute erhalten. Neben der Vermittlung benediktinischer Spiritualität und Gastfreundschaft, besonders in den Kloster-Etappenorten, tauchen die Pilger:innen in die europäische Kulturgeschichte und in abwechslungsreiche Naturlandschaften quer durch Oberösterreich ein. Gleichzeitig wird er die Lücke zwischen dem bereits bestehenden Benediktweg über Admont und Seckau (Steiermark) nach St. Paul im Lavanttal (Kärnten) und weiter über Slowenien bis nach Montecassino (Mittelitalien), sowie nach Norden entlang der Donau bis nach St. Blasien im Schwarzwald schließen. Infos: www.benedikt-bewegt.at
Die Broschüre „Pilgern in Oberösterreich“ wird laufend aktualisiert und steht unter www.oberoesterreich.at/pilgern zum Download bereit.
Pilgern auf der Via Maria. © Christine Dittlbacher
Pilgern mit ausgebildeten Pilgerbegleiter:innen
Immer mehr Pilger:innen haben den Wunsch, in einer Gemeinschaft und mit ausgebildeten Pilgerbegleiter:innen unterwegs zu sein. In der Diözese Linz gibt es derzeit 70 Pilgerbegleiter:innen im Netzwerk der Spirituellen Wegbegleiter:innen, 20 befinden sich in Ausbildung. Sie begleiten Einzelpersonen und Gruppen, unterstützen beim Entschleunigen und geben Impulse zur ganzheitlichen Wegerfahrung.
Für jene, die selbst erfahrene Pilger:innen sind und gerne Pilgergruppen begleiten möchten: Der nächste Ausbildungslehrgang für Pilgerbegleiter:innen nach christlich-spirituellen Grundlagen beginnt im April 2023 und dauert bis Jänner 2024.
Diözesane Pilgerangebote, Pilgerbegleiter:innen in Oberösterreich und andere Informationen:
www.dioezese-linz.at/pilgerbegleitung