Donnerstag 25. April 2024

Unbekanntes Jägerstätter-Schriftstück entdeckt

Jägerstätter-Tochter Maria Dammer mit dem neu entdeckten Schriftstück

Die Präsentation des neuen Dokuments fand am 20. Mai 2022 im Rahmen der diesjährigen Langen Nacht der Forschung statt.

Ein überraschender Fund in St. Radegund


Das Franz und Franziska Jägerstätter Institut an der Katholischen Privat-Universität Linz präsentierte zum Jägerstätter-Gedenktag ein neues Jägerstätter-Schriftstück. Das Besondere an dem zweiseitigen handgeschriebenen Text sind bereits die Einleitungsworte „Wie kam ich eigentlich auf die Idee nicht einzurücken.“ Das Dokument ist im September 2021 von Willhelm Peterlechner in St. Radegund dem Jägerstätter Institut übermittelt worden. Er ist im Rahmen von Recherchen zu einer Höfechronik in Nachlassmaterialien eines privaten Haushaltes zufällig darauf gestoßen. Das neue Original stammt also nicht aus dem Besitz der Familie oder näheren Verwandtschaft Jägerstätters. Nach Begutachtung von Material, Schriftbild und Inhalt des Briefes stand zweifelsfrei fest, dass es sich tatsächlich um einen Jägerstätter-Text handelt. Unter Umständen ist es einer der letzten Texte, den Jägerstätter vor der Verhaftung am 2. März 1943 verfasste. Dafür spricht, dass er den „Anschluss“ im März 1938 als ein Ereignis erwähnt, das bereits fünf Jahre zurücklag. „Wir können von einem Text sprechen, der einige unbekannte Elemente im uns bekannten Schrifttum des Seligen Franz Jägerstätter aufweist“, erklärt Institutsleiter Dr. Andreas Schmoller. 

 

Verena Lorber, Projektteam Jägerstätter Institut KU Linz
Andreas Schmoller, Leiter Jägerstätter Institut KU Linz
Jägerstätter-Tochter Maria Dammer mit dem neu entdeckten Schriftstück

©  KU Linz/Eder / Erna Putz 


Zwei Seiten voller persönlicher Facetten 


Viele Schriften Jägerstätters beginnen mit einer Frage. Sie sind stets Ausgangspunkt für eine Argumentation oder religiöse Erörterung. Im neuen Text tritt eine andere Ebene in den Vordergrund, nämlich die zeitliche Abfolge: Wie und wann haben die Gedankengänge ineinandergriffen, so dass schließlich für Jägerstätter klar war, dass die Wehrdienstverweigerung moralisch richtig ist und auch nicht der katholischen Lehre widerspricht. So beginnt Jägerstätter damit, dass er vor einem Jahr in etwa mit der Angst erfüllt war, wieder einrücken zu müssen. Sein Ausgangspunkt war dabei, dass es religiös geboten ist, der weltlichen Obrigkeit grundsätzlich zu gehorchen, auch wenn diese nicht christlich sei. „So dachte ich mir auch immer, was sie zum Gesetze machen können, darf mit der Partei nichts zu tun haben, so war ich halt des Glaubens […] was man zum Gesetze macht oder machen kann, folgen zu müssen. Dachte weiters darüber nicht nach…“ Dass es keine Sünde sein kann, wenn er dem Befehl zur Einberufung nicht folgen würde, verdankte Jägerstätter dem Wirken Gottes: „Als ich aber meine Zuflucht zu Gott nahm, […] schickte er mir aber dadurch Rettung …“ Für die Jägerstätter-Biografin Dr.in Erna Putz „betont und unterstreicht Jägerstätter in dieser Aufzeichnung die spirituelle Dimension seiner Entscheidung und gibt damit detaillierter als in ähnlichen Stellen die inneren Kämpfe und gedanklichen Schritte wieder, die zu seiner Verweigerung des Kriegsdienstes in der Deutschen Wehrmacht geführt haben.“ Eine Bestätigung des neuen Gedankens fand Jägerstätter wenig später, als neue Plakate angebracht wurden, wonach der Beitritt zur HJ eine gesetzliche Pflicht für Kinder zwischen 10 und 18 Jahren war. Damit war für ihn der Beweis erbracht, dass der Nationalsozialismus nicht nur Partei war, sondern auch den Staat und seine Gesetzgebung völlig durchdrungen hatte. „Wenn man also auch solches zum Gesetze machen kann, so wurde mir die Sache immer klarer…“ 
Im zweiten Teil des Textes, der gedanklich nicht immer leicht mitzuverfolgen ist, kehren Elemente wieder, die von Jägerstätter bereits bekannt sind. Dennoch stößt man auch hier auf Überraschungen. Jägerstätters Grundgedanke dabei: Da nicht die deutsche Volksgemeinschaft, sondern Österreich unser Vaterland ist, befinden wir uns seit dem „Anschluss“ im März 1938 in Gefangenschaft. Dass nun Gefangene gleich nach der Niederlage bzw. Gefangennahme für eine neue Macht kämpfen sollen und dies dann immer damit legitimiert sei, dass man ja nur der weltlichen Autorität folgen müsse, sei schwer vorzustellen und eigentlich auch historisch unüblich. Neu ist in diesem Zusammenhang auch, dass Franz Jägerstätter als Illustration den Tiroler Freiheitskämpfer Andreas Hofer anführt, der nach seiner Niederlage auch nicht aufgefordert wurde, nun für die Franzosen zu kämpfen. 


Der Wert des Dokuments für die Forschung


Institutsleiter Andreas Schmoller betont: „Der neue Text wirft unser Jägerstätter-Bild klarerweise nicht über den Haufen. Der Inhalt steht im eindeutigen Gleichklang mit den bekannten Jägerstätter-Überlegungen zum gerechten Krieg, zum anti-christlichen Charakter des NS-Regimes und dem Verhältnis zwischen religiöser und weltlicher Obrigkeit. Dennoch erhält das neue Dokument eine eigene Bedeutung für die Jägerstätter-Forschung.“ Spannend ist dies vor dem Hintergrund einer internationalen Entwicklung. Nach 1945 begann die katholische Tradition des Gehorsams im Bereich des Wehrdienstes zu bröckeln. Die Argumente und Beispiele, die dabei von Katholiken vorgebracht wurden, glichen dabei frappant jenen, die Jägerstätter in diesem Text verwendete. Diese inner-katholische Auseinandersetzung brauchte es, damit die katholische Kirche langsam aber doch die Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen (so auf dem 2. Vatikanischen Konzil) zu akzeptieren begann. Jägerstätter war ein wichtiger Baustein hierfür.  


Jägerstätter Institut bei der Langen Nacht der Forschung


Die Präsentation des neuen Dokuments fand im Rahmen der diesjährigen Langen Nacht der Forschung statt. Diese bietet die Möglichkeit, Wissenschaftler:innen bei ihrer Forschung über die Schulter zu blicken. Das Franz und Franziska Jägerstätter Institut nahm im Rahmen der Katholischen Privat-Universität Linz an diesem Event teil. Am Vortag des Gedenktages des seligen Franz Jägerstätter bot sich so die Möglichkeit, das Forschungsinstitut kennen zu lernen.  


Forschungswerkstatt: Digitale Gesamtausgabe


Dr.in Verena Lorber präsentierte in ihrem Vortrag die Arbeit an der digitalen Gesamtausgabe des Jägerstätter-Nachlasses, die auch das neu entdeckte Schriftstück enthalten wird. „Unsere Aufgabe ist es, den Bestand in ein Datenformat zu bringen, welches von Menschen und Computern gelesen werden kann“, so Lorber. Die über 300 Briefe und Postkarten sowie mehrere hundert Textseiten stammen aus allen Lebensphasen Jägerstätters und ermöglichen eine einzigartige Innensicht in seine Lebenswelt und Denkweise. Seiner Frau Franziska ist es zu verdanken, dass die Quellen heute der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung stehen. Verena Lorber, die sich im Bereich der Digital Humanities (=digitale Geisteswissenschaften) spezialisiert, zeigte die Vorteile einer digitalen Edition für Leser:innen und Forscher:innen. Diese bestehen laut Lorber darin, „unterschiedliche Repräsentationsstufen eines Schriftstückes – vom Faksimile über eine buchstabengetreue Version bis zur fehlerfreien Lesefassung – abzubilden. Außerdem erleichtern Such- und Filterfunktionen die Nutzung der Jägerstätter-Quellen“. So kann der Gesamtbestand an Schriften im Internet vielseitig geordnet und vernetzt und somit auch neu beforscht werden. Die Gestalt der Briefe, das Schriftbild, die Verknüpfungen zwischen den verschiedensten Briefkorrespondenzen werden per Mausklick erleb- und sichtbar. Das Besondere an diesem Projekt ist, dass das dialogische Beziehungsgeschehen zwischen Franz und Franziska noch deutlicher zur Geltung kommen werden. Die digitale Edition ist in der Phase der technischen Umsetzung und soll nächstes Jahr online gehen.

 

Weitere Infos zum gefundenen Schriftstück finden Sie im Blog des Franz und Franziska Jägerstätter Institus.

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