Donnerstag 28. März 2024

Theologisch-praktische Quartalschrift: „Gesundheit – Begriff, Phänomen, Konstrukt“

Ausgabe 1/2022 der Theologisch-praktischen Quartalschrift (ThPQ) widmet sich einem Thema, das auch gesellschaftlich in aller Munde ist: der Gesundheit. 

„Bleiben Sie gesund!“ Diese Formel hat sich in den vergangenen beiden Jahren als Bestandteil der Alltagssprache etabliert. Wir verwenden sie nun häufig als Abschiedsgruß, als Schlusssatz von Briefen und Mails oder sogar am Ende der Fernsehnachrichten. Manchmal wird noch ergänzt, Gesundheit sei doch die Hauptsache. Dabei scheinen wir ein gemeinsames Verständnis davon, was Gesundheit ist, vorauszusetzen. Nicht zuletzt in den öffentlichen Diskursen rund um die „Corona-Pandemie“ wurde ein solches geteiltes Verständnis von Gesundheit vorausgesetzt – in diesem Fall gewiss vor allem als Abwesenheit einer schweren Erkrankung. Gesundheit jedoch spielt weit über diese allgegenwärtige aktuelle Herausforderung eine zentrale Rolle für unser Leben und Zusammenleben. Es ist das Anliegen der Redaktion, mit der aktuellen Ausgabe der Theologisch-praktischen Quartalschrift die Vielschichtigkeit von Gesundheit – was wir mit ihr verbinden und wie sie unsere Lebensweisen prägt – genauer zu betrachten. Denn tatsächlich gibt es ganz unterschiedliche Vorstellungen davon, was Gesundheit ist und wie wir unterschiedliche – physische, psychische, gesellschaftliche – Dimensionen der Gesundheit miteinander ins Verhältnis setzen oder voneinander trennen können. Welche weltanschaulichen, religiösen, kulturellen Hintergrundannahmen prägen unsere Rede von Gesundheit? Welche soziologischen, bibel- und systematisch-theologischen, ethischen und philosophischen Perspektiven bedingen und konstruieren letztlich das, was wir als Gesundheit bezeichnen?

 

Cover Theologisch-praktische Quartalschrift 1/2022

 

Den Auftakt bildet eine Skizze der Mehrdimensionalität des Gesundheitsbegriffs aus theologisch-ethischer Perspektive von Matthias Beck (Wien). Grundannahme des Autors ist es, dass Gesundheit nicht ohne Krankheit gedacht werden kann, und so beschreibt er Gesundheit und Krankheit gewissermaßen als korrespondierende Phänomene.

 

Klara-Antonia Csiszar (Linz) zeigt existenzanalytische Zugänge zum Phänomen Gesundheit auf und greift dabei unter anderem auf die Arbeiten von Viktor Frankl zurück. Sie verweist auf die dimensionale Ontologie als anthropologische Grundlage der Dritten Wiener Schule der Psychotherapie und geht der Frage nach, welches Potenzial die Auseinandersetzung mit Frankl für eine Weiterentwicklung der kirchlichen Praxis bereithält.

 

Eine umfassende (praktisch-)philosophische Darstellung des Gesundheitsdiskurses entwickelt Dirk Lanzerath (Bonn) in seinem Beitrag. Er fasst Gesundheit (wie auch Krankheit) als Phänomen, das sich zunächst auf Individuen bezieht, aber auch gesellschaftliche Bedeutung hat. Es gibt einerseits einen physischen Bezug oder „Naturbezug“, der andererseits im Rahmen einer gesellschaftlichen und kulturellen Konstruktion von Gesundheit und Krankheit interpretiert und erschlossen werden muss.

 

Auf eine dramatische historische Veränderung der Gesundheit in der westlichen Moderne weist Manfred Prisching (Graz) hin: Mit den Fortschritten in den Bereichen der Ernährung und der Medizin hat sich die Illusion einer Machbarkeit der Gesundheit etabliert, bis hin zur gesundheitlichen Perfektionierung des Menschen. Die „Corona-Pandemie“ allerdings durchkreuzt sowohl die Machbarkeitsideologie als auch die romantische Naivität einer friedlichen Natur.

 

Thomas Staubli (Fribourg) beschließt mit einem Blick auf die Behandlung des Themas Gesundheit in der Hebräischen Bibel den thematischen Teil dieses Heftes. Auch die Motive einer weit vorindustriellen Kultur zeugen von der anthropologischen Relevanz der Gesundheit und von Ideen einer „gesunden“ Weise des Lebens und Zusammenlebens.

 

Die Beiträge verorten Gesundheit insgesamt in verschiedenen Spannungsfeldern: Offenbar ist es kaum möglich, einen Begriff der Gesundheit unabhängig von dem ihr in einer Art Komplementarität gegenüberstehenden Begriff der Krankheit zu erörtern. Es scheint in vielen Gesundheitsvorstellungen mehr oder weniger vordergründig um die Abwesenheit von Krankheit zu gehen, auch wenn dies nicht notwendig so sein muss. Ein zweites Spannungsfeld ist jenes zwischen individueller und sozialer Dimension: Wir erleben Gesundheit als je einzelne Menschen an oder in unserer je eigenen Physis und Psyche, aber Gesundheit ist nicht einfach „von Natur aus da“, sondern wir konstruieren sie gesellschaftlich; wir verstehen, interpretieren und bestimmen sie anthropologisch, theologisch, philosophisch, soziologisch, kulturell, künstlerisch etc. Und ein drittes Spannungsfeld ist jenes zwischen Praxis und Theorie, entstanden durch das konkrete Erleben einer krisenhaften Situation für die Gesundheit: Mit der „Corona-Pandemie“ wird auch der Diskurs um Gesundheit „neu aufgemischt“. Die Beiträge zeigen fast durchgängig, wir stark die Praxis des Umgangs mit der Pandemie und ihren Begleiterscheinungen die theoretische Auseinandersetzung mit der Gesundheit prägt.

 

Über die thematischen Beiträge hinaus findet sich im Heft ein Aufsatz von Michael Quisinsky, der unter dem Titel „Priester in Poitiers“ den Wandel kirchlicher Praxis angesichts gesellschaftlicher Veränderungen in Frankreich theologisch erörtert. Katja Winkler schließlich reflektiert in ihrem Beitrag tiefgreifende Veränderungen im christlich-sozialen Denken seit der Veröffentlichung der ersten Sozialenzyklika Rerum novarum vor 130 Jahren. Sie wirbt für eine liberale christliche Sozialethik im kritischen Dialog mit der klassischen katholischen Soziallehre.

 

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bestimmt Gesundheit in ihrer berühmten und umstrittenen Definition als „Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen“. Für uns alle spielt Gesundheit eine entscheidende Rolle im Leben, wenngleich aus verschiedenen Gründen und in unterschiedlicher Intensität. Wir alle sind herausgefordert, uns eine Haltung zu unserer eigenen Gesundheit anzueignen. Die Redaktion hat bei der Auswahl dieses Themas nicht in erster Linie an die „Corona-Pandemie“ gedacht. Im Zentrum sollte vielmehr ein eigenständiger Zugang zu der Frage stehen, was Gesundheit eigentlich ist. Dass wir bei diesen Überlegungen aber immer wieder auf die unsere Zeit prägende Pandemie stoßen, ist nicht nur eine beiläufige Wahrnehmung, sondern verweist auf die grundlegende Einsicht: Gedanken zu allgemeinen Phänomenen wie Gesundheit können wir immer nur aus unseren konkreten historischen und sozialen Gegebenheiten und Lebensumständen heraus entwickeln.

 

Univ.-Prof.in Dr. Christian Spieß (für die Redaktion) / Katholische Privat-Universität Linz

 

 

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