Freitag 29. März 2024

Genug für alle!? Kinderarmut in Österreich

Sie hat ein anderes Gesicht als Kinderarmut in Osteuropa oder anderswo. Dennoch ist sie Armut. Zum Tag der Kinderrechte am 20. November 2017, lohnt es sich, einen Blick auf Kinderarmut in Österreich zu werfen.

 

„Mädchen und Buben haben das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard. Der Staat hat dafür zu sorgen, dass es in prekären Situationen Hilfs- und Unterstützungsprogramme gibt.“

(UN-Kinderrechtskonvention Art. 27)

 

Welches Bild entsteht in unseren Köpfen, wenn wir von Kinderarmut hören? Vermutlich ein Bild von einem Kind, dass in einem anderen Teil der Welt aufwächst: in Osteuropa, Lateinamerika oder einem afrikanischen Land. Doch: Kinderarmut gibt es auch bei uns, direkt vor der Haustüre.  Sie hat ein anderes Gesicht und ist dennoch Armut.

 

Armut ist für viele Kinder in Österreich nach wie vor alltägliche Lebensrealität. Obwohl Österreich eines der reichsten Länder der Welt ist, waren im Vorjahr noch immer 18 % der österreichischen Wohnbevölkerung – das sind 1.542.000 Menschen – von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen. Armut heißt oft Nichtteilnahme am Alltagsleben und grenzt nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder aus und verschlechtert ihre Zukunftschancen.

 

Kinderarmut hängt immer mit der Lebenssituation jener Erwachsener zusammen, die für sie verantwortlich sind.

Armut ist mehr, als kein Geld zu haben. Kinderarmut hängt immer mit der Lebenssituation jener Erwachsener zusammen, die für sie verantwortlich sind. © shutterstock.com/Anna Kuhmar

 

Wer ist gefährdet?

 

Besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche aus Ein-Eltern-Haushalten, Familien mit drei und mehr Kindern und Menschen mit Migrationshintergrund. In Österreich sind insgesamt 380.000 Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren von Armut gefährdet. 2016 waren 70.000 Kinder und Jugendliche auf Mindestsicherung angewiesen.

 

Kinderarmut – wie sieht sie aus?

  • Wenn die für ein einfaches alltägliches Leben erforderlichen Mitteln unterschritten werden (Essen, Kleidung, schlechte  und beengte Wohnsituationen, fehlende Heizung etc.).
  • Wenn es an Netzwerken für soziale Integration mangelt
  • (Teilnahme an Freizeitangeboten, FreundInnen treffen, an Schul­veranstaltungen teilnehmen etc.).
  • Wenn Kinder von den für die Entwicklung von Sozial­kompetenz wichtigen Beziehungen abgeschnitten werden (Freizeit­aktionen mit Gleichaltrigen, austauschen können etc.).
  • Wenn Bildungsmöglichkeiten fehlen.
  • Wenn Kinder gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausgesetzt werden.
  • Wenn Kinder von ihren Familien vernachlässigt werden.
  • Wenn sie Gewalt ausgesetzt sind.

 

Armut ist mehr als kein Geld haben

 

Diese Belastungen führen zur Beeinträchtigung des emotionalen, sozialen und physischen Wohlbefindens. Das heißt, dass in Armut lebende Kinder nicht nur die Unterversorgung als traumatisch erleben, sondern auch die Ohnmacht der Eltern, ihre Probleme zu meistern. Das führt zur Schwächung des eigenen Selbstwertgefühls und hemmt die Entwicklung.

 

Wie nehmen Kinder Armut wahr?

 

Ingrid Kromer und Gudrun Horvat setzten sich in ihrer Studie „Arm dran sein und arm drauf sein“ mit dem Armutsverständnis von Kindern auseinander. Sie zeigen, dass Kinder Armut anders wahrnehmen als Erwachsene: Armut heißt für Kinder „mutterseelenallein sein“, „ausgeliefert sein“, „anders sein“ und „verletzbar sein“. Mädchen und Buben sehen das Kinderarmutsrisiko außerhalb ihrer Gestaltungsmöglichkeiten. Aus Kindersicht ist Armut von Kindern geprägt durch Abhängigkeiten von Bezugspersonen, von wohlfahrtsstaatlichen Einrichtungen und von der Umwelt des Kindes.

 

Zum Tag der Kinderrechte am 20. November 2017 lohnt es sich, einen Blick auf Kinderarmut in Österreich zu werfen.

Eine Studie ergab: Kinder nehmen Armut anders wahr, als Erwachsene. © shutterstock.com/Slava Samusevich

 

Die Lebenslage bestimmt auch den Blickwinkel. Armut ist für Kinder meist schwer vorstellbar. Nicht von Armut gefährdete Kinder sagen oft, dass sie keine „armen Kinder“ kennen. Armutsbetroffene Kinder beschreiben Armut häufig anschaulich aus ihrem eigenen Erfahrungsschatz. Doch meist ergänzen sie, andere Kinder zu kennen, die noch „ärmer“ sind. Erkennbar  sei dies für sie am Taschengeld, der Kleidung oder weil die anderen Flüchtlingskinder etc. sind. Die Sicht: „Arm sind die Anderen“ bleibt sogar erhalten, wenn z.B. wegen geringen Einkommens wenig Essen zu Hause oder kein Geld für ein Geschenk vorhanden ist, um auf eine Geburtstagsfeier gehen zu können.

 

Was tun: Forderungen und Konkretes

 

Grundsätzlich sind die Eltern nach ihren Möglichkeiten verantwortlich, für ihre Kinder zu sorgen. Der Staat wiederum muss dafür sorgen, dass es die notwendigen Voraussetzungen für Eltern gibt, ihrer Pflicht nachkommen zu können. Bei Bedürftigkeit hat der Staat Hilfs- und Unterstützungsprogramme vorzusehen. Im Zeitalter der gedeckelten Mindestsicherung fallen vor allem Kinder einem erhöhten Armutsrisiko zum Opfer. „Wer Familienarmut in Kauf nimmt, setzt damit eine Armutsspirale mit Langzeit-Wirkung in Kraft. Denn das ‚Erbe‘ Armut pflanzt sich meistens fort – durch schlechtere Bildungs- und Jobchancen der Kinder“, stellte Caritas-Direktor Franz Kehrer, MAS, bezüglich der Deckelung der Mindestsicherung in Oberösterreich fest.

 

Caritas-Direktor Franz Kehrer:  „Das ‚Erbe‘ Armut pflanzt sich meistens fort – durch schlechtere Bildungs- und Jobchancen der Kinder.“

Caritas-Direktor Franz Kehrer:  „Das ‚Erbe‘ Armut pflanzt sich meistens fort – durch schlechtere Bildungs- und Jobchancen der Kinder.“ © Hermann Wakolbinger

 

Diese betrifft vor allem Mehr-Kind-Familien und verstärkt damit die Armutsgefährdung dieser Kinder und Jugendlichen. Die Sicherung des Kindeswohls ist so nicht mehr gegeben. Die Lebenserhaltungskosten steigen mit der Anzahl der im Haushalt lebenden Kinder. Danach sollten auch Transferleistungen angepasst werden. Immer wieder werden von engagierten Organisationen, wie z.B. der Caritas, gezielte Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie gefordert: eine Arbeit, von deren Einkommen man leben kann und die mit der Kinderbetreuung vereinbar ist. Es braucht also Ausbau in der Quantität und Qualität der Kinderbetreuungseinrichtungen, familienfreundlich gestaltete Arbeitsplätze sowie gezielte Förderungen von Kindern aus betroffenen Familien in der Schule. Das setzte eine Sensibilisierung von PädagogInnen in allen Bereichen, beginnend in der Elementarpädagogik, voraus. Das Verstehen von Ausgrenzungs- und Ungleichheitsprozessen ist eine Grundvoraussetzung für passende Angebote. Leistbares Wohnen ist immer wieder eine Forderung an die Politik, damit die Ausgaben für Wohnen nicht das Familieneinkommen unnötig belasten.

 

Kinder in ihrem Selbstwert zu fördern, Nachhilfe anzubieten, AnsprechpartnerIn zu sein, kostengünstige Freizeitangebote zu schaffen, kann schon eine Hilfe sein.

Kinder in ihrem Selbstwert zu fördern, kann bereits Hilfe sein. © CC0 Pexels

 

In der Pastoral, den Pfarren, den Einrichtungen der Kirche ist es wichtig, ein offenes Ohr für Kinder und Jugendliche zu haben. Kinder in ihrem Selbstwert zu fördern, Nachhilfe anzubieten, AnsprechpartnerIn zu sein, kostengünstige Freizeitangebote zu schaffen, kann schon eine Hilfe sein.

 

Tag der Kinderrechte – 20. November

 

Rund um den Tag der Kinderrechte 2018 fokussiert sich z.B. die Katholische Jungschar auf den Artikel 27 der UN-Kinderrechtskonvention. Um auf das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard aufmerksam zu machen, wird in einem oberösterreichischen Einkaufszentrum ein Kinderzimmer aufgebaut. Es zeigt, was Kinder für eine gesunde Entwicklung brauchen. Die Ausstellungsstücke präsentieren gleichzeitig, woran es vielen Kindern in Österreich fehlt: z.B Teilnahme an Schulveranstaltungen, Zugang zu außerschulischen Freizeitangeboten, ausreichend Nahrung oder ein Ort, an dem die Kinder Privatsphäre erleben. Denn es ist genug für alle da!

 

Mehr zum Thema:

 

www.armutskonferenz.at

www.caritas.at

 

Dieser Artikel erschien im „informiert“, der MitarbeiterInnen-Zeitung der Katholischen Kirche in Oberösterreich, Ausgabe 11/2017. Verfasserin ist Mayella Gabmann.

 

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