„Wir sind einander gegeben, um voneinander zu lernen“
Der Evangelische Kirchentag am 15. Juni in Linz ist die zentrale Veranstaltung im Jubiläumsjahr 2017 anlässlich „500 Jahre Reformation“ in Oberösterreich. Evangelische ChristInnen aus ganz Oberösterreich kamen nach Linz, um gemeinsam zu feiern. Der Tag begann ab 8.00 Uhr bei der Martin-Luther-Kirche im Zentrum von Linz. Um 9.45 Uhr folgte der evangelische Festgottesdienst mit Superintendent Gerold Lehner unter dem Motto „Ihr seid ein Brief Christi“, der auf Einladung der katholischen Kirche auf dem Linzer Domplatz stattfand.
Eröffnung des evangelischen Gottesdienstes auf dem Domplatz durch Pfarrerin Katharina Hagmüller, Superintendent Gerold Lehner und Pfarrer Günther Wagner. © Diözese Linz / Krenn
Zur gleichen Zeit feierte die katholische Dompfarre im Linzer Mariendom mit Bischof Manfred Scheuer und Dompfarrer Maximilian Strasser bereits den Gottesdienst zum Feiertag, der dann mit der Fronleichnamsprozession fortgesetzt wurde. Die Stationen bei den drei Altären waren jeweils zu den Themen „Gesundheit und Wohlergehen“, „Gebet und Kontemplation“ sowie „Frieden und Gerechtigkeit“ gestaltet.
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Die „vierte Station“ der Fronleichnamsprozession war der Domplatz – die Prozession mündete mit dem Ende des evangelischen Gottesdienstes in einer ökumenischen Begegnung, unter dem Motto: „Wir tragen die Botschaft Jesu – sein Evangelium – in die Welt“. Mit den beiden christlichen Kirchen feierten auch Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer, Landeshauptmann a. D. Dr. Josef Pühringer und Bürgermeister Mag. Klaus Luger.
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Das Verbindende feiern
Am Beginn der ökumenischen Begegnung begrüßten Bischof Dr. Manfred Scheuer und Superintendent Dr. Gerold Lehner die jeweils andere Schwesterkirche. Bischof Manfred Scheuer in seinen Grußworten: „Wir leben vom Brot und vom Wort – das verbindet uns, auch zwischen den Kirchen. Wir feiern nicht das, was uns trennt, sondern das, was uns verbindet: die Freude an Gott und die Dankbarkeit für die Gemeinschaft mit ihm.“ Scheuer überreichte dem evangelischen Superintendenten als Gabe eine Altarausgabe der revidierten Einheitsübersetzung „als Zeichen dafür, dass gerade eure Kirche das das Wort Gottes lebendig gehalten hat und dass wir als katholische Kirche von euch viel lernen können“. Superintendent Gerold Lehner in seinen Grußworten an die katholische Schwesterkirche: „Wir freuen uns, dass ihr unserer Einladung gefolgt seid, weil wir eurer Einladung gefolgt sind.“ Lehner hatte seinerseits als Geschenk eine revidierte Übersetzung der Luther-Bibel als Altarausgabe mitgebracht, die er Bischof Scheuer überreichte: „“Es ist schön, dass wir das Wort Gottes in zwei Übersetzungen vor uns haben. Früher standen diese Übersetzungen in Konkurrenz zueinander, heute wissen wir, dass es um die Fülle des Wortes geht.“
Superintendent Gerold Lehner (l.) überreichte Bischof Manfred Scheuer als Geschenk eine revidierte Übersetzung der Luther-Bibel. Dompfarrer Maximilian Strasser (r.) freute sich mit. © Diözese Linz
„Einander annehmen, nicht nur anerkennen“
Nach gemeinsamen Gesängen, Texten und Gebeten brachten Bischof Manfred Scheuer und Superintendent Gerold Lehner in kurzen Ansprachen ihre Freude über das ökumenische Miteinander zum Ausdruck. Lehner: „Bischof Scheuer und ich hätten es uns heute einfacher machen können – jede Kirche feiert für sich, im eigenen ‚Stall‘. Aber mit dem Braven und Gewohnten werden wir nicht weiterkommen in der Ökumene. Wir wollen Grenzen überschreiten und damit zu denken geben, wir wollen Bilder schaffen, die nachgehen. Und: Wir wollen öffentlich sein als Kirchen und Christen. Wir sind einander Grund zur Dankbarkeit und Gehilfen der Freude – wir sind einander gegeben, um voneinander zu lernen.“
Bischof Manfred Scheuer: „Ökumene ist gemeinsames Zeugnis für den Glauben an den dreifaltigen Gott, an den Mensch gewordenen Sohn Gottes, unseren Erlöser und Herrn. Zeugnis im Sinne des Christusbekenntnisses, aber auch im diakonischen, karitativen und auch im politischen Bereich. Denn Ökumene, Christus-Gedächtnis im Geist hat eine zutiefst diakonische, karitative Dimension. Im ökumenischen Miteinander sind wir einander nicht Konkurrenten, sondern wir dürfen einander als noch getrennten Bruder und Schwester auf der Basis der gemeinsamen Taufe annehmen – annehmen, nicht nur anerkennen. Gegenseitige Annahme eröffnet Verwandlung und relativiert die eigene Position. Ökumene wächst, wenn der Reichtum der Gaben des anderen, seine Charismen und Stärken rezipiert werden.“
Gedanken von Bischof Manfred Scheuer zum Nachlesen
Superintendent Gerold Lehner und Bischof Manfred Scheuer. © Diözese Linz
Dank für christliches Engagement in der Gesellschaft
Danach folgten Grußworte von Bürgermeister Mag. Klaus Luger und Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer. Bürgermeister Klaus Luger brachte seine Freude über das Fest mit ökumenischer Begegnung zum Ausdruck: „Noch Mitte des 19. Jahrhunderts war es der evangelischen Kirche aufgetragen, ihre Gebetshäuser 50 Meter entfernt von der Landstraße zu errichten. Heute feiern wir gemeinsam auf dem Vorplatz des Linzer Mariendoms.“ Luger bedankte sich bei der evangelischen Kirche dafür, dass sie Verantwortung trage und Freiheit einmahne – „eine der schwierigsten Aufgaben in der Gesellschaft“. Materieller Wohlstand sei das eine, genauso brauche es aber den Zusammenhalt und das Da-Sein für jene, die das Gemeinwesen und die Kirche brauchten, so Luger. Der Bürgermeister dankte der evangelischen Kirche besonders für die Diakonie, „die in Linz spürbar und sichtbar die Sozialpolitik wesentlich mitträgt“. Er wisse die evangelische Kirche als treue, verlässliche und wenn notwendig auch kritische Partnerin, zeigte sich Luger dankbar.
Landeshauptmann Thomas Stelzer in seinen Grußworten: „Wenn uns etwas besonders wichtig ist, wenn wir uns über etwas sehr freuen, dann kommen wir zusammen. Zusammenhalt ist das Geheimnis von Friede, Freiheit und Wohlstand.“ Stelzer dankte für das Fest und auch dafür, wie es angelegt sei – mit einer Begegnung von katholischer und evangelischer Schwesterkirche. Stelzer: „Die Geschichte der Intoleranz und des Leids wird bei dieser Feier nicht verschwiegen, und das wollen wir auch nicht: Denn was heute verschwiegen wird, ist morgen vergessen. Aber es wird bei diesem Fest darüber hinausgegangen.“ Stelzer dankte allen Gläubigen für ihren Einsatz in der Gesellschaft, etwa in der Bildung, im Sozialbereich, in der Pflege, im Kulturbereich. „Ihr Einsatz ist gelebter Ausdruck Ihres Christseins, der uns allen dient“, so Stelzer.
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Segenswünsche in die ganze Welt gesendet
Nach dem gemeinsamen Schlusssegen durch Bischof Manfred Scheuer und Superintendent Gerold Lehner stiegen 500 Luftballons mit Segensworten in den tiefblauen Himmel über dem Domplatz. Die ökumenische Begegnung endete musikalisch mit dem Lied „Großer Gott, wir loben dich“ und mit „Singet dem Herrn ein neues Lied“ von Felix Mendelssohn Bartholdy, musiziert von ChorsängerInnen aus Linz, Wels, Scharten, Goisern, Rutzenmoos, Steyr und Mauerkirchen sowie von den Posaunenchören Wels und Rutzenmoos unter der Leitung von Franziska Leuschner.
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Danach zog der Festzug, angeführt von "Kohelet3", zum Linzer Landhaus, wo am Nachmittag mit festlicher Vielfalt weitergefeiert wurde: mit Musik, Kabarett, Gesprächen, Diskussionen, Vorträgen, mit Spiel und Spaß für alle Generationen und mit kulinarischen Köstlichkeiten. Alle PassantInnen waren zum Mitfeiern eingeladen. (Infos: www.kirchentag.evang-ooe.at)
"Kohelet3" begleiteten den Festzug zum Linzer Landhaus, wo weitergefeiert wurde. © Diözese Linz
Fronleichnam | Gustav-Adolf-Fest & Evangelischer Kirchentag
Zu Fronleichnam bezeugen KatholikInnen in der Öffentlichkeit ihren Glauben an die bleibende Gegenwart Jesu Christi im Sakrament der Eucharistie. Der Name des Festes leitet sich ab aus dem Mittelhochdeutschen "vrone licham" (Leib des Herrn). In Prozessionen tragen Geistliche Monstranzen mit der als Leib Christi verehrten Hostie durch die Straßen. Das Fest wird seit mehr als 750 Jahren gefeiert: Papst Urban IV. führte Fronleichnam 1264 als allgemeines Kirchenfest ein, 1317 ordnete Papst Johannes XXII. den Donnerstag als Festtag an.
Der Fronleichnamstag ist innerhalb der Evangelischen Kirche in Österreich den Gustav-Adolf-Festen beziehungsweise Evangelischen Kirchentagen gewidmet. Der oö. Kirchentag in Linz stand heuer ganz im Zeichen von „500 Jahre Reformation“ und wurde als großes Fest begangen, das den Bogen von der Martin-Luther-Kirche über den Linzer Domplatz bis hin zum Landhaus spannte. Alle drei sind geschichtsträchtige Orte: Die Martin-Luther-Kirche ist ein Symbol für den Neubeginn und das Erblühen evangelischen Lebens nach dem Toleranzpatent Kaiser Josephs II. (1781). Der Linzer Domplatz steht für die Trennung, aber auch für den hoffnungsvollen Weg der Ökumene, den evangelische und katholische Kirche gemeinsam und voll Zuversicht gehen. Das Linzer Landhaus, das ab 1564 von den evangelischen Ständen errichtet wurde, steht für die Geschichte und Wirkung der Reformation in Oberösterreich. Etwa 300 MitarbeiterInnen trugen als Mitwirkende und HelferInnen zum Gelingen des Festes bei, unter ihnen ein Team aus syrischen und iranischen Flüchtlingen.