Flüchtlinge: Schlierbacher Abt ortet "politische Naivität"
Zur Debatte rund um die "Willkommenskultur" sprach sich der Abt für einen differenzierten Zugang aus: "Einerseits ist ein Willkommen immer angebracht. Andererseits: Zum Willkommen gehört immer das Weiterdenken."
Es gebe eine Verpflichtung, sich um die Armen der Ärmsten zu kümmern. "Aber der Staat, die Kirche, die Gesellschaft muss auch sagen können: 'Wir haben Zukunft für euch.'" Und genau hier liege das Problem, so der Abt: "Es wurde und wird zu kurzfristig gedacht. Die Frage ist, ob man diesen Menschen Heimat, Zukunft, konkret Arbeitsplätze geben kann."
Ein Willkommen all denen, die aus Not und Krieg kommen, könne zwar nie ein Fehler sein, so der Abt, "aber heute alle einzuladen und morgen nicht zu wissen, was mit diesen Menschen eigentlich passieren soll, ist ein klares Zeichen politischer Naivität." Die Folgen seien offensichtlich: Es entstünden Ängste, Wut, Unsicherheit.
Trotzdem sehe er noch kein allgemeines Kippen der Stimmung in der Bevölkerung. Beleg dafür seien für ihn die vielen Beispiele aus der Praxis, wo ein Miteinander gut funktioniert. Das Problem sei aber, "dass die Hilfsbereitschaft im Moment zu wenig Stimme bekommt", da sie auf der Straße nicht so "sichtbar" sei wie Kritik und Gegnerschaft. Thiel: "Hilfsbereitschaft geschieht meist im Verborgenen."
P. Nikolaus Thiel, Abt von Stift Schlierbach. © Jack Haijes
Not dürfe keine Obergrenze haben, so der Abt. Zugleich müsse man aber viel stärker versuchen, die Not in ihrer Quelle zu bekämpfen. Thiel: "Man muss den Menschen dort eine Lebensgrundlage schaffen - und so Fluchtbewegungen verhindern. Woher kommen etwa die Waffen, mit den die Menschen in Syrien ermordet werden? Wer verdient prächtig an diesen Kriegen? Wird da genug getan, damit Friede herrscht? Ich glaube nicht. Es ist eine Herausforderung für die EU."
Zur Frage, ob es ihm ob der Diskussion über Zäune, Obergrenzen und Kürzungen von Sozialleistungen für Asylberechtigte nicht den Magen umdrehe, meinte der Abt wörtlich: "Da kann einem schon schlecht werden, stimmt. Es wird zu extrem gedacht und formuliert. Da ist vieles weit davon entfernt, was wir als Ideal sehen." Er vermisse die Barmherzigkeit in der Politik.
P. Nikolaus Thiel ist seit 12. Februar 2016 neuer Abt des oberösterreichischen Zisterzienser-Stiftes Schlierbach.