Gastfreundschaft, die ankommt
Über 460 Veranstaltungen in mehr als 120 Kirchen von neun christlichen Konfessionen in 35 oö. Orten luden an einem lauen Frühsommerabend zum Mitmachen, Zuschauen, Zuhören und Genießen ein.
Nächtliche BlitzLICHTer aus Linz und Oberösterreich
Über 500 Stunden vielfältiges Programm erwarteten die rund 65.000 BesucherInnen in den Regionen Linz, Wels, Steyr und Seengebiet/Salzkammergut. Besondere Kirchenführungen, Musik aller Epochen und Stilrichtungen, Vorträge, Diskussionen, Lesungen, Film, Tanz, Kabarett, Vernissagen, Meditation und Stille, (interkulturelle) Begegnung, sozial-, gesellschafts- und kirchenpolitische Themen – für jeden Geschmack war etwas dabei. Steppen, Diskutieren, Gebärdensprache kennenlernen, jammen, sich verzaubern lassen, kreativ werden oder einfach genießen – das und vieles mehr hatte die Lange Nacht der Kirchen in ihrer 10. Auflage zu bieten.
Eine ökumenische Nacht: LICHTstrahlen der Hoffnung in den Dunkelheiten des Lebens
Im Linzer Mariendom begann die 10. Lange Nacht der Kirchen mit einem ökumenischen Abendgebet mit VertreterInnen von acht der neun christlichen Kirchen in Oberösterreich, musikalisch gestaltet von der Evangelischen Kantorei. Im Zentrum der Texte, Lieder und Gedanken stand das Licht. Mag.a Helga Schwarzinger, Ökumenereferentin der Diözese Linz, nahm in ihrer Ansprache Bezug auf Psalm 139, dem auch das diesjährige Leitwort der Langen Nacht der Kirchen entnommen ist: „Finsternis wäre für dich nicht finster, die Nacht würde leuchten wie der Tag“. Schwarzinger: „Wohl jeder Mensch kennt Situationen, in denen es Nacht wird, in denen die eigene Welt eng wird und der Blick keinen Hoffnungspunkt erreicht, an dem er sich orientieren könnte.“ Der Beter des Psalms 129 wisse sich auch in diesen dunklen Zeiten von Gott begleitet, geliebt und an der Hand genommen. Schwarzinger ermutigte zum Vertrauen auf Gott und darauf, dass sich auch im größten Dunkel ein Lichtstahl seinen Weg bahnen könne. „Wo unsere Sinne und unsere Vorstellungskraft versagen, ist noch lange nicht alles entschieden. Immer noch kann etwas Unerwartetes, Überraschendes aus dem Chaos auftauchen und sich ausdehnen. Auch die finsterste Dunkelheit ist bei Gott wie der helle Tag.“ Wenn es im Psalm heiße, alles sei in Gottes Buch verzeichnet, so sei damit ein weiter Raum gemeint, „den Gott im Wissen über jeden Menschen im Herzen trägt, um zu unterstützen, zu helfen, zu stärken, zu heilen und neue, bessere Wege zu zeigen“, betonte Schwarzinger.
Ökumenische Vesper im Linzer Mariendom. © Mesic
Eine mystische Nacht: Lichtintervention von Victoria Coeln im Mariendom
Victoria Coeln, Künstlerin und Gründerin des Atelier Coeln, zeichnet für die Lichtintervention CHROMOTOPIA MARIENDOM verantwortlich. Für Coeln war die Arbeit im Linzer Mariendom eine spannende und anregende Herausforderung. Sie griff die Mystik des Lichts und der Farben der historischen Glasfenster auf, um sie in den Kirchenraum zu projizieren. Dabei war ihr wichtig, „nicht alles auszuleuchten, sondern Räume zu bewahren, die Dunkelheit erlauben“. Die entstandenen Kompositionen werden im Kreuzgewölbe, an Innenwänden, Fenstern und Säulen sichtbar. Von 23. Juni bis 23. Juli wird die Außenfassade bespielt.
Lichtintervention von Victoria Coeln im Mariendom. © Mesic
Eine stärkende Nacht: Klostermarkt auf dem Linzer Domplatz
Er ist inzwischen fixer Bestandteil der Langen Nacht der Kirchen: der Klostermarkt auf dem Linzer Domplatz, der heuer zum 6. Mal zum Gustieren, Kosten und Kaufen einlädt. Viele BesucherInnen kamen schon am Nachmittag, um die Klosterköstlichkeiten zu versuchen und sich zu stärken. Auch am Abend war der Markt ein pulsierender Ort der Begegnung und des Gesprächs.
25 Klöster und Ordensgemeinschaften aus Österreich, Deutschland und Ungarn präsentieren ihre Produkte. Bio-Backwaren sind genauso zu finden wie Liköre, Schmuck, Salben und handgearbeitete Besonderheiten. Eine perfekte Einstimmung auf die Lange Nacht der Kirchen und eine gute Möglichkeit, die Wartezeit sinnvoll zu nutzen. Und wer heute keine Zeit hat, beim Klostermarkt vorbeizuschauen, hat auch am Samstag noch Gelegenheit dazu.
6. Linzer Klostermarkt
29. / 30 Mai 2015
Fr., 14.00 - 23.00 Uhr
Sa. 10.00 - 20.00 Uhr
© Mesic
Eine interessante Nacht: Hörenswertes und Lesenswertes
KTU-Rektor Univ.-Prof. Dr. Franz Gruber skizzierte vor etwa 70 BesucherInnen an der Katholisch-Theologischen Privatuniversität (KTU) Linz in seinem Vortrag den neuen Leitungsstil von Papst Franziskus. Sein Anspruch: mit sanfter Macht die Kirche zu leiten – als Autorität, ohne autoritär zu sein. Gruber betonte, schon der Amtsantritt von José Maria Bergoglio am 13. März 2013 habe eine neue Sprache gesprochen: Der Name Franziskus, den bisher niemand zu wählen gewagt hatte, die Bezeichnung als „Bischof von Rom“ und die Bitte an die Gläubigen, für ihn zu beten – „all das deutete bereits auf ein starkes Programm hin“, so Gruber. Papst Franziskus strebe eine „unglaubliche Enthierarchisierung“ an und mache der vatikanischen Hofkultur ein Stück weit ein Ende. „Er hat von Anfang an die Differenzierung in Herrschenden und Dienende unterlaufen – etwa, indem er im Gästehaus wohnen blieb und die Kurienreform angegangen ist“, so der Rektor der KTU. Franziskus‘ Vision sei eine dienende, heilende und barmherzige Kirche, der Zärtlichkeit nicht fremd ist und die die Herzen der Menschen erwärmt. „Franziskus verbindet die Intellektualität des Jesuiten mit dem franziskanischen Ideal der Zärtlichkeit und Menschennähe. Eine Kirche, wie er sie sieht, würde ihre Glaubwürdigkeit wiedergewinnen“, konstatierte der Dogmatikprofessor. Papst Franziskus bejahe klar die Öffnung und den Mut zur Veränderung, der beim Zweiten Vatikanischen Konzil postuliert wurde. Er wünsche sich eine arme Kirche für die Armen und sehe es als Aufgabe der Kirche, von den Armen zu lernen. Seine Kirchenreform bestehe zuerst in einer Reform der Gesinnung, dann erst in einer Strukturreform. Franziskus begeistere die Menschen und die Medien gleichermaßen: „2014 gab es doppelt so viele Rom-Besuche wie 2012; bei den Mittwochs-Audienzen sind bis zu 100.000 Menschen – Franziskus bringt die Menschen auf die Beine“, formulierte Gruber. Ob das Franziskus-Experiment gelingen werde? „Würde es scheitern, wäre das ein Trauma für die Kirche. Aber ich bin überzeugt, dass Franziskus Impulse setzt, die ins 3. Jahrtausend weiterwirken und die der Kirche zeigen, wie sie wieder glaubwürdig sein kann“, so der optimistische Ausblick Grubers.
© Diözese Linz
Radio-Vatikan-Journalistin Gudrun Sailer präsentierte im Bildungs- und Begegnungszentrum „Haus der Frau“ in Linz ihr Buch „Monsignorina – die deutsche Jüdin Hermine Speier im Vatikan“. Die gebürtige Niederösterreicherin arbeitete bei Life Radio und ist seit 2003 Mitarbeiterin bei Radio Vatikan Deutsch. Ihr Buch „Frauen im Vatikan“ erlangte große Aufmerksamkeit. Anfang 2015 erschien ihr zweites Buch über die erste Frau im Vatikan: die Jüdin Hermine Speier. Die deutsche Archäologin wurde 1933 von Hitlerdeutschland von ihrem Arbeitsplatz entlassen und vom Vatikan als Fotoarchivarin angestellt. Die Recherche zum Buch hat für Sailer auch das Bild des Vatikans in Bezug auf Frauen und Judentum verändert und zum Teil korrigiert. Deshalb sei das Buch und der Blick auf Hermine Speier auch besonders wertvoll, so Sailer, die aus ihrem Buch las und mit den BesucherInnen ins Gespräch kam.
V. l.: Bischof em. Maximilian Aichern, Gudrun Sailer und "Haus der Frau"-Leiterin Gabriele Eder-Cakl. © Hasch
Eine spannende Nacht: Wenn Bücher zum Leben erwachen
Wer sich schon einmal gefragt hat, was sich nachts in einer Bibliothek tut, konnte dies hautnah an der Bibliothek der Katholisch-Theologischen Privatuniversität erleben. In alten Büchern abgebildete Persönlichkeiten (dargestellt von Ingo Glückler und Stefan Dorninger) erwachten zum Leben und nahmen die BesucherInnen in kurzen Theaterszenen mit auf eine spannende Zeitreise. So schilderte etwa Johannes Gutenberg anschaulich, wie er seine Methode des Buchdrucks entwickelte. Der niederländische Maler Jan van Huchtenburgh, Hofmaler von Prinz Eugen, ließ die BesucherInnen an seinen Schwierigkeiten teilhaben, Schlachten zu malen und die Biografie von Prinz Eugen mit Landkarten auszustatten. Ein junger Besucher wurde auf die Bühne gebeten und auf einem Bild verewigt.
© Diözese Linz
Eine musikalische Nacht: Exotisches und Berührendes
Ein Keyboard mit den Füßen spielen – geht das? LIZ Müller ist der lebende Beweis. Die Ennserin ist ohne Arme zur Welt gekommen und spielt Keyboard, seit sie 10 ist – mit ihren Füßen. Bei der Langen Nacht der Kirchen begeisterte sie mit ihrer Musik in der Kirche der Barmherzigen Schwestern. Lebens- und Textimpulse kamen von Doris Schulz und Ingrid Koller.
© Diözese Linz
Wie klingt eine Kora? Etliche BesucherInnen der Langen Nacht wissen es jetzt. Der Jesuit Werner Hebeisen hat dieses westafrikanische Instrument – neben vielen anderen – für sich entdeckt und begeisterte die ZuhörerInnen in der Ignatiuskirche (Alter Dom) mit zum Teil selbstkomponierten Stücken auf exotischen Instrumenten.
© Diözese Linz
Ein Besuchermagnet war auch heuer wieder der Auftritt des renommierten Vokalensembles LALÁ, das den Dom in eine meditative Klangoase verwandelte. Der Eindruck, den die Musik hinterließ, wurde durch das mystische Farbenspiel der Lichtintervention von Victoria Coeln noch vertieft.
LALÁ im Linzer Mariendom © Mesic
Eine bewegende Nacht: Von meditativ bis visualisiert
Tanzfreudige kamen im Garten der Marienschwestern vom Karmel in Linz voll auf ihre Kosten: Schwester Huberta Rohrmoser bewegte mit ruhigen und lebendigeren Kreistänzen zu Musikstücken aus aller Welt.
Singen mit den Händen – das konnten Interessierte in der Kirche der Barmherzigen Brüder in Linz kennenlernen. Der Gebärdenchor der Stadtpfarre Urfahr lud dazu ein, das Vaterunser und einfache Lieder in Gebärdensprache zu lernen und mit dem Chor gemeinsam zu „singen“. Visualisierter Klang, der beeindruckte!
© Diözese Linz
Eine nachdenklich machende Nacht: Ausstellung „Bettelposen“
Im Gemeindezentrum der Evangelischen Pfarrgemeinde Linz-Innere Stadt wurde die Fotoausstellung „Bettelposen“ eröffnet. Dieses Projekt von Sozialreferat der Diözese Linz, Pax Christi, Bettellobby Linz und Evangelischer Pfarrgemeinde Linz-Innere Stadt (unterstützt von der Caritas) versucht auf einer künstlerisch-ästhetischen Ebene, Betteln im öffentlichen Raum eine neue Perspektive zu geben. Darüber hinaus gab es die Möglichkeit, mit ArmutsmigrantInnen ins Gespräch zu kommen und sich über deren Situation zu informieren.
© Diözese Linz
Eine chillige Nacht: Heiße Rhythmen in der JamTram
Zu einer Sonderfahrt mit der Jam Tram lud die JugendKircheLinz ein. Zwischen Hauptbahnhof und Mühlreisbahnhof gaben sich Jugendbands im Halbstundentakt die Instrumente in die Hand und jammten in der Bim – zum Zuhören, Mitklatschen und Mitsingen!
© JugendKircheLinz / Hager
Eine historische Nacht: Ein Stück Linzer Diözesangeschichte zum Angreifen
Manche werden sich noch gut daran erinnern: Der langjährige Linzer Bischof Franz Salesius Zauner (1949 – 1982) war auch begeisterter Motorradfahrer – er legte mit seinem Motorrad über die Jahrzehnte über 400.000 Kilometer zurück. Im Linzer Diözesanarchiv konnten bei der Langen Nacht der Kirchen zwei Markenzeichen von Bischof Zauner bewundert werden: sein Motorrad und die sogenannte „Zaunermühle“, ein Vervielfältigungsapparat, den der technisch versierte Priester leistungsfähiger gemacht hatte.
© Diözese Linz
Eine bunte Nacht: Kinder verzieren Kirchenfenster
Hier war kindliche Kreativität gefragt: Um einigen eher schmucklosen Kirchenfenstern zu mehr Farbenpracht zu verhelfen, betätigten sich Kinder in St. Thomas bei Waizenkirchen als kleine GlasmalerInnen. Die entstandenen Kunstwerke aus Window Colours verhelfen so manchem Kirchenfenster zu einem bunten Akzent.
© Haijes
Eine magische Nacht: Vom „Magic Priest“ verzaubert
In die Welt der Zauberei wurden BesucherInnen der Langen Nacht der Kirchen in Schärding entführt. „Magic Priest“ Gert Smetanig (Pfarrer in Burgkirchen und Mauerkirchen) faszinierte Jung und Alt mit seiner Zaubershow. Ganz Mutige aus dem Publikum durften sich als „Zauberlehrlinge“ betätigen und dem Magic Priest bei seinen Kunststücken hilfreich zur Seite stehen.
© Haijes
Lange Nacht der Kirchen in ganz Österreich
Mehr als 740 Kirchen in ganz Österreich öffneten am 29. Mai 2015 zur Langen Nacht der Kirchen ihre Pforten. Von 18 Uhr bis nach Mitternacht standen zwischen Bodensee und Neusiedlersee insgesamt mehr als 3.000 Veranstaltungen auf dem Programm, darunter Konzerte, Ausstellungen, Podiumsdiskussionen, Workshops, Lesungen und viele unterschiedliche spirituelle Angebote. In etlichen Gotteshäusern waren sonst öffentlich nicht zugängliche Orte wie Kirchtürme, Krypten oder Sakristeien für die BesucherInnen geöffnet. Auch viele Ordensgemeinschaften gewährten exklusive Einblicke hinter die Klostermauern.