Wo bleibt die Menschlichkeit im Umgang mit Flüchtlingen?!
Impuls von Thomas Schlager-Weidunger, links die Musikgruppe Widerstand © KMB
WallfahrerInnen von Vorarlberg bis ins Burgenland sowie von Deutschland bis Syrien kamen am 16. Mai 2015 zur Sternwallfahrt nach St. Radegund zum Gedenken an Franz und Franziska Jägerstätter. Miteinander kamen sie über die Aktualität Jägerstätters ins Gespräch: Erinnerungskultur, Neoliberalismus, Flüchtlingspolitik.
Die Ankommenden wurden mit einer orientalisch-innviertlerischen Stärkung erwartet, die der Fairtrade Arbeitskreis Ostermiething gemeinsam mit den Asylgästen, die in Ostermiething untergebracht sind, vorbereitet hatte.
Für die geistige Nahrung sorgte der Impuls des Historikers und Jägerstätter-Experten Dr. Thomas Schlager-Weidinger. Seine Analyse der Erinnerungskultur im Nachkriegsösterreich mündete in den aufrüttelnden Appell: „Trotz Abwehr, Verdrängung und Verleugnung muss die NS-Zeit Teil unseres Erinnerns und Gedenkens bleiben. Werden Sie aktiv: Stöbern Sie in Ihrer eigenen Familiengeschichte nach – nicht um zu verstecken sondern um zu verstehen.“ Gleichzeitig mit dem Auftrag uns zu erinnern, schlägt Schlager-Weidinger vor, sich mit Jägerstätter in der aktuellen Flüchtlingsdebatte auf die Seite der Menschlichkeit zu stellen. Ein menschenverachtendes Wirtschaftssystem des Neoliberalismus, das „den Menschen auf das Faktum der Humanressource reduziert“, darf nicht Maßstab für unser christlich-soziales Handeln sein.
Die Asylgäste Anas Tissawi und Mohammad al Awad unterstrichen mit ihren Statements eindrucksvoll, dass sich kein Flüchtling grundlos auf den lebensgefährlichen Weg aus der Heimat macht. „Wir wollen in Frieden und Sicherheit leben. Es tut sehr weh, zu wissen, dass ich meine Familie zurücklassen musste, aber ich kann nicht für das Assad-Regime kämpfen“, so Anas. Es verwundert nicht, dass die Asylgäste aus Syrien sich im Deutschunterricht sofort dem Schicksal Jägerstätters identifizieren konnten.
Beim anschließenden Friedensweg zum Denkmal Franz Jägerstätters sammelten die WallfahrerInnen ihre Anliegen, die sie dem seligen Franz anvertrauen wollten. Jede und jeder konnte eine Kerze am Denkmal entzünden.
Der Abschlussgottesdienst konnte mit Andreas Jakober, dem geistlichen Assistenten der Katholischen Männerbewegung Österreichs, im Freien auf der Wiese vor dem Jägerstätterhaus zelebriert werden. Festprediger Diakon Dr. Paul Röttig hob dabei eindrucksvoll hervor, dass Franz Jägerstätter exemplarisch gehandelt hat, niemals aber egoistisch. Franz Jägerstätter ist nicht zu denken ohne Franziska. Eigentlich hätten beide gemeinsam selig gesprochen werden müssen!
Katholische Männerbewegung, Schönleitner (ej)