Freitag 19. April 2024

Wenn trotz Unheilbarkeit manches heil wird

Seit 15 Jahren werden todkranke Menschen auf der Palliativstation der Barmherzigen Schwestern in Linz liebevoll auf ihrem letzten Weg begleitet. Das Gründungsjubiläum dieser Einrichtung wurde am 12. März 2015 mit einer Festmesse im Linzer Mariendom begangen.

Im Jahr 2000 wurde im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Linz die Palliativstation St. Louise gegründet. 15 Jahre später ist die anfangs mit Skepsis betrachtete Einrichtung eine etablierte Station der Krankenhauskultur – und der Palliativgedanke verankert sich auch im Bewusstsein der Öffentlichkeit. Für den Orden der Barmherzigen Schwestern, die Krankenhausleitung und Oberarzt Dr. Johann Zoidl mit seinem Team Grund genug für einen dankbaren Rückblick auf 15 Jahre Begleitung von sterbenden Menschen und ihren Angehörigen. Mit den zahlreich erschienenen Festgästen feierten Bischof Ludwig Schwarz und Krankenhausseelsorger Pfarrer Franz Gruber den Festgottesdienst, der mit der „Kleinen Orgelsolomesse“ von Joseph Haydn musikalisch gestaltet wurde. Der Gottesdienst stand unter dem Thema: „Gewachsen wie ein Baum“. Verdeutlicht wurde dies durch einen Baumquerschnitt mit etlichen Jahresringen und mehrere kleine Bäumchen im Altarraum.

 

 

Das Thema des Gottesdienstes: "Gewachsen wie ein Baum"
Festgottesdienst im Linter Mariendom
Ein eigens für das fest zusammengestellter Chor sang unter der Leitung von Paula Schwarz
Viele Festgäste waren der Einladung in den Mariendom gefolgt.

 

 

Der „Baum Palliative Care“ soll weiterwachsen

 

In seinen einleitenden Grußworten verglich der Leiter der Palliativstation, Oberarzt Dr. Johann Zoidl, die Palliativstation mit einem jungen Baum, der trotz seines zarten Alters bereits gut verwurzelt sei, auch wenn der Boden manchmal steinig gewesen sei. Damit ein Baum gedeihe, brauche es einen Setzling, so Zoidl, der Schwester Ernestine Kirchgrabner dafür dankte, dass sie den Palliativgedanken aufgegriffen und im Krankenhaus eingebracht hatte. Viele Menschen innerhalb und außerhalb des Krankenhauses hätten den „Baum Palliativstation“ gehegt und gepflegt, sodass inzwischen ein kleiner „Palliativ-Care-Wald“ entstanden sei. „Es wird heute viel diskutiert über die Würde am Ende des Lebens. Das Thema Palliativ Care wird der Gesellschaft und den politischen EntscheidungsträgerInnen immer mehr bewusst. Alle sind sich einig, dass der Baum weiterwachsen und der Palliativgedanke flächendeckend umgesetzt werden soll“, betonte Zoidl. Der Mediziner unterstrich, das Angebot der Palliative Care werde trotz aller medizinischen Errungenschaften immer wichtiger werden. „Unsere Arbeit ist sinnstiftend – wir geben viel, aber wir bekommen auch viel zurück. Mich persönlich leitet die Arbeit mit sterbenden Menschen zum Leben – zum Leben im Hier und Jetzt“, so Zoidl.

 

Dr. Johann Zoidl

Dr. Johann Zoidl. © Diözese Linz

 

Spiritualität der Barmherzigen Schwestern als lebendige Mitte

 

Der 12. März ist der Festtag der hl. Louise von Marillac (1591 – 1660), die gemeinsam mit dem hl. Vinzenz von Paul den Orden der Barmherzigen Schwestern begründete. Bischof Schwarz entfaltete in seiner Predigt das Leben der Heiligen, die ihr Leben den Armen, Kranken und Notleidenden widmete. Die Gemeinschaft der „Dienerinnen der Armen“, die sie gründete, wurde 1655 zur Kongregation der „Barmherzigen Schwestern“ – heute die weltweit größte weibliche Ordensgemeinschaft der katholischen Kirche. Bischof Schwarz würdigte die Arbeit von Oberarzt Zoidl und seinem Team: Der Same, der vor 15 Jahren gepflanzt wurde, sei gut aufgegangen. Wenn man den Querschnitt eines Stammes ansehe, seien da Jahresringe mit so manchem Riss. „Die Mitte ist die Spiritualität der Barmherzigen Schwestern: der Glaube an Gott und die hingebungsvolle Zuwendung zu Kranken und Sterbenden – und diese Mitte bleibt wirksam und lebendig“, so Schwarz.

 

 Festgottesdienst im Linzer Mariendom

Diözesanbischof Dr. Ludwig Schwarz. © Herbe / Krankenhaus Barmherzige Schwestern Linz

 

 

Fragen und Nöte von Sterbenden ernstnehmen

 

Bischof em. Maximilian Aichern, in dessen Amtszeit als Bischof die Gründung der Palliativstation fiel, formulierte berührende Dankesworte am Ende des Gottesdienstes. „Wir können den Tod nicht aus der Welt schaffen, aber wir können ihm aber seinen Schrecken ein wenig nehmen. Wir können den Betroffenen helfen, ihn als Tor zur Lebenserfüllung zu erfahren. Wir können bei ihnen bleiben und sie begleiten.“ Der letzte Lebensabschnitt sei die Gelegenheit, sich zentrale Fragen zu stellen, für die vorher nie Zeit gewesen sei. „Das Lebensende lenkt den Blick auf das Wesentliche. Die Wahrung der Würde jedes Menschen ist dabei eine große Hilfe. Die sterbenden Menschen und ihre Angehören sind dankbar für die liebevolle Zuwendung, die sie in dieser Zeit erfahren“, so Aichern. Die Sorge für todkranke Menschen umfasse nicht nur eine intensive pflegerische Betreuung, sondern auch die spirituelle und menschliche Begleitung. Er wisse durch Gespräche mit Angehörigen von bereits Verstorbenen, wie segensreich das Wirken des Teams der Palliativstation sei, betonte Aichern. Die Menschen wüssten sich in ihrer Not ernst- und angenommen. Er würdigte die Palliativstation St. Louise als Ort, an dem Schwerkranke und Sterbende in Würde die letzte Zeit ihres Lebens verbringen dürfen und wo die Lebensqualität bis zum Lebensende im Vordergrund steht.

 

 

Auch Bischof em. Aichern war unter den Gästen.
Bischof em. Aichern würdigte die Arbeit auf der Palliativstation.

 

 

Palliativstation St. Louise: Lebens-Hilfe bis zur letzten Stunde

 

„Der Not der Zeit begegnen“ – diese Grundaussage des Ordensgründers hl. Vinzenz von Paul trägt auch die Arbeit in der Palliativstation St. Louise, die im Jahr 2000 im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Linz gegründet wurde. Palliativstationen lassen sich zurückführen auf die Hospizbewegung, deren Gründerin Cicely Saunders davon überzeugt war, dass das Leben eines jeden Menschen bis zum letzten Atemzug sinnvoll ist und es darum gehen muss, es so gut und angenehm wie möglich zu gestalten. Die Arbeit auf der Palliativstation ist geprägt vom christlichen Menschenbild, das die unverlierbare Würde jedes Menschen in den Mittelpunkt stellt. Ziel ist ein möglichst selbstbestimmtes Leben in Würde bis zuletzt. Es geht nicht mehr um Heilung, sondern um Linderung von Schmerzen und Symptomen und um die Verbesserung der augenblicklichen Lebensqualität. Die PatientInnen und Angehörigen werden in sämtliche Entscheidungen eingebunden, die die Pflege und Betreuung betreffen. Angehörige können im Krankenhaus übernachten und werden bei Pflegehandlungen einbezogen, etwa beim Eincremen oder bei einer Massage. So erfahren sie, dass eine Beziehung auch durch Berührung bis zum Tod gestaltet werden kann – auch wenn der Sterbende nicht mehr sprechen kann.

 

Im Krankenhaus selbst und darüber hinaus fördert die Palliativstation das Verständnis dafür, dass nicht um jeden Preis alles medizinisch Mögliche getan werden muss, sondern dass ein schwerkranker Mensch auch noch ein Recht auf Lebensqualität hat. Eine palliativmedizinische Behandlung bedeutet nicht Therapieabbruch, sondern eine Änderung des Therapieziels: Anstatt Lebensverlängerung steht die Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund. „Von den ÄrztInnen erfordert das den punktuellen Abstand von der so selbstverständlichen Heilerrolle und das Übernehmen einer einfühlsamen Begleiterrolle“, präzisiert Oberarzt Dr. Johann Zoidl. Wichtig dabei ist die offene Kommunikation mit den ÄrztInnen der anderen Abteilungen und mit den betroffenen Menschen. Wird eine Therapie, die nicht mehr hilft, abgesetzt, bleibt Zeit und Raum für Wichtiges, wie etwa die Aussöhnung des kranken Menschen mit sich selbst, mit Lebensthemen, mit Familienmitgliedern. „Wir erleben immer wieder, wie vieles in den letzten Tagen oder Stunden vor dem Sterben noch ‚heil‘ werden kann“, so Oberarzt Dr. Johann Zoidl.

 

„Oft sagen PatientInnen, dass die Zeit auf der Palliativstation die schönste in ihrem Leben ist – weil sie hier bedingungslos angenommen und ernst genommen werden, niemand etwas von ihnen erwartet, sie niemandem mehr entsprechen müssen“, schildert Zoidl seine Erfahrungen. „Wenn die letzte Lebensphase so verläuft, wie es dem tiefsten Inneren eines Menschen entspricht, kann vieles von einem zuvor unglücklich verlaufenen Leben geheilt werden.“ Der Leiter der Palliativstation hat schon oft erlebt, wie dankbar PatientInnen am Ende ihres Lebens werden: weil Versöhnung noch möglich war, weil Kleinigkeiten wie eine Fußmassage oder ein Stück Eigenständigkeit zum Geschenk werden.

 

In der letzten Lebensphase werden die psychosoziale und spirituelle Dimension von Leiden deutlich sichtbar. Mit dem Gedanken der „Unheilbarkeit“ konfrontiert zu sein und dem Ende des eigenen Lebens entgegenzusehen, ist für Betroffene und ihre Angehörigen oft schwer anzunehmen. Da braucht es Zeit, Zuwendung und emotionale Unterstützung. Ein multiprofessionelles Team aus MedizinerInnen, Pflegefachkräften, PsychologInnen, TherapeutInnen, DiätologInnen, SeelsorgerInnen etc. kann den vielfältigen Bedürfnissen sterbender Menschen optimal begegnen. Unterstützt werden sie von ehrenamtlichen MitarbeiterInnen – Ordensschwestern, aber auch anderen Menschen, die Zeit schenken. Wichtig ist auch die Kooperation mit verschiedenen Einrichtungen, Diensten und Gruppen (Überleitungspflege, Alten- und Pflegeheime, niedergelassene MedizinerInnen, mobile Hospizdienste, Sanitätseinrichtungen, TherapeutInnen).

 

Dr. Johann Zoidl mit seinem Team

Oberarzt Dr. Johann Zoidl und sein Team. © Krankenhaus Barmherzige Schwestern Linz

 

Auf der Palliativstation darf alles sein: die Angst vor qualvollen Schmerzen und vor dem Sterben, die Überforderung, das Nicht-loslassen-Wollen, Schuldgefühle. Die MitarbeiterInnen nehmen sich Zeit, hören zu, sind da und begleiten. Wenn das Sterben naht, stehen Familienmitgliedern Raum und Zeit für das Abschiednehmen zur Verfügung – und sie werden durch hilfreiche Rituale und Gesprächsangebote unterstützt.

 

Wie hilfreich die Begleitung von Angehörigen auf der Palliativstation erlebt wird, schildert der Bericht eines Betroffenen, der gemeinsam mit seiner Tochter seine Frau beim Sterben in den Armen gehalten hat: „In einer belastenden Phase der Endlichkeit des Lebens sind wir auf der Palliativstation der Unendlichkeit der Liebe zum Mensch-Sein begegnet. Getragen von Offenheit, Vertrauen, Verständnis, Hingabe, Menschlichkeit, Lebendigkeit und Geborgenheit war es uns möglich, das Hier und Jetzt unserer Situation trotz der Unfassbarkeit und Endgültigkeit zu akzeptieren und uns immer wieder auf das Leben zu konzentrieren.“

 

Ähnlich sind die Erfahrungen einer Frau, deren Mutter auf der Palliativstation verstorben ist: „Die ehrliche Mitteilung, dass die Mama womöglich in den nächsten Stunden sterben könnte, hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich war absolut nicht vorbereitet auf einen plötzlichen Abschied, auf Sterben und Begleiten. In diesem Moment war ich nicht einmal in der Lage, zu meiner Mama alleine ins Zimmer zu gehen. Die Angst war zu groß und ich wollte eigentlich nur davonrennen. In einem sehr liebevollen und verständnisvollen Gespräch hat mich die Ärztin so weit vorbereitet, dass ich dann am Bett meiner Mama saß, weinte, ihre Hand hielt und mit ihr redete. Für mich war es kaum aushaltbar, dass es für die Mama keine heilende oder lebensverlängernde medizinische Versorgung mehr gab. Bei euch habe ich gelernt, den Tod zu akzeptieren, ihn ins Leben zu integrieren und das Leid des Sterbenden nicht künstlich in die Länge zu ziehen. Also einen Menschen in Würde gehen zu lassen und sich zu verabschieden.

 

Dr. Johann Zoidl am Krankenbett

Dr. Johann Zoidl am Bett eines todkranken Menschen. © Werner Harrer

 

 

Seelsorge auf der Palliativstation: Aushalten und mitgehen

 

Mag.a Christiane Roser, Leiterin der Krankenhausseelsorge bei den Barmherzigen Schwestern in Linz, hat langjährige Erfahrung in der Begleitung von schwerkranken Menschen und ihren Angehörigen. „Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf die Nachricht, dass sie sterben werden. Manche werden traurig, andere verstummen, wieder andere werden ärgerlich bis hin zur Aggression, viele beginnen nachzudenken – über ihr Leben, ihre Familie, über das, was gelungen ist und was vielleicht verkehrt war. Fragen nach dem Woher und Wohin tauchen auf und oft sind diese Fragen quälend. Es stellt sich auch die Frage nach dem Sinn des Leidens, nach einem Gott, der dieses Leiden zulässt.“ Die SeelsorgerInnen sprechen mit den Menschen über diese existentiellen Fragen, hören ihnen zu. Oft ist es schon erleichternd, offen reden und auch klagen zu dürfen, jemanden zu haben, der aushält und mitgeht, weiß Roser. „Im aufmerksamen Dasein für die Menschen versuchen wir, Zeugnis zu geben von einem Gott, der versprochen hat, alle Wege mitzugehen.“

 

Zusätzlich braucht es Sensibilität gegenüber individuellen Vorstellungen und Bedürfnissen und die Achtung vor anderen Religionen und Glaubensgemeinschaften. Die SeelsorgerInnen versuchen, Bedingungen dafür zu schaffen, dass einzelne Menschen ihren letzten Lebensabschnitt auf dem Boden ihrer je eigenen Lebens- und Wertorientierung gehen können. Auch sie macht immer wieder die Erfahrung, wie dankbar die meisten Menschen – unabhängig von ihrem kirchlich-religiösen oder weltanschaulichen Hintergrund – auf seelsorgliche Angebote, Gespräche, ein Gebet oder ein Ritual reagieren.

 

Roser sieht die Begegnung mit dem Tod als eine außerordentlich herausfordernde Aufgabe, die auch belastet und traurig macht: „Besonders wenn ich sehe, wie Beziehungen abgerissen werden, Hoffnungen auf eine gemeinsame Zukunft zerstört werden, Männer/Frauen/Kinder/Ehepartner alleine zurückbleiben und nicht wissen, wie ihr Leben alleine weitergehen kann.“ Die MitarbeiterInnen der Palliativstation müssten sich der Aufgabe stellen, sich auf die Menschen in ihren Sterbeprozessen einzulassen. Roser schildert aber auch viele Glücksmomente, die sie in ihrer Arbeit erlebt: „Wenn ich zufällig in ein Zimmer komme, weil ich noch Zeit für einen Besuch habe und sich aus dieser Situation ein intensives Gespräch ergibt und ich anschließend den Eindruck habe, zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein. Oder wenn ich im Kreis der Angehörigen eine Verabschiedungsfeier leite, in der noch einmal Abschied genommen werden kann, Zeit für letzte Worte und Gesten ist. Unabwendbares begriffen und verstanden wird.“

 

V. l.: Bischof em. Dr. Maximilian Aichern, Sr. Ernestine Kirchgrabner, Dr. Johann Zoidl, NRin Claudia Durchschlag, Bischof Dr. Ludwig Schwarz und Pfarrer Franz Gruber.

V. l.: Bischof em. Dr. Maximilian Aichern, Sr. Ernestine Kirchgrabner (Oberin Barmherzige Schwestern Linz), Dr. Johann Zoidl (Leiter Palliativstation), NRin Claudia Durchschlag (in Vertretung von LH Dr. Josef Pühringer) Bischof Dr. Ludwig Schwarz und Pfarrer Franz Gruber (Krankenhausseelsorger Barmherzige Schwestern Linz). © Herbe / Krankenhaus Barmherzige Schwestern Linz

 

 

Zur Website der Palliativstation im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Linz

 

(be)

 

Zukunftsweg
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