Sport: Ein kleines, religiöses Emotions-Beben …
Die Fußball-Europameisterschaft geht von 10. Juni bis 10. Juli in Frankreich mit österreichischer Beteiligung über die Bühne. Die Olympischen Sommerspiele finden im Zeitraum von 5. bis 21. August in Brasilien statt.
Sport transportiert Gefühle
Religion und Sport haben einen gemeinsamen Ursprung, der sich wie ein roter Faden durch die Sportgeschichte zieht. Die Wurzeln des Sports liegen in der Antike, in der Hervorbringung von sportlichen Wettkämpfen aus dem Kultischen heraus. Mit der Wiederbegründung der olympischen Spiele der Neuzeit 1896 durch Pierre de Coubertin wurden diese Elemente wieder aufgegriffen. Die Bedeutung des Sports lag nicht nur in der körperlichen Ertüchtigung, sondern auch im pädagogischen und erzieherischen Bereich. Sport braucht eine gewisse religiöse Überhöhung, um in einen Status zu kommen, der Menschen tief in ihrem Inneren ansprechen kann. Der Sport dient nicht nur der Leibesertüchtigung, sondern es schwingen auch Werte mit.
Zoidl meint: „Sport transportiert auch, vielleicht weit über das Gewöhnliche hinausgehend, nationale Gefühle. Besonders aktuell ist das nun bei der Fußball-Europameisterschaft. Österreich ist heuer seit langer Zeit wieder einmal aus eigener Kraft dabei. Daher ist eine gewisse Euphorie zu erwarten, die man auch schon spürt.“ Weiters erklärt er: „Gerade im Fußball werden religiöse Rituale natürlich auch ganz bewusst gepflegt, um eine Erhöhung zu manifestieren. Außerdem stammen viele Weltfußballer wie Messi, Ronaldo und Co aus Südamerika oder südeuropäischen Ländern, die sich aufgrund ihrer Herkunft wie selbstverständlich bekreuzigen, und das natürlich auch vor einem Fußballspiel. Diese Sportler bringen viele religiöse Elemente und persönliche Bekenntnisse mit ein. Die Vorbildwirkung dieser Stars überträgt sich und so bekreuzigen sich auch viele einheimische Nachwuchsfußballer, wenn sie das Spielfeld betreten.“
Mag. Christian Zoidl ist Pfarrer in Linz-Hl. Familie und als Diözesansportseelsorger Präsident der Diözesansportgemeinschaft Linz (DSG). © privat
Heiliger Rasen und Fußball-Gott
Die Vorbildwirkung von Sportstars ist unumstritten gegeben. Dennoch ist Vorsicht geboten mit religiösem Fundament und Hintergrund. Religion und Glaube sind eine persönliche Sache und sollten nicht als Mittel zum Zweck missbraucht werden. Der Grat zwischen religiöser Involvierung und Übertreibung auf der einen Seite und den Begrifflichkeiten und Ritualen auf der anderen Seite ist ein schmaler. „Der heilige Rasen, die Bezeichnung eines Fußballers als Fußball-Gott, diese sprachlichen Begriffe rücken die Dinge ins Himmlisch-Transzendente. Das zieht natürlich, hört sich gut an. Aber eigentlich entspricht dem nicht so viel, wie es nach außen aussieht“, gibt sich Zoidl durchaus kritisch.
Der Heilige Rasen − ein Begriff, den ReporterInnen gerne verwenden, wenn vom Fußball die Rede ist. © shutterstock/Lukasz Libuszewski
Bei einem sportlichen Großereignis, wie nun jenem der Fußball-Europameisterschaft, kann man erstaunliche Phänomene beobachten. Menschen, die ansonsten wenig mit Fußball in Berührung kommen, treffen sich im Kollektiv, um gemeinsam bei einem Spiel mitzufiebern. Der Versuch eine private Feier zeitgleich mit einem Spiel der österreichischen Mannschaft anzusetzen, würde in den meisten Fällen kläglich scheitern. Wie ist dieses Phänomen zu erklären? Zoidl meint: „Hier sind wir beim Kern der Geschichte. Sport kann eine sehr attraktive Angelegenheit sein, weil Emotionen angesprochen werden, die in anderen Lebensbereichen oft wenig geworden sind. Menschen in ihrem Innersten zu erfassen, sich mitreißen lassen, eine Gefühlspalette von himmelhochjauchzend bis tief traurig, komprimiert bei einem Fußballspiel in 90 Minuten. Das lässt die Seele von vielen Menschen in kräftige Schwingung kommen. Wenn man diese Emotionen dann auch noch mit anderen teilen kann, ist das schon ein Ausdruck von Lebendigkeit. Der vorgegebene Zeitrahmen lässt eine totale Hingabe an das Spiel zu. Auch selber kann ich mich sehr deutlich erleben in solch einer Situation. Das Eintauchen, das Sich-Packen-Lassen vom Spielverlauf. Auch für einen religiösen Menschen kann das durchaus ein kleines, religiöses Beben verursachen.“
Sport begeistert nicht nur SportlerInnen. Auch wer zusieht, lässt sich packen, fiebert mit, hofft und leidet oder genießt den Freudentaumel. Angehörige von SportlerInnen sind vor und während eines Wettkampfes oft nervöser als die Akteure selbst, denn wer „nur“ zusieht, kann nichts weiter tun, als beten und die Daumen halten. © shutterstock/Oleksii Sidorov
Ideale und Sport-Prinzipien
Die wichtigsten Sport-Prinzipien − Fairness, Respekt und Teamgeist − sind Ideale, die für die gesamte Gesellschaft und das persönliche Leben übertragbar und von zentraler Bedeutung sind. Dennoch ist es kritisch, wenn diese sportlichen und gesellschaftlichen Ideale überzogen dargestellt und idealisiert werden. „Ich glaube, dass jeder Sportler, auch ein Mannschaftssportler, letztlich für sich selbst spielt. Der Teamgeist spielt eine Rolle, um einen Erfolg einzufahren, aber letztlich spielt jeder für sich selber und seinen eigenen Erfolg. Über die Medien transportiert, spielt er natürlich auch für Österreich und für die Ideale des Sports an sich. Für das funktionierende Leben in einer Gesellschaft ist die Beachtung von Regeln notwendig. Denn nur so funktioniert das Spiel und auch das Leben. Wir reagieren nicht umsonst besonders allergisch, wenn z.B. beim Fußball ein Regelverstoß nicht geahndet wird oder wenn es vorkommt, dass man sich durch Unfairness ein Tor erschleicht. Auch im Alltag kommt es immer wieder zu Regelverstößen. Sport kann hier also einerseits bei Beachtung der Regeln eine Vorbildwirkung haben, andererseits stehen die SportlerInnen auch unter enormem Druck, alle Mittel, die zum Erfolg führen, auszuschöpfen. Da gehört das taktische Foul, wie im normalen Leben, leider auch manchmal dazu“, fasst Zoidl zusammen.
Diözesane Sportgemeinschaft
Am 14. Oktober 2016 wird ein Doppeljubiläum gefeiert − 60 Jahre „Kirche und Sport“ und 65 Jahre „Diözesansportgemeinschaft Österreich“. Diese beiden Gremien setzen sich in der Diözese mit den Themenbereichen Sport und Kirche auseinander. Die diözesane Sportgemeinschaft gibt es in fast allen Diözesen. Seit nunmehr 65 Jahren leisten eigene DSG-Vereine praktische Sport-Arbeit. „Kirche und Sport“ verfolgt pastorale Ziele. Die Gründerväter haben im Jahr 1956 versucht über den Sport die Jugend an die Kirche heranzuführen. Neue Akzente im Bereich Kirche und Sport setzen auch Papst Franziskus und Bischof Manfred Scheuer, die beide sportbegeistert sind. Der gesellschaftlich bedeutsame Sport-Bereich sollte pastoral nicht vernachlässigt werden. Wenn man sich auf sportlich pastorale Wege begibt, hat man viele Chancen, die Gemeinschaftsbildung zu stärken und die Kommunikation zu fördern, z.B. innerhalb einer Pfarrgemeinde. „Sport kann gerade in Sachen Kommunikation Wertvolles leisten, weil im Sport allfällige Hemmschwellen schnell abgebaut werden. Bei den beliebten Bergwochen nehmen Menschen teil, die über den gemeinsamen Sport auch ein Art Transzendenz-Erlebnis suchen. Am Berg ist man per Du, das baut Barrieren sofort ab. Das sehe ich als eine große Stärke des Sports. Daher gründet auch unser Engagement in dieser Richtung, so manches sportliche Element in die Pfarrgemeindearbeit einzubauen. Die große Boomzeit der DSG-Vereine ist allerdings vorbei. Der Glaube, über den Sport Kirche attraktiv machen zu können, funktioniert in dieser Form nicht mehr. Wir haben ein wenig Sorge bezüglich des Funktionärsnachwuchs. Es ist nicht so leicht, Engagierte zu finden, die einen Fuß sowohl im Sport, als auch in der Kirche haben und mit diesen beiden Füßen gut unterwegs sind. Es gibt aber natürlich auch Vorzeigeprojekte, wie z.B. die Pfarre Pfandl in Bad Ischl, wo der DSG-Verein und die Pfarre ganz klar im Miteinander agieren“, bescheinigt Zoidl.
www.dioezese-linz.at/dsg
Der Text erschien in der Juni-Ausgabe des „informiert“, der MitarbeiterInnen-Zeitung der Diözese Linz. Verfasserin ist Karin Breinesberger. Sie führte das Interview.
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