Donnerstag 25. April 2024

Mobbing-Beratung der Betriebsseelsorge OÖ: Betroffenen mit konkreten Schritten aus der Isolation helfen

V. l.: Karl-Heinz Hellinger (Mobbing-Beauftragter der Diözese Linz), Mag.a Michaela Pröstler-Zopf (Mobbing-Beraterin), Mag.a Anna Wall-Strasser (Leiterin Betriebsseelsorge OÖ) und Bischof Dr. Manfred Scheuer.

Bis zu 300.000 Menschen in Österreich leiden unter Mobbing am Arbeitsplatz. Am 22. September 2017 informierten im OÖ. Presseclub Bischof Manfred Scheuer und MitarbeiterInnen der Betriebsseelsorge OÖ über kirchliche Beratungsangebote für Mobbing-Betroffene.

„Es ist wie ein Loch, das sich auftut“ – so beschreiben Betroffene, wie sich Mobbing anfühlt und letztlich das ganze Leben verändert. Unter Mobbing (engl. „mob“ = zusammengerotteter Pöbel, Haufen, Bande, Sippschaft) sind zielgerichtete, häufige Angriffe über einen längeren Zeitraum zu verstehen, die deutlich als Schikane erkennbar sind. In Österreich sind 7, 2 % der ArbeitnehmerInnen davon betroffen – quer durch alle Bildungsschichten und Bereiche der Arbeitswelt. Mobbing führt zu Isolation und zum Rückzug der Betroffenen, zu physischen und psychischen Problemen und in manchen Fällen sogar zum Suizid.


Wer gemobbt wird, braucht Hilfe. Die Betriebsseelsorge Oberösterreich bietet Betroffenen rasche Erstberatung am Mobbingtelefon und bei persönlichen Gesprächen in den 9 regionalen Treffpunkten „mensch & arbeit“. Ihre Erfahrungen aus diesen Gesprächen und den kirchlichen Auftrag im Bereich Mobbing in der Arbeitswelt schilderten bei einer Pressekonferenz im OÖ. Presseclub in Linz am 22. September 2017 Bischof Dr. Manfred Scheuer, der Mobbing-Beauftragte der Diözese Linz DI (FH) Karl-Heinz Hellinger und die Leiterin der Betriebsseelsorge Mag.a Anna Wall-Strasser.


 

„Betroffene brauchen Begleitung und Solidarität“


DI (FH) Karl-Heinz Hellinger ist Psychotherapeut, Mobbing-Beauftragter der Diözese Linz und Berater am Mobbing-Telefon der Betriebsseelsorge. Aus seiner Erfahrung weiß er, dass Mobbing ein Phänomen ist, das jeden und jede treffen kann – „auch Menschen, die psychisch sehr stabil sind“. Angriffe würden subtil und meist indirekt ausgeübt, erfolgten häufig und über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten, so Hellinger. Anders als bei einem beruflichen Konflikt ziele Mobbing auf die Person, nicht auf die Sache. Das Ziel der Gewinnmaximierung in den Betrieben werde unter anderem auch dadurch verfolgt, ältere und teurere MitarbeiterInnen loszuwerden. Besonders betroffen seien aber auch ArbeitnehmerInnen in den ersten Berufsjahren.


Ob in einem Betrieb gemobbt wird oder nicht, hängt meist unmittelbar mit dem Führungsstil zusammen, weiß der Experte: „Wenn Führungskräfte unter Zeitdruck leiden oder mit ihrer Aufgabe überfordert sind, erhöht sich die Mobbingwahrscheinlichkeit.“ Wird in einem Unternehmen bereits gemobbt, sind viele Vorgesetzte damit ebenfalls überfordert. „Ihnen fehlt oft die Zeit, um sich damit auseinanderzusetzen, oder sie wissen nicht, wie sie es richtig angehen sollen. Manche denken dann: ‚Sollen das die MitarbeiterInnen doch untereinander klären!‘“ Sind Vorgesetzte wenig präsent oder wollen die Mobbing-Realität nicht sehen, entsteht ein Vakuum, das die Dynamik verstärkt, erläutert Hellinger. Darüber hinaus gibt es Vorgesetzte, die Mobbing bewusst zulassen oder selbst einsetzen: „Wenn sie MitarbeiterInnen aus finanziellen Gründen loswerden möchten oder wenn sie sich durch deren Engagement und Kompetenz selbst bedroht fühlen – auch das gibt es“, schildert Hellinger seine Erfahrungen vom Mobbing-Telefon.


Werden Menschen konsequent ausgegrenzt, erleben sie dies als massive Kränkung. Als physische und psychische Folgeerscheinungen von Mobbing nennt der Psychotherapeut Angespanntheit, Kopfschmerzen, Herz- und Kreislauf-Erkrankungen, Magen-Darm-Erkrankungen, Schlafprobleme, depressive Verstimmungen oder Angststörungen. Auch der Verlust des sozialen Netzes steht auf dem Spiel, so Hellinger: „Es kann sein, dass EhepartnerIn und FreundInnen es nicht mehr aushalten, die immer gleiche Geschichte immer wieder zu hören. Mobbing-Betroffene haben einen Tunnelblick, sie leben noch in dieser Geschichte.“ Das Ende der Mobbingspirale: langfristige Krankenstände, Kündigung oder vorzeitige Pensionierung. Für die Betriebe bedeutet das: Kosten von Krankenständen aufgrund psychischer Belastungen in der Höhe von etwa 3,3 Milliarden Euro im Jahr. Manche Betroffene kostet Mobbing das Leben: Etwa jeder fünfte Suizid wird auf Mobbing zurückgeführt.


Wie kann man Mobbing richtig entgegentreten? Betroffene sollten rechtzeitig „Stop“ sagen und Hilfe in Anspruch nehmen, betont Hellinger. „Betroffene brauchen Begleitung und Solidarität. Vorgesetzten kommt eine Schlüsselrolle zu, ebenso wichtige AnsprechpartnerInnen sind BetriebsrätInnen. Rechtlich hat der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin eine Fürsorgepflicht für die MitarbeiterInnen.“ Bewährte Instrumentarien seien klare Strukturen und Verantwortlichkeiten, Betriebsvereinbarungen, Weiterbildungen, Supervision und Schlichtungsmodelle.


 

„Mobbing ist menschengemacht und nicht gottgewollt“


Diözesanbischof Dr. Manfred Scheuer erinnerte daran, dass bereits Kinder in Kindergarten und Schule Mobbing ausgesetzt sind. „Studien zeigen, dass 20 Prozent der Unter-15-Jährigen mindestens einmal im Monat von ihren KollegInnen gekränkt werden“, so Scheuer. Wenn man im Internet nach den Sätzen „Arbeit macht gesund“ und „Arbeit macht krank“ suche, würden die Suchmaschinen mehr Treffer zur krankmachenden Arbeit ausweisen. VertreterInnen aus dem psychiatrischen Bereich und aus dem Sozialversicherungswesen würden dem entgegenhalten, dass Arbeit auch vor psychischen Erkrankungen schütze. „Arbeit ist ein ‚Platzanweiser‘ in der Gesellschaft: Sie stiftet Sinn, gibt einen Rahmen, Stabilität, ein Gefühl der Zugehörigkeit und ist eine Säule für Selbstwertgefühl“, betonte der Diözesanbischof. Mobbing dagegen stelle eine massive Verletzung der Menschenwürde dar. „Wenn einem Menschen gesagt wird: ‚Du gehörst nicht dazu, du bist nicht brauchbar‘, dann ist das eine Form der Verachtung, die tief verletzt“, so Scheuer. Ausgrenzung und Erniedrigung trügen dazu bei, dass die innere Spannkraft aufgebraucht werde und sich Ansätze psychischer Erkrankungen massiv verschlimmerten. Nach der Katholischen Soziallehre stehe der Mensch als Ebenbild Gottes im Mittelpunkt der Arbeit. Arbeitsbedingungen, die das Leben und die Würde des Menschen nicht achteten, seien mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar, betonte Scheuer.


Als erster Schritt sei es wichtig, Betroffenen zuzuhören, sie durch Begleitung und Beratung zu stärken und sie so in ihrer Würde wieder aufzurichten. Der kirchliche Auftrag liege aber darüber hinaus im Hinsehen und Gestalten. Der Diözesanbischof wörtlich: „Mobbing ist verflochten mit den Rahmenbedingungen, unter denen Menschen arbeiten müssen. Wir müssen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Phänomene wie Mobbing menschengemacht und nicht gottgewollt oder einfach Schicksal sind. Wir müssen schauen, wo wir selbst vielleicht einen Beitrag dazu leisten, und alles Menschenmögliche tun, um uns proaktiv gegen solche Entwicklungen einzusetzen.“ Hilfesuchende müssten dabei unterstützt werden, Rahmenbedingungen in ihrem Betrieb zu verändern. Scheuer: „Die Kirche sieht ihr Engagement für menschenwürdige Arbeit als gesellschaftlichen Auftrag, den sie in Zusammenarbeit mit anderen gesellschaftlichen Kräften wahrnehmen möchte: mit den Medien, mit der Kultur, mit Wirtschaft und Politik.“ Ziel müsse es sein, menschenwürdige, gute Arbeit zu gestalten. Die Kirche leiste gerade in der Betriebsseelsorge mit Beratungs- und Begleitungsangeboten ihren Beitrag. Bischof Scheuer: „Ich bin selbst Seelsorger und Arbeitgeber mit Fürsorgepflicht. Konflikte werden meist erst dann an mich herangetragen, wenn andere anstehen.“ In der Diözese Linz, eine große Arbeitgeberin mit mehreren tausend MitarbeiterInnen, gebe es seit 2013 eine externe Clearingstelle für Konflikt und Mobbing, so der Diözesanbischof.


 

„Es geht um schnelle und konkrete Hilfe“


Mag.a Anna Wall-Strasser, Leiterin der Betriebsseelsorge OÖ, appellierte an Mobbing-Betroffene, sich rechtzeitig Unterstützung zu holen. Die Erfahrung zeige, dass viele Menschen lange in destruktiven Arbeitsbeziehungen ausharren. Deshalb, so Wall-Strasser, brauche es Meinungs- und Bewusstseinsbildung, um den Betroffenen klarzumachen: „Mobbing ist kein unabwendbares Schicksal, und es verschwindet nicht von selbst. Aussitzen ist der falsche Weg.“ Als Anlaufstellen für rasche Hilfe stellte die Leiterin der Betriebsseelsorge OÖ das Mobbingtelefon und die persönliche Erstberatung in den neun regionalen Treffpunkten „mensch & arbeit“ vor. Am Mobbingtelefon, das jeden Montag von 17.00 bis 20.00 Uhr besetzt ist, erhalten Betroffene „Erste Hilfe“: Die BeraterInnen hören zu und unterstützen bei den nächsten Schritten zur Veränderung. Wall-Strasser weiß, wie wichtig es ist, die Menschen bei der Aktivierung ihrer eigenen Ressourcen zu stärken. Darüber hinaus gilt es, den Blick zu weiten, indem auf strukturelle Ursachen von Mobbing hingewiesen wird, was zur Einbindung von BetriebsrätInnen und/oder Vorgesetzten bzw. Personalverantwortlichen führen kann.


Wall-Strasser betont, dass kirchliche Beratung auf Vernetzung setzt: mit ExpertInnen von Arbeiterkammer und Gewerkschaft, mit Betriebs- und FachärztInnen, TherapeutInnen und PsychologInnen. „Es geht um schnelle und konkrete Hilfe, damit die betroffenen Menschen ihre Würde wahren und die eigene Handlungsfähigkeit zurückgewinnen“, so Wall-Strasser. Auch in der persönlichen Erstberatung in den regionalen Treffpunkten „mensch & arbeit“ geht es um das Ernstnehmen der Betroffenen, um Ermutigung im Widerstand gegen unfaire Verhaltensweisen und um Begleitung von Veränderungsprozessen. Ein weiteres Angebot der Betriebsseelsorge in den Regionen: präventive Maßnahmen wie Workshops und Vorträge in den Betrieben. Die Expertin fasst zusammen, worum es bei den Beratungsangeboten geht: „Ziel ist es, nächste umsetzbare Schritte für die Betroffenen zu finden, die aus der beklemmenden Mobbingsituation heraus in Richtung einer Lösung führen – einer Lösung letztlich auch für den Betrieb und die Belegschaft. Denn: Unter Mobbing leidet nicht nur die betroffene Person, sondern letztlich die ganze Belegschaft.“


Nach Erfahrung von Wall-Strasser ist ein Verbleib im Betrieb gut möglich, wenn eine Mobbingsituation früh bearbeitet wird. „In der Beratung stellt sich immer die Frage für die Betroffenen: Gehen oder bleiben? Wir schauen dann gemeinsam: Wenn eine Person bleiben will, was braucht sie, und wie ist das realistisch zu schaffen? Wenn eine Person gehen will, wie kann sie gut und hocherhobenen Hauptes gehen?“ Manchmal sei die Beratung auch ein Stück weit Trauerbegleitung, „wenn etwas einfach nicht gut war“, so Wall-Strasser. Wichtig sei dann die Ermutigung zum Neubeginn.


 

Mobbingtelefon & Erstberatung der Betriebsseelsorge OÖ


Seit 2003 gibt es das Mobbingtelefon der Betriebsseelsorge OÖ. Es ist jeden Montag (außer feiertags) von 17.00 bis 20.00 Uhr besetzt und bietet unter der Linzer Nummer 0732 76 10-3610 eine kostenlose, anonyme und vertrauliche Erstberatung durch ausgebildete MobbingberaterInnen. Dass Bedarf besteht, wird dadurch deutlich, dass jeden Montag bis zu drei AnruferInnen das Angebot in Anspruch nehmen; das sind etwa 100 Anrufe pro Jahr. Zwei Drittel der AnruferInnen sind Frauen, Studien zeigen aber, dass Männer und Frauen von Mobbing gleichermaßen betroffen sind. Rat holen können sich auch Menschen, die Mobbing in ihrem beruflichen Umfeld miterleben und nicht wissen, wie sie dagegen vorgehen sollen.


www.mobbingtelefon.at


In den 9 regionalen Treffpunkten „mensch & arbeit“ in Linz, Braunau, Nettingsdorf, Rohrbach, Steyr, Vöcklabruck und Wels stehen Mobbing-Betroffenen ausgebildete BeraterInnen für eine kostenlose Erstberatung zur Verfügung. Mobbing-Beratung ist nur ein Angebot unter vielen. Das Kernthema der Betriebsseelsorge OÖ ist gute Arbeit – wo diese gefährdet ist, fühlt sich die Betriebsseelsorge zuständig.


www.mensch-arbeit.at

 

Presseunterlagen zum Download

 

Pressemitteilung zum Download (doc / PDF)

Presseunterlage mit allen Statements zum Download (doc / PDF)

Deckblatt mit Kontakten zum Download (PDF)
 

Fotos: © Diözese Linz (honorarfrei)


Foto 1: V. l.: DI (FH) Karl-Heinz Hellinger (Mobbing-Beauftragter der Diözese Linz und Berater am Mobbing-Telefon), Mag.a Michaela Pröstler-Zopf (Referentin Betriebsseelsorge OÖ und Mobbing-Beraterin), Mag.a Anna Wall-Strasser (Leiterin Betriebsseelsorge OÖ) und Bischof Dr. Manfred Scheuer.


Foto 2: V. l.: DI (FH) Karl-Heinz Hellinger (Mobbing-Beauftragter der Diözese Linz und Berater am Mobbing-Telefon), Bischof Dr. Manfred Scheuer und Mag.a Anna Wall-Strasser (Leiterin Betriebsseelsorge OÖ) bei der Pressekonferenz.

 

 

Ansprechperson für Rückfragen:


Mag.a Michaela Pröstler-Zopf

Referentin Betriebsseelsorge OÖ und Mobbing-Beraterin

Kapuzinerstr. 84, 4020 Linz

T: 0732 76 10-3644

M: 0676 87 76 36 44

E: michaela.proestler-zopf@dioezese-linz.at

W: www.mobbingtelefon.at

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