Donnerstag 28. März 2024

Christliche Kirchen in Oberösterreich: Plädoyer für eine ganzheitliche Begleitung von Sterbenden

Pressekonferenz des Forums der christlichen Kirchen in OÖ: Sterbebegleitung statt Sterbehilfe

Statt eines Rechts auf „Beihilfe zum Suizid“ braucht es vielmehr die ganzheitliche Begleitung von Kranken, Sterbenden und Suizidgefährdeten: So die Forderung des Forums der christlichen Kirchen in Oberösterreich bei einer Pressekonferenz am 10. September 2020 im OÖ. Presseclub.

Im Februar 2020 sorgte ein Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts für Aufsehen und – auch in Expertenkreisen – für Überraschung: Es erklärte §217 des deutschen Strafgesetzbuches in der Fassung des Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung vom 3. Dezember 2015 für nichtig. Diese Bestimmung sah eine strafrechtliche Sanktion geschäftsmäßiger Beihilfe zum Suizid vor – und wurde nun wegen Unvereinbarkeit mit dem deutschen Grundgesetz (Verfassungswidrigkeit) für nichtig erklärt. Begründet wurde dies vom Bundesverfassungsgericht damit, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art.2 Abs 1.i.V. mit Art. 1 Abs 1 GG) ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben als Ausdruck persönlicher Autonomie umfasst.

 

In Österreich ist generell „Tötung auf Verlangen“ und „Beihilfe zum Suizid“ strafrechtlich verboten. Dem österreichischen Verfassungsgericht liegt jedoch derzeit ein Antrag zur Aufhebung der Verbote vor. Auch in Österreich haben vier Personen beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) Individualanträge gestellt, § 78 StGB, der in Österreich – wie in vielen anderen Ländern auch – Beihilfe zum Suizid unter Strafe stellt, als verfassungswidrig aufzuheben. Nach einer Pressemitteilung des Verfassungsgerichtshofs wurde das Thema Tötung auf Verlangen („aktive Sterbehilfe“) in der Juni-Session behandelt und wird im Herbst erneut auf der Tagesordnung stehen. Es wird voraussichtlich Gegenstand einer öffentlichen Verhandlung im September sein. Danach wird der Verfassungsgerichtshof entscheiden.

 

Die christlichen Kirchen in Oberösterreich wollen auf die möglichen gravierenden Folgen einer diesbezüglichen Gesetzesänderung in Österreich aufmerksam machen und eine breite gesellschaftliche Diskussion zum Thema menschenwürdiges Leben, Sterben und Begleitung am Lebensende anstoßen. Die Vertreter der christlichen Kirchen und Gemeinden in Oberösterreich plädieren einhellig für einen Fokus auf palliativmedizinische, therapeutische und seelsorgliche Begleitung von Kranken, Sterbenden und Suizidgefährdeten, statt ein Recht auf Beihilfe zum Suizid zu implementieren. Das Forum der christlichen Kirchen in Oberösterreich ist seit 20 Jahren Plattform für geschwisterliche Begegnung, Dialog und Zusammenarbeit der Kirchen in Oberösterreich. Ein wichtiges Anliegen des Forums ist es auch, gesellschaftliche Entwicklungen kritisch zu verfolgen und sie gemeinsam aus christlicher Perspektive zu beleuchten.

 

Die Mitglieder des Forums haben zum Thema „Sterbebegleitung statt Sterbehilfe“ eine gemeinsame Stellungnahme verfasst, die am Weltsuizidpräventionstag, dem 10. September 2020 bei einer Pressekonferenz im OÖ. Presseclub von Vertretern des Forums präsentiert und erläutert wurde. Darüber hinaus berichtete Oberarzt Dr. Johann Zoidl, Vorstand der Palliativstation St. Louise am Ordensklinikum Linz / Barmherzige Schwestern, von seiner langjährigen Erfahrung in der Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen.

 

 

Recht auf Beihilfe zum Suizid bewirkt „Aushöhlung fundamentaler gesellschaftlicher und moralischer Werte“

 

Dr. Gerold Lehner, Superintendent der Evangelischen Kirche A. B. in Oberösterreich und Vorsitzender des Forums der christlichen Kirchen in Oberösterreich, betonte einleitend, es gehe um ein Thema, „das mit dem Inneren des Menschseins zu tun hat und damit, wie eine Gesellschaft mit dem Sterben umgeht“. Das Urteil in Deutschland sei weitreichend, die Reaktionen darauf seien heftig gewesen, so Lehner. Zur Verdeutlichung zitierte Lehner einen Punkt aus dem deutschen Urteil: „Die Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren.“ Wie weit ein solches Urteil gehen könne, sei für die Mitglieder des Forums der christlichen Kirchen in Oberösterreich bedenklich, so Lehner. Auch in Österreich werde das Thema nun beim Verfassungsgerichtshof behandelt. „Wir wollen jetzt darüber reden, weil wir glauben, dass es einer Gesellschaft gut ansteht, solche zentralen Dinge zu diskutieren und nicht Gerichte über solche Fragen entscheiden zu lassen.“

 

Lehner präsentierte als Forums-Vorsitzender die gemeinsame Stellungnahme der VertreterInnen der christlichen Kirchen: „Uns eint die Sorge, uns eint der Glaube an einen Gott, der das Leben als Gabe gibt, das darum für uns auch eine Aufgabe ist, sodass wir auch in einer Verantwortung stehen. Bewusst sprechen wir mit dieser Stellungnahme ein Wort an die Gesellschaft.“ Lehner präzisierte, der Text präsentiere „keine Lösung, sondern eine Problemanzeige“. Für derart komplexe Fragen gebe es keine einfache Lösung.

 

Lehner schickte voraus, dass die Stellungnahme die Situation von Menschen ernst nehme, die angesichts großen Leides keinen Ausweg mehr erkennen könnten. „Dass Menschen in solchen Situationen dieses Leben nicht mehr weiterleben und es deshalb beenden wollen, ist nachvollziehbar und muss in allen Überlegungen zur Thematik präsent bleiben und ernst genommen werden“, zitierte Lehner aus dem Text. Klargestellt wird aber auch: „Was im Einzelfall eine Gewissensentscheidung ist, die respektiert werden kann, verändert jedoch den Charakter, wenn die Beihilfe zum Suizid zu einem verbrieften Recht wird und Anbieter diese Option bewerben“.

 

Von Befürwortern der Beihilfe zum Suizid bzw. der aktiven Sterbehilfe werde betont, dass es ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben gebe, das das Recht auf Suizid einschließe – ein Anspruch, der daraus abgeleitet werde, dass Selbstbestimmung und Autonomie ein überaus hohes Gut sei. Demgegenüber betonen die christlichen Kirchen, dass die Selbstbestimmtheit des Menschen relativ ist, weil er „in vielfältigen Beziehungen familiärer, beruflicher, sozialer und gesellschaftlicher Art“ steht. Wörtlich heißt es in der Stellungnahme: „Er übernimmt Verantwortung für andere und er ist anderen verantwortlich. Die meisten Entscheidungen, die wir treffen, haben Auswirkungen auf andere. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben kann deshalb keineswegs ohne Einbeziehung der familiären, sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen diskutiert werden.“ Die VerfasserInnen des Textes geben zu bedenken, dass „die Setzung von Recht die Ausformung der Gewissen der Individuen einer Gesellschaft beeinflusst und so für die Werteökologie einer Gesellschaft in hohem Maße Mitverantwortung trägt“.

 

Eine Auswirkung eines Rechts auf Beihilfe zum Suizid betreffe die Aushöhlung fundamentaler gesellschaftlicher und moralischer Werte. In der Stellungnahme wird festgehalten: „Wenn beeinträchtigtes und belastetes Leben zunehmend als nicht mehr der menschlichen Würde entsprechend angesehen und als nicht mehr lebenswert qualifiziert wird, entsteht aus den zunächst individuellen Entscheidungen ein gesamtgesellschaftlicher Druck auf die bedingungslose Würde jedes Lebens.“ Es stelle sich die Frage, ob überhaupt vermieden werden könne, dass „ein solches individuelles Werturteil sich kollektiv in der Gesellschaft einnistet“ und sich jemand für den Wunsch, auch unter leidvollen und für andere belastenden Umständen zu leben, rechtfertigen müsse. Straffreiheit bei Beihilfe zum Suizid führe nicht unbedingt zu Autonomie und Freiheit von Betroffenen, sondern könne „für Leidende und Sterbende auch zu einem gesellschaftlichen Erwartungsdruck oder zu einer rein ökonomischen Sicht auf Pflege und Palliativmedizin führen“, so der Text weiter.

 

Anstatt die Beihilfe zum Suizid als eine normale Möglichkeit, mit dem Sterben umzugehen, zu etablieren, setzen sich die christlichen Kirchen in Oberösterreich dafür ein, „Menschen in der Situation unerträglichen Leidens beizustehen, sie zu begleiten und zu betreuen, uns um ihren Leib und um ihre Seele zu sorgen, ihrem Leid nicht auszuweichen, sondern uns ihm zu stellen und im Sinne eines ‚Mit-Leidens‘ daran Anteil zu nehmen“. Auch wo ein Mensch mit seinem Leben abgeschlossen habe, höre die Verpflichtung von Kirche und Gesellschaft nicht auf, „der sterbenden Person kontinuierliche Pflege, Schmerzlinderung, menschliche Gesellschaft, Unterstützung und geistlichen Beistand zu geben“, so der Schluss des Dokuments, den Lehner zitierte.

 

 

„Menschliche Freiheit erschöpft sich nicht in Autarkie“

 

Dr. Manfred Scheuer, Bischof der Katholischen Kirche in Oberösterreich, betonte, Sterben sei nicht einfach das Ende, sondern ein Teil des Lebens. „Wie ein Mensch stirbt und wie er diese letzte Aufgabe des Lebens erfüllt, sagt viel über die Art seines Lebens aus“, so Scheuer. Dies gelte nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Gesellschaft: Wie die Gesellschaft mit Sterbenden in ihrer Mitte umgehe, lasse viel von ihrer humanen Qualität erkennen. Scheuer wörtlich: „Wie die Gesellschaft mit den Rändern des Lebens – mit dem Beginn und dem Ende des Lebens – umgeht, das sagt auch etwas darüber aus, wie wir in der Mitte des Lebens mit Leiden, Krankheit und Tod umgehen: Zum Lebensschutz gehören viele Bereiche von der Geburt bis zum Tod, Gesundheit und Krankheit, Flucht und Asyl, Hunger … Es geht also um Fragen des Rechts und der Gerechtigkeit, aber auch um Fragen der Solidarität.“

 

Das dem ärztlichen Auftrag zum Lebensschutz korrespondierende ethische Prinzip, das Tötungsverbot, gehöre zum Ethos aller großen Weltreligionen und sei „in seiner positiven Form, als fundamentales Lebensrecht, in praktisch allen Verfassungen der modernen Demokratien verankert und durch Gesetze geschützt“, so Scheuer. Der Blick auf die geschichtliche Entwicklung zeige eine Tendenz zu einer Ausweitung und immer wirksameren Durchsetzung des Tötungsverbots. So werde die Todesstrafe in den meisten zivilisierten Gesellschaften nicht mehr als erlaubtes Mittel der Strafverfolgung angesehen, und auch die Ethik des gerechten Krieges sei im Atomzeitalter mehr als fragwürdig geworden.

 

„Die Begründung in Deutschland, die im Urteil vom 26. Februar gegeben wird, dass selbstbestimmtes Sterben Ausdruck persönlicher Autonomie, hat ein verkürztes Freiheitsverständnis und ein reduziertes Würdeverständnis und ist letztlich in sich selber inkonsistent“, betonte Scheuer unter Bezugnahme auf den kürzlich verstorbenen deutschen Moraltheologen Eberhard Schockenhoff. Entscheidend sei, bei menschlichen Entscheidungen die Basis der Freiheit, aber auch die gesellschaftlichen, sozialen, kulturellen Faktoren einzubeziehen, so der Bischof. Es bestehe die Gefahr, dass „die bedingungslose Anerkennung selbstzwecklichen Daseins durch sozialen Druck in Rechtfertigungsnot gerät“, meinte Scheuer und erklärte es mit einem anschaulichen Beispiel: „Wenn ein alter Mensch sagt: ‚Ich bin für nichts mehr gut‘, dann könnten die anderen sagen: ‚Es wäre besser, wenn es dich nicht mehr gäbe.‘ Aber diese Momentaufnahme würde vom ganzen Leben abstrahieren – das würde ignorieren, dass ein Mensch gelebt, geliebt, gehofft, gearbeitet, geschuftet hat, alles, was sein Leben ausgemacht hat.“

Letztlich dürfe ein Mensch nicht zum Zweck für etwas anderes missbraucht werden oder als „unbrauchbar“ entwertet werden. „Entscheidend scheint mir die grundsätzliche Einstellung zum Leben, dass es selbstzwecklich ist – auch im Angesicht des Todes“, unterstrich Scheuer.

 

Menschliche Freiheit erschöpfe sich nicht in ‚Autarkie‘. Jeder Mensch sei bereits eingebettet in zwischenmenschliche Verhältnisse der Fürsorge und der Verantwortung für den Nächsten. Scheuer wörtlich: „Wenn ich nur dann eine Würde habe, wenn ich selbstbestimmt lebe – was ist dann mit einem Kind, mit einem Schwerkranken, mit einem dementen Menschen?“ Deshalb solle der Weg auch in Österreich ein anderer sein, meinte Scheuer unter Bezugnahme auf die Charta des Europarates zum „Schutz der Menschenwürde und Menschenrechte Sterbender und terminal Kranker“ aus dem Jahr 1999. Diese empfiehlt, den Vorrang in Auf- und Ausbau der Palliativpflege und von Hospizen zu legen, dafür zu sorgen, dass niemand gegen seinen Willen einer medizinischen Behandlung unterzogen wird bzw. gegen seinen Willen weiterbehandelt wird. Wichtig sei auch, so Scheuer, dass unterschiedliche Akteure gesellschaftlich, politisch, sozial und rechtlich dafür sorgten, dass Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention, nach dem eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden darf, ausdrücklich auch für Schwerkranke und Sterbende gelte. Scheuer abschließend: „Ein Abwehrrecht einer medizinischen Behandlung kann nicht ein Anspruchsrecht sein, schon gar nicht ein Anspruchsrecht auf Tötung oder Beihilfe zur Selbsttötung.“

 

 

Dr. Sorin Bugner, Pfarrer der Rumänisch-orthodoxen Pfarre Linz, bezog sich in seinem Statement auf ein Wort des Apostels Paulus aus dem Ersten Korintherbrief: „Alles ist dir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten.“ Der Mensch habe die Gabe der persönlichen Freiheit erhalten und habe die Macht zu entscheiden, aber nicht alles diene zum Guten. Bugner wies darauf hin, dass Gott das Gute (und mehr als das Gute) sei und seine Schöpfung gut geschaffen habe. Der Mensch sei die Krone der Schöpfung und habe von Gott mit den Geboten eine Ethik erhalten habe, damit er mit anderen ein gutes, glückliches Leben führen könne. Der Mensch als Ebenbild Gottes sei mehr als seine Normen und Gesetze. Das Gebot der Liebe solle alle Menschen vereinen – und dieses Gebot sei gegen den Tod: „Du sollst nicht töten“. Dieses Gebot beziehe sich auf Mord, aber auch auf die Selbsttötung. Bugner betonte, das Leben – das Leben hier und das ewige Leben – sei ein Geschenk Gottes. Der Mensch, der ewig sei, solle sich seiner besonderen Würde bewusst sein. Die Sterbehilfe stelle all dies in Frage und sei daher aus Sicht der orthodoxen Kirche eine falsche Entscheidung.

 

Pfarrer Mag. Martin Eisenbraun, Generalvikar der Altkatholischen Kirche Österreich, wies darauf hin, dass sich die Motive für einen Suizid geändert hätten: „Waren es einmal psychische Krisen oder unerträgliche Schmerzen, wird heute der Freitod auch als Folge von Altersarmut oder gesellschaftlicher Bedeutungslosigkeit gesucht. Hier geht es um Defizite, die unsere Gesellschaft zu verantworten hat, mit denen sie aber nicht umgehen kann.“ In einem Gespräch mit MitarbeiterInnen eines Tageshospizes sei ihm versichert worden, dass unter den KlientInnen der Einrichtung das Bedürfnis nach aktiver Sterbehilfe nicht existiere. „Kein Wunder, denn dort wird schwer kranken Menschen ganzheitliche Zuwendung geschenkt – medizinisch, emotional, spirituell und individuell. Das benötigen Menschen in extremen Situationen ihres Lebens“, so Eisenbraun. „Aktive Sterbehilfe als Dienstleistung durch Sterbehilfe-Agenturen, die einen Ersatz für soziale Verantwortung, Mitmenschlichkeit und menschengerechte sozialpolitische Konzepte darstellen, sind bedrohlich und abzulehnen.“ Als Seelsorger erlebe er, dass „Menschen gute Gründe für einen Freitod haben können“. Diese persönliche Gewissensentscheidung müsse er akzeptieren, die Menschen dürften damit jedoch nicht alleingelassen werden. Eisenbraun wörtlich: „Persönliche, seelsorgliche Begleitung, Gebet und Ritual angesichts des selbst gewählten Todes, ist nicht nur eine Herausforderung, sondern ein Auftrag.“

 

 

„Auch mit allen Reduktionen, die der Mensch erfährt, wird seine Autonomie gestützt und die Würde gewahrt“

 

Oberarzt Dr. Johann Zoidl ist Vorstand der Palliativstation St. Louise am Ordensklinikum Linz / Barmherzige Schwestern und Mitglied im Vorstand des Landesverbandes Hospiz OÖ. Er berichtete bei der Pressekonferenz aus seinem Alltag im Krankenhaus und von seiner über 20-jährigen Erfahrung in der Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen. Zoidl erinnerte eingangs daran, dass die Hospiz- und Palliativbewegung seit Beginn ihrer Entwicklung in den 1960er-Jahren eine Antwort auf die Nöte der Menschen sei, die nahe am Lebensende stünden. Bedrohliche Krankheitssituationen würden das bislang gewohnte Leben radikal verändern, so der Palliativmediziner: „Die Bewältigung und Gestaltung dieses Lebens, das gekennzeichnet ist von körperlichen und seelischen Beschränkungen, Eingrenzung von sozialen Lebensformen, begrenzter Lebenszeit und Verlust an Lebensmut und Lebenssinn, braucht fürsorgliche, umfassende zutiefst menschliche Begleitung und Betreuung unter Einbeziehung der nahestehenden Menschen.“

 

Trotz bester Betreuung und bestmöglicher Behandlung von quälenden Symptomen könne in existentiellen Notsituation der Sterbewunsch geäußert werden. Vertraut sind Zoidl Sätze wie: „Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr, Sie haben mir versprochen, ich muss nicht so leiden“. Oder auch: „Ich will kein Pflegefall werden.“ Dies sei jedoch nicht zwangsläufig die Aufforderung, das Leben zu beenden, weiß Zoidl. „Als Palliativmediziner ist dies die Situation, in der ich den Menschen nicht alleine lasse, ich nehme ihn wahr, höre hin und bleibe in meiner Aufmerksamkeit präsent. Ich kümmere mich um den Menschen, um das, was ihn beschäftigt, auch um die spirituelle Dimension.“ Palliative Care kümmere sich mit ganzheitlichem Blick um den Menschen mit seinen oft komplexen mehrdimensionalen Problemen. Zunehmende Schwäche, Mobilitätsverlust mit Angst vor Kontrollverlust körperlicher Funktionen bräuchten zunehmende Unterstützung. Schmerz, Atemnot und Übelkeit könnten medikamentös in der Regel gut gelindert werden, so Zoidl. Der Palliativmediziner: „Auch mit allen Reduktionen, die der Mensch erfährt, wird seine Autonomie gestützt und die Würde gewahrt. Gesetzte Maßnahmen orientieren sich an der Lebensqualität und nicht an Lebenszeit.“ Dies könne auch bedeuten, jemandem quälende Therapien zu ersparen. Bei unerträglichem Leidensdruck gebe es entsprechend gültiger Leitlinien die Möglichkeit der palliativen Sedierung.

 

Auch die Einbeziehung des persönlichen Umfelds sei von Bedeutung, so Zoidl. Der Wunsch nach Suizid oder assistiertem Suizid habe nach seiner Erfahrung sehr häufig mit der Angst der PatientInnen zu tun, anderen zur Last zu fallen. Es gebe einen persönlichen Anspruch, der besage: „Wenn ich das machen und leisten kann, bin ich mit dem Leben zufrieden – wenn nicht, dann weiß ich nicht, ob ich mein Leben so noch führen möchte.“ Zoidl berichtete in diesem Zusammenhang von einer Sterbenden, die zu ihm gesagt habe: „Ich habe so viel geschafft im Leben – und jetzt schaffe ich nicht einmal mehr das Sterben.“ Die Menschen seien gewohnt, das Leben zu managen, alles zu „machen“, und würden auch das Ende am liebsten noch managen.

 

Voraussetzung für eine gelingende Betreuung, sowohl für den betroffenen Menschen als auch für dessen Angehörige, sei zu jedem Zeitpunkt einfühlsame Kommunikation. Wichtig sei, dass der Sterbewunsch auch ausgesprochen werden dürfe. Zoidl: „Es ist wichtig, darüber zu reden. Häufig kommt dann der Zusatz: ‚Ich möchte so nicht mehr leben‘ oder ‚Ich habe noch einen Wunsch‘. Oft ist es möglich, einen kleinen Wunsch zu erfüllen.“ Es gehe darum, auf einen Menschen zuzugehen, ihm zuzuhören, oft auch nur darum, schweigend bei ihm zu sein. Zoidl: „Nähe und Vertrauen, die dabei entstehen, haben Bedeutung für die Lebensqualität – obwohl man sich in manchen Situationen fast nicht mehr traut, dieses Wort in den Mund zu nehmen.“ Alles, was beschränkt sei, werde sehr wertvoll, so Zoidl. Seine Erfahrung: In jedem beschränkten Leben sei Raum für wertvolle Erfahrungen und Begegnungen.

 

 

Presseunterlagen zum Download

 

Pressemitteilung zum Download (doc / PDF)

 

Presseunterlage mit der Stellungnahme der VertreterInnen der christlichen Kirchen in OÖ, den Statements der Podiumsmitglieder und Informationen zum Forum der christlichen Kirchen in OÖ (doc / PDF)

 

Stellungnahme des Dachverbandes Hospiz Österreich und Österreichische PalliativGesellschaft (PDF)

 

Fotos: © Diözese Linz / Appenzeller (honorarfrei)

 

Foto 1. V. l.: Pfarrer Mag. Martin Eisenbraun (Generalvikar Altkatholische Kirche Österreich), Dr. Gerold Lehner (Superintendent Evangelische Kirche A. B. in Oberösterreich), Oberarzt Dr. Johann Zoidl (Vorstand der Palliativstation St. Louise am Ordensklinikum Linz / Barmherzige Schwestern und Mitglied im Vorstand des Landesverbandes Hospiz OÖ), Dr. Manfred Scheuer (Bischof Katholische Kirche in Oberösterreich), Mag.a Gudrun Becker (Referentin für Ökumene und Judentum) und Dr. Sorin Bugner (Pfarrer Rumänisch-orthodoxe Pfarre Linz).

 

Foto 2 und Foto 3: Podium bei der Pressekonferenz (v. l.): Pfarrer Mag. Martin Eisenbraun (Generalvikar Altkatholische Kirche Österreich), Dr. Gerold Lehner (Superintendent Evangelische Kirche A. B. in Oberösterreich), Dr. Manfred Scheuer (Bischof Katholische Kirche in Oberösterreich), Dr. Johann Zoidl (Vorstand der Palliativstation St. Louise am Ordensklinikum Linz / Barmherzige Schwestern und Mitglied im Vorstand des Landesverbandes Hospiz OÖ).

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