Donnerstag 18. April 2024

Diözesane Stellungnahmen zu „Querida Amazonia“

V. l.: Pastoralamtsdirektorin Gabriele Eder-Cakl, Bischof Manfred Scheuer und Missionar Christian Mayr.

„Querida Amazonia“: So lautet der Titel des Papstschreibens zur Amazonien-Synode. Am 13. Februar 2020 nahmen Bischof Manfred Scheuer, Pastoralamtsdirektorin Gabriele Eder-Cakl und Missionar Christian Mayr dazu Stellung.

In dem 50-seitigen Schreiben in Form einer sogenannten „Apostolischen Exhortation“ beschäftigt sich Papst Franziskus mit der Amazonien-Synode, bei der vom 6. bis 27. Oktober 2019 im Vatikan rund 280 Bischöfe der Amazonasregion, Vertreter kontinentaler Bischofskonferenzen sowie der Römischen Kurie, Indigene und hinzugeladene Fachleute über aktuelle Herausforderungen im Amazonasgebiet diskutierten. Unter dem Motto „Amazonien – neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie“ ging es unter anderem um ökologische und soziale Folgen des Raubbaus in der ressourcenreichen Region Südamerikas, die Stärkung der indigenen Bevölkerung sowie um neue Wege in der Seelsorge.

 

Franziskus gliedert seine Überlegungen in vier Themenbereiche: soziale Gerechtigkeit, indigene Bevölkerung und Kulturen, Ökologie sowie neue Wege des kirchlichen Lebens. In vier als „Träume“ oder Visionen überschriebenen Kapiteln (soziale, ökologische, kulturelle und kirchliche Vision) beschreibt Franziskus dabei einerseits die gravierenden Probleme am Amazonas, andererseits skizziert er mögliche Lösungswege.

 

Papst Franziskus hat alle Ortsbischöfe eingeladen, das Schreiben in ihren Diözesen vorzustellen. Im Rahmen der Pressekonferenz am 13. Februar 2020 um 9.00 Uhr im Linzer Bischofshof nahmen Bischof Dr. Manfred Scheuer, Pastoralamtsdirektorin Mag.a Gabriele Eder-Cakl und MMag. Christian Mayr, 23 Jahre lang Missionar und von 2013 bis 2018 Generalvikar in der Diözese Barreiras im Nordosten Brasiliens, dazu Stellung.

 

 

Scheuer: „Für Papst nicht europäische Fragestellungen vorrangig, sondern Schrei der Schöpfung“

 

Bischof Dr. Manfred Scheuer betonte eingangs in seiner Stellungnahme zum Papstdokument, es gehe in „Querida Amazonia“ nicht nur um einen kirchlichen Traum, sondern vor allem um die konkreten Menschen und um die Schöpfung und um die Frage, ob die Botschaft des Evangeliums die Menschen in Amazonien nähren, befreien und aufbauen könne. Der Papst betone immer wieder den Zusammenhang zwischen Umweltökologie und Humanökologie: Persönliche Haltungen, Konsumgewohnheiten, sozialen Beziehungen hätten Auswirklungen auf die Umwelt und die Ressourcen. Scheuer: „Das Erste, was von der Synode und vom Papst her mit Amazonien verbunden ist, ist der ‚Schrei der Schöpfung‘ als zentrales Wort: Letztlich hängt das Wohl des gesamten Planeten von der Gesundheit Amazoniens ab. In diesem Zusammenhang hat der Papst auch von Empörung gesprochen. Was in Amazonien vor sich geht an Ausbeutung von Mensch und Natur, an Zerstörung, an Verachtung der indigenen Bevölkerung, das ist ein Skandal, eine himmelschreiende Sünde und Anlass zur Empörung.“

 

Der Diözesanbischof stellte klar, dass die europäischen Fragestellungen „nicht die ersten sind, die das Dokument bewegt“. Auch für Menschen in Europa, in Österreich gelte, dass sie von den Indigenen in Amazonien lernen könnten: von deren Gewohnheiten, ihrer Lebensweisheit, ihrem Glauben, ihrem sozialen Miteinander, ihrem Umgang mit der Schöpfung. In diesem Zusammenhang nannte Scheuer ein weiteres zentrales Wort im Papstschreiben: die Kontemplation. „Es geht nicht um die Analyse von Vorgängen, sondern um die Wahrnehmung der Schöpfung in ihrer Schönheit als Gabe und Geschenk. Daher verwundert es nicht, dass der theologische Sprachduktus des Schreibens jener der Poesie ist. Der Papst zitiert in seinem Text zahlreiche Gedichte. Gedichte sprechen etwas Entscheidendes an: Wie gehe ich an Wirklichkeit heran, wie nehme ich wahr? Wie lerne ich? Bin ich in der Lage, die die Schönheit wahrzunehmen? Nur mit dem moralischen Zeigefinger oder mit apokalyptischen Szenarien wird der Planet nicht zu retten sein, wenn nicht von innen her verkostet wird, dass das Leben wertvoll ist, dass die Schöpfung schön ist.“

 

Bischof Scheuer wies auch darauf hin, dass die im Papstschreiben angesprochenen Fragen der (kulturellen) Identität, der Entwurzelung, der Landflucht, der Migration, Fragen des Menschenhandels und der Zerstörung von Ressourcen nicht nur Amazonien beträfen: „Wir haben andere Voraussetzungen als in Amazonien, aber die Fragen der Entwurzelung, der Kultur, der Identität stellen sich bei uns auch, ebenso wie die Frage, wie wir mit Dingen und Menschen umgehen.“ Papst Franziskus fordere mehrfach eine Umkehr, einen Sinneswandel: in ökologischer, kultureller, sozialer und synodaler Hinsicht. Scheuer: „Eine Erneuerung der Gesellschaft und der Kirche ist nicht ohne Umkehr zu denken. Es geht also nicht nur um politische Forderungen an andere, sondern auch um Fragen des eigenen Lebensstils, der persönlichen Grundhaltungen.“

 

Als „nicht nebensächlich“ erachtet es Bischof Scheuer auch, dass das Dokument „aus einer Umwelt herausgewachsen ist, die nicht unbedingt gleich eine aufgeklärte, emanzipatorische europäische Kultur ist. Die Dimension der säkularen Welt, wie sie bei uns verbreitet ist, ist nicht direkt thematisiert. Man kann nicht etwas von Lateinamerika auf uns direkt übertragen.“ Das zentrale Interesse der EuropäerInnen und vieler ÖsterreicherInnen richte sich auf die kirchlichen Strukturen. In diesem Punkt gehe das Dokument „unterschiedliche Wege, die nicht leicht zueinander finden“, wie Scheuer es beschrieb: Einerseits werde auf die zentrale Bedeutung der Eucharistie für den kirchlichen Lebensvollzug hingewiesen, andererseits auf die Tatsache, dass in vielen Regionen nur einmal im Jahr Eucharistie gefeiert werde. „Was das bedeutet, dazu äußert sich der Papst viel vager, viel offener als das Abschlussdokument der Synode. Das kann man unterschiedlich deuten: als große Enttäuschung, dass hier nichts konkret verändert wird, oder auch dahingehend, dass der Papst hier zumindest einmal keine Türen zugemacht hat. Ich würde es auch in diese Richtung deuten. Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen. Es wird sich auf jeden Fall viel verändern.“

 

Zur Frage der Verantwortung und Mitarbeit von Frauen in der Kirche, die im Dokument bei der „kirchlichen Vision“ thematisiert wird, meinte Bischof Scheuer: „Papst Franziskus zählt all das auf, was Frauen in den Gemeinden in Amazonien tun: Sie taufen, sie leiten die Gemeinden; Katechese, Diakonie, eigentlich das gesamte kirchliche Leben ist von ihnen getragen – sie sind allerdings von der Jurisdiktion her nicht offiziell dafür ‚ausgerüstet‘. Der Weihe von Frauen wird eine klare Absage erteilt. Ich hätte mir gewünscht, dass die Argumentation etwas zurückhaltender ist bzw. dass sie nicht in Widersprüchlichkeiten führt.“ Er verstehe die Verwundung, die dadurch entstehe, betonte der Bischof. Scheuer wörtlich: „Ich wünsche mir ein Aufeinanderschauen, die Wertschätzung von gegenteiligen Positionen, ein Verstehenwollen. Ich bitte einfach darum, dass wir dranbleiben, zusammenhalten und den Respekt voreinander nicht verlieren – mehr kann ich in dieser Situation nicht tun.“

 

Was den Zukunftsweg der Diözese betreffe, fühle er, Scheuer, sich bestätigt, denn: „Wir planen eine kirchliche Struktur von Pfarren und Pfarrgemeinden, die im Rahmen des Kirchenrechts vielfältige Aufgaben und Verantwortungen verteilt und auch die Wirklichkeit im Territorium, aber auch in den Milieus mit einbezieht: dass wir Kirche vor Ort sein wollen, dass wir Kirche in unterschiedlichen Lebensbereichen sein wollen, dass wir der Diakonie, Bildung und Seelsorge einen hohen Stellenwert einräumen. Auch was die Verantwortung von Laien in Leitungsaufgaben anbelangt, kann man aus dem Apostolischen Schreiben einiges herauslesen.“

 

 

Eder-Cakl: „Schmerzlich, wie in der Frauenfrage argumentiert wird“

 

Pastoralamtsdirektorin Mag.a Gabriele Eder-Cakl erzählte am Beginn ihres Statements von ihrer Reise nach Peru im Jänner. Dort traf sie in Lima mit der Synodenteilnehmerin und Theologieprofessorin der Päpstlichen Katholischen Universität von Peru Dr.in Birgit Weiler zu einem Austausch zusammen. Eder-Cakl berichtete dort vom oberösterreichischen Modell der Ausbildung, Schulung und Begleitung von Ehrenamtlichen, die etwa in Seelsorgeteams Mitverantwortung in der Pfarrgemeindeleitung übernehmen, als BegräbnisleiterInnen tätig sind etc. und die offiziell beauftragt werden. Dass Ehrenamtliche und Laien einen wichtigen Stellenwert in den Gemeinden Amazoniens haben sollen, wird auch im Synodendokument thematisiert. Im Amazonasgebiet wird derzeit ein Schulungskonzept für Ehrenamtliche erarbeitet; es soll auch offizielle Beauftragungen durch die Bischöfe geben. Das Know-how aus Oberösterreich war deshalb sehr willkommen.

 

Was Eder-Cakl aus den Gesprächen in Lima mitgenommen hat: Ein großes Anliegen, das auch im Papstschreiben ausführlich thematisiert wird, ist das Hören und Ernstnehmen der indigenen Menschen. Eder-Cakl: „Wenn deren Lieder in den Gottesdiensten gesungen werden, wenn ihre Formen des Glaubens ins Feiern einfließen, dann verändert sich automatisch die Kirche. Das ist nicht allen Kardinälen und Bischöfen im Amazonasgebiet recht, wird aber von Papst Franziskus als Notwendigkeit in seinem Schreiben betont: eine Kirche mit dem Gesicht Amazoniens.“ Dies stimme sie auch für die Katholische Kirche in Oberösterreich hoffnungsfroh: „Auch wir gehen zu den Menschen hinaus, auch wir wollen bei den Menschen sein – und das wird auch hier Kirche verändern.“

 

Begeistert sei sie vom ganzheitlichen Ansatz des Papstes und der Poesie des Schreibens, so Eder-Cakl. Sie erinnerte sich an ihre Reise: „Wenn man drei Stunden lang über den Amazonas fliegt, wird einem bewusst, wie wichtig dieses Gebiet für die Erde und wie schützenswert es ist.“ Auch in Österreich müsse ein Beitrag zum Schutz von Amazonien geleistet werden, wie Eder-Cakl betonte. Die Diözese Linz tue dies unter anderem mit der Umsetzung der diözesanen Umweltleitlinien.

 

Eder-Cakl berichtete, ihr sei in Brasilien klargeworden, warum die Weihe von bewährten verheirateten Männern und von Frauen zu Diakoninnen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Umweltschutz und dem Kampf für Gerechtigkeit stehe: „Damit die Gemeinden vor Ort sich für Umweltschutz und Gerechtigkeit einsetzen könnten, müssten sie gestärkt werden. Die Gemeinden werden schwächer, weil oft nur einmal im Jahr Eucharistie gefeiert wird. Deshalb wechseln viele zu Pfingstgemeinden oder anderen Glaubensgemeinschaften. Deshalb fordern die Menschen vor Ort die Änderungen der Zulassungsbedingungen zu den Weiheämtern – weil sie Menschen brauchen, die vor Ort die Gemeinden beleben.“

 

Sehr persönlich schilderte die Pastoralamtsdirektorin ihre Emotionen beim Lesen der Abschnitte zum Thema „Frauen und Amt“: „Mir sind die Tränen gekommen. Es ist so schmerzlich, wie hier argumentiert wird: Jesus war ein Mann, deswegen sind Priester Männer, und die Frauen sollen sich an Maria halten. Da bleibt mir ehrlich gesagt die Spucke weg. Wir haben seit mehr als 30 Jahren theologische Dokumente und Studien, die zeigen, dass es nicht von Jesu Geschlecht abhängig sein kann, wer ein Amt innehat – das würde ja auch bedeuten, dass Jesus, weil er ein Mann war, nur Männer erlöst hat.“ Sie wünsche sich, dass die bestehenden Forschungen ernst genommen würden. „Wir haben alles schon einmal diskutiert. Es heißt immer, wir sollen die Dinge noch reifen lassen – aber vor lauter Reifen-Lassen, scheint mir, werden wir schon ganz runzelig. Und wir verlieren die Geduld“, fand Eder-Cakl deutliche Worte. Im Papstschreiben werde ausführlich und gut beschrieben, wie wichtig die Frauen für die Gemeinden seien – dies gelte auch für Oberösterreich. Aber, so Eder-Cakl: „Wir müssen im Bereich Weiheamt für Frauen neue Schritte setzen, weil die Frauen die jetzige Situation nicht mehr verstehen. Es sind nicht nur vereinzelte Feministinnen in Österreich und Deutschland, die diese Forderung stellen, sondern es ist eine weltweite Forderung von Frauen in Lateinamerika, Afrika, Asien … Wir können daran nicht vorbei. Wenn ich sage, ich höre die Leute und nehme sie ernst, wird sich auch die Kirche verändern. Das ist meine Hoffnungsperspektive: Wenn wir wirklich die Leute hören, werden wir an dem Thema nicht vorbeikommen.“

 

 

Mayr: „Hauptanliegen des Papstes ist der Aufruf zur Umkehr und zum Schutz Amazoniens“

 

MMag. Christian Mayr, 23 Jahre lang Missionar und von 2013 bis 2018 Generalvikar in der Diözese Barreiras im Nordosten Brasiliens, schilderte ebenfalls seinen Zugang zum Papstschreiben. Aus seiner Sicht thematisiert Papst Franziskus in erster Linie den Schrei der Ausgeschlossenen und den Schrei der Erde. Mayr: „Es geht nicht in erster Linie um den Schrei Mitteleuropas. Papst Franziskus prangert Ungerechtigkeit und Verbrechen in Amazonien an – hier ist die Kirche gefordert, an der Seite der Armen zu stehen. Und der Papst betont, dass wir von der indigenen Bevölkerung lernen können: wie man im Einklang mit der Umwelt lebt und sie nicht zerstört, wie man mit wenig zufrieden sein kann.“ Die Synode sei nicht dazu da gewesen, die Probleme der Mitteleuropäer zu lösen. „Es geht um den Schrei der Erde, der Armen und Ausgebeuteten. Das Hauptanliegen des Papstes ist der Aufruf zur Umkehr und zum Schutz Amazoniens. Vielleicht wollten wir den Papst zu sehr für unsere Probleme vereinnahmen und haben deswegen das Schreiben zu wenig rezipiert“, regte der Missionar zu einem Perspektivenwechsel an.

 

Was die Amtsfrage betrifft, sieht Mayr eher ein Konzil als geeigneten Diskussionsraum – eine Ansicht, der sich auch Pastoralamtsdirektorin Gabriele Eder-Cakl anschließt: „Das Amt muss in seiner Gesamtheit neu gedacht werden, dafür wäre ein Konzil sinnvoll. Mein Wunsch wäre, dass von jeder Diözese ein Mann und eine Frau entsendet werden – damit nicht wieder nur Männer über die Weihe von Frauen diskutieren.“

 

 

Zu den Dokumenten:

Schlussdokument Amazonien-Synode

Apostolische Exhortation „Querida Amazonia“ von Papst Franziskus

 

 

Presseunterlagen zum Download

 

Pressemitteilung zum Download (doc / PDF)

 

Pressefotos zum Download: © Diözese Linz / honorarfrei

 

Foto 1: V. l.: Pastoralamtsdirektorin Gabriele Eder-Cakl, Bischof Manfred Scheuer und Missionar Christian Mayr.

Foto 2: V. l.: Missionar Christian Mayr, Pastoralamtsdirektorin Gabriele Eder-Cakl und Bischof Manfred Scheuer.

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