Freitag 3. Mai 2024

Historische Aufarbeitung von Gewalt in den Heimen der Caritas Oberösterreich

Die Caritas der Diözese Linz hat Missbrauchs- und Gewaltakte, zu denen es in ihren Schüler- und Behindertenheimen nach 1945 gekommen ist, in einem ausführlichen Expertenbericht aufgearbeitet.

Ein unabhängiges Forscherteam hat die Geschichte und Hintergründe in einem 513 Seiten starken Buch dokumentiert, das am Freitag von Bischof Manfred Scheuer, Caritas-Direktor Franz Kehrer und den Studienautoren im Linzer Ursulinenhof präsentiert wurde. "Wir wollen uns damit unserer Verantwortung stellen und mit der Studie darauf hinwirken, dass die geschehene Gewalt nicht in Vergessenheit gerät und uns Mahnung für die Zukunft ist", erklärte Kehrer. 

Als "erschütternd" bezeichnete Caritas-Direktor Kehrer die in der Studie verzeichneten "Schilderungen des vielfach erlittenen Leids der Kinder und Erwachsenen, das Ausmaß der verübten Gewalt in allen Formen und das Versagen der Verantwortlichen innerhalb und außerhalb der Caritas über viele Jahre hinweg". Sowohl Kehrer als auch Bischof Scheuer baten im Namen der Caritas und der Kirche in Oberösterreich alle Betroffenen von Gewalt durch kirchliche Mitarbeiter "aufrichtig um Entschuldigung". Ungeschehen machen oder mindern lasse sich das erfahrene Leid dadurch freilich nicht, bemerkten beide.

Untersucht wurden für die Studie das 2009 geschlossene Erziehungsheim Steyr-Gleink, das von 1954 bis zur Schließung 1985 von der Caritas geführte Schülerheim Windischgarsten sowie die Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen St. Pius und St. Isidor. Von den insgesamt 334 bei der Linzer diözesanen Ombudsstelle gegen Missbrauch und Gewalt eingegangenen Meldungen von Personen, die sich als Opfer von Gewalt in oberösterreichischen Caritas-Einrichtungen bezeichneten, waren 290 in Steyr-Gleink untergebracht, 12 in Windischgarsten sowie 58 in St. Isidor und St. Pius. Die meisten dieser Vorfälle fanden bis Ende der 80er-Jahre statt.


Hinweise wurden ignoriert

 

Das von der Caritas beauftragte Forscherteam aus Historikern und Politologen, dem Prof. Michael John, Marion Wisinger und Angela Wegscheider angehörten, führte neben einer umfangreichen Aktenrecherche mehr als 120 Interviews mit ehemaligen Heimkindern, Erziehern und Verantwortungsträgern durch. 

Als "multifunktionales Versagen" der Verantwortlichen von Caritas, dem bis 1989 zuständigen Orden der Herz Jesu Missionare und den zuständigen Landesbehörden bezeichnete die Historikerin Marion Wisinger die Geschehnisse im Erziehungsheim Steyr-Gleink. Die zahlreichen Hinweise, dass vor allem bis Ende der 70er-Jahre hinter den Mauern ein System von psychischer und physischer Gewalt sowie sexuellen Missbrauchs herrsche, sei von den oberen Leitungsebenen ignoriert und nicht bzw. zu wenig eingegriffen worden. 

In den 1950er-Jahren waren Körperstrafen üblich und Kinderrechte unbekannt. "In Gleink ging man über das 'Übliche' weit hinaus. Beschwerden zeigten, dass die Kinder im Anfangsjahrzehnt zu wenig zu essen bekamen, Kollektivstrafen verhängt wurden und die Kinder beispielsweise im Winter im Freien Strafe stehen mussten", erklärte Studienleiter Michael John. Ein ehemaliger Erzieher aus Steyr-Gleink leitete auch das Schülerheim Windischgarsten und wandte dort ebenso wie ein Teil der Mitarbeiter härteste Strafen an. Dennoch seien nicht alle Jugendlichen von Gewalt betroffen gewesen und es habe auch Mitarbeiter gegeben, die gute Arbeit leisteten, so Wisinger. 


Erzieher ohne Ausbildung


"Bis in die 1980er Jahre war in den Heimen das Züchtigungsargument ein dominierender Faktor, um Kinder und Erwachsene mit Beeinträchtigung zu brauchbaren Mitgliedern der Gesellschaft zu machen", schilderte Angela Wegscheider, die zur Geschichte von St. Pius und St. Isidor forschte. Die Erzieher in den Heimen hatten zum Teil bis in die 80er-Jahre keine Ausbildung. 

Wegscheider hält aber in der Studie fest, dass nur ein kleiner Teil der Beschäftigten in St. Isidor der Gewaltanwendung beschuldigt werden, es gebe zahlreiche Beispiele freundlichen Umgangs der Mitarbeiter mit den Kindern. Ab Mitte der 1990er-Jahre seien in beiden Einrichtungen grundlegende Reformen durchgeführt worden, heute stünden die Förderung von Selbstbestimmung und Selbständigkeit der Bewohner im Vordergrund, dazu gebe es laufende Kontrollen von den externen und unabhängigen Stellen des Landes und der Volksanwaltschaft.
 

Laufende Verbessserungen nötig


Caritas-Direktor Kehrer betonte, dass die Studie Konsequenzen für die Caritas Oberösterreich haben werde. Zwar habe die Hilfsorganisation inzwischen schon grundlegende Reformen durchgeführt und zahlreiche Vorkehrungen für Gewaltschutz getroffen, man habe mit der Studie jedoch auch Erkenntnisse für weiteren Verbesserungsbedarf gewinnen wollen. "Wir dürfen beim Thema Gewaltschutz niemals stehenbleiben. Es braucht immer wieder eine Schärfung unserer Wahrnehmung, um Warnsignale und Grenzüberschreitungen möglichst frühzeitig zu erkennen", betonte der Caritas-Direktor. 

 

Info: Download der gesamten Studie unter www.caritas-linz.at

 

Quelle: kathpress

 

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