Donnerstag 18. April 2024

Bischof Manfred Scheuer: Mauthausen ist Mahnmal gegen Entmenschlichung

Eine „Menschlichkeit ohne Grenzen“ ist der einzige Schutz vor der Entmenschlichung, wie sie im Nazi-Konzentrationslager Mauthausen sichtbar wurde: So Bischof Scheuer anlässlich der Befreiung von Mauthausen am 5. Mai vor 75 Jahren.

Mit dem Eintreffen US-amerikanischer Truppen wurden damals 40.000 Menschen befreit, die von den deutschen Nationalsozialisten aus allen Teilen Europas nach Oberösterreich verschleppt worden waren.

 

Einer der damals Befreiten war der 2011 verstorbene griechische Autor Iakovos Kambanellis, der von 1943 bis 1945 im Konzentrationslager Mauthausen interniert war, dessen Gedichte durch Mikis Theodorakis in der „Mauthausen-Kantate“ vertont wurden und auf dessen Erfahrungen der Linzer Diözesanbischof in seinem zwölf Seiten umfassenden Essay verweist. Die Menschenrechte sind der einzige Schutz gegen alle Formen der Entmenschlichung, betont Scheuer, der gleichzeitig davor warnt, dass Menschenrechte und Menschenwürde immer gefährdet blieben.

 

Der Linzer Diözesanbischof nimmt als Vertreter der Österreichischen Bischofskonferenz an der heurigen Mauthausen-Befreiungsfeier teil, die am Sonntag, 10. Mai 2020 aufgrund der Corona-Pandemie nur virtuell stattfinden kann. Zuvor feiert Bischof Scheuer in der Lagerkapelle einen ökumenischen Gottesdienst gemeinsam mit dem evangelischen Bischof Michael Chalupka und dem orthodoxen Erzpriester Alexander Lapin. Die Feier beginnt um 10.15 Uhr und wird auf der Website des Mauthausen-Komitees (www.mkoe.at), auf der Website der Diözese Linz www.dioezese-linz.at und vom Privat-TV-Sender LT1 übertragen.

 

Im Anschluss findet ab 11 Uhr die einstündige Gedenkfeier mit Zeitzeugen-Statements, Videobeiträgen und Musik statt. Die Befreiung des KZ-Mauthausen und der Nebenlager durch US-Truppen Anfang Mai 1945 jährt sich heuer zum 75. Mal. Die vom Mauthausen-Komitee Österreich (MKÖ) gestaltete Befreiungsfeier wird auf ORF III und ebenfalls im Web auf www.mkoe.at gezeigt. Die Veranstaltung steht heuer unter dem Motto „Menschlichkeit ohne Grenzen“. Traditioneller Bestandteil der Veranstaltung ist auch eine Jugendgedenkfeier, die von mehreren Jugendorganisationen, u. a. der Katholischen Jugend OÖ, gestaltet wird. Diese kann heuer ebenfalls nur virtuell stattfinden. Sie wird bereits ab 9 Uhr im MKÖ-Livestream und auf den Kanälen der veranstaltenden Organisationen übertragen.

 

 

Christentum und Menschenrechte

 

Iakovos Kambanellis (1921–2011) zählte zu den bekanntesten Bühnen- und Filmautoren Griechenlands. Seine Popularität gründete sich auf oft gespielten und gesungenen Vertonungen seiner Gedichte, besonders auf die weltweit bekannte "Mauthausen Cantata", die von Mikis Theodorakis vertont wurde. Kambanellis schilderte in seinem Buch, das von Elena Strubakis ins Deutsche übersetzt wurde, die Zeit der Gefangenschaft.

 

Nach Bischof Manfred Scheuer beschreiben die autobiografischen Texte von Kambanellis „das Ritual der Entmenschlichung der KZ-Neuankömmlinge“, die Teil einer „perfiden Strategie der Nationalsozialisten“ war. „Sie griffen den Wesenskern des Menschen an: Sie sprachen ihm das Recht auf Menschsein ab und rüttelten damit an einer Idee, die sich lange anbahnte und sich in der Erklärung der Menschenrechte 1948 manifestierte“, führt Scheuer detailliert aus. Dabei verweist der Bischof auf wesentliche biblische Grundelemente für die spätere Entwicklung der Menschenrechte. Dies seien die Vorstellung von der Gottebenbildlichkeit des Menschen, der Unsterblichkeit jedes Menschen als des sakralen Kerns jeder Person, vom Leben des einzelnen als einer Gabe sowie die Botschaft von der Menschwerdung Gottes, der sich mit den Armen und Geringen identifiziert.

 

Ein Blick in die Geschichte zeige aber auch, dass die biblische Botschaft von der Gottebenbildlichkeit und von der Menschwerdung Gottes häufig als kulturelle Kraft dennoch schwach blieb. Grund dafür sei die Einschränkung des universalistischen Potenzials der Menschenrechte gewesen, die nicht nur in der Geschichte des Christentums erfolgt sei, sondern auch von anderen Wegbereitern der Menschenrechtsidee. So seien selbst Aufklärer und Intellektuelle wie Voltaire, David Hume, Immanuel Kant und Georg Hegel nicht davor gefeit gewesen, rassistische Klischees zur Abwertung der Afrikaner zu benutzen, erinnert Scheuer.

 

Auch das kirchliche Lehramt habe große Probleme mit der Akzeptanz von Menschenrechten gehabt, wie sie im Zuge der Französischen Revolution oder anderer Verfassungen und Kodifikationen entstanden. Von daher könne man die jüdische und die christliche Tradition nicht einfach als die „Erzeuger“ der Menschenrechte bezeichnen, so Scheuer. Das katholische Lehramt habe erst mit Papst Johannes XXIII. und der Enzyklika „Pacem in Terris“ (1961) die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ vom 10. Dezember 1948 als einen Akt von höchster Bedeutung positiv gewürdigt.

 

 

Menschenrechte bleiben gefährdet

 

„Der Grundsatz der Menschenwürde wird meist nicht bestritten. Und doch sind Umfang und Reichweite umstritten“, konstatiert Scheuer in seinem Text. Insbesondere der Lebensanfang und das Lebensende würden immer mehr zur Nagelprobe für das ethische Instrumentalisierungsverbot des Menschen. „Was um die Lebensränder gesellschaftlich besprochen wird, ist ein Signal für das, was uns künftig auch in der Lebensmitte betreffen kann“, gibt der Bischof zu bedenken und schreibt: „Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, dass Menschenwürde auf Gesundheit, Tüchtigkeit, Jugendlichkeit, Souveränität, wirtschaftliche Brauchbarkeit und Effizienz oder auch Sportlichkeit und Schönheit reduziert wird. Aber Würde und Lebensrecht dürfen nicht abgestuft werden.“

 

Wie sehr die Menschenrechte auch und gerade international gelten müssen, sei kirchlicherseits beispielsweise an Papst Johannes Paul II. und seiner Antrittsenzyklika „Redemptor Hominis“ ablesbar, so Scheuer, der wie folgt daraus zitiert: „Es muss die Verpflichtung sein, dass die Menschenrechte in der ganzen Welt zum Grundprinzip aller Bemühungen um das Wohl des Menschen werden. Die Rechte der staatlichen Gewalt dürfen nicht anders verstanden werden als auf der Grundlage der Achtung der objektiven und unverletzlichen Menschenrechte. Jenes Gemeinwohl, dem die Autorität im Staate dient, ist nur dann voll verwirklicht, wenn alle Bürger ihrer Rechte sicher sind.“

 

 

Solidarität mit den Leidenden

 

Damit Humanität und Menschenrechte nicht untergraben werden, brauche es permanent das Bewusstsein von der Vulnerabilität des Menschen und die Solidarität mit den Leidenden, führt der Linzer Bischof weiter aus und schreibt: „Es gibt heute unzählige wunde Stellen, eine Welt, die blutet, in der gestritten, gelitten und gestorben wird, weltweit, wenn tausende Flüchtlinge aus Afrika nach lebensgefährlichen Überfahrten in Italien stranden, in Syrien oder Libyen, wenn Menschen, Frauen und Kinder gehandelt werden, hier bei uns, wenn Menschen an unheilbarer Krankheit, Überforderung und Vereinsamung leiden, in Depression und Sucht, Burnout und massivem Mangel an Zeit, in Unversöhntheit, Streit und Neid.“

 

Demgegenüber laute die Devise: Hinschauen statt wegschauen. Dem entspreche auch eine politische Mystik der Bibel mit ihrer „sozialen Compassion“. So lehre Jesus nicht eine Mystik der geschlossenen Augen, sondern eine „Mystik der offenen Augen und damit der unbedingten Wahrnehmungspflicht für fremdes Leid“.

 

„Die Menschlichkeit kehrte zurück mit der Befreiung von der Terrorherrschaft der Nationalsozialisten im Mai 1945“, schreibt Bischof Scheuer am Ende seiner Ausführungen. Es gehe dabei um eine „Menschlichkeit, die eingebettet ist in Zusammenleben, Gemeinschaft und Kultur. Eine Menschlichkeit, die nicht Maßlosigkeit meint, sondern Maß nimmt an den Bedürfnissen von Mensch und Schöpfung. Eine Menschlichkeit, die verletzlich und immer neu zu verteidigen ist – sie soll nicht nur ein Traum sein“.

 

(Zusammenfassung: Kathpress)

 

Presseunterlagen zum Download

 

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