100. Geburtstag von Lydia Roppolt: Kirchenkunst, die Oberösterreich prägt
Die 1922 in Moskau geborene Lydia Roppolt hat ein umfangreiches Werk hinterlassen. Mit ihren Fresken, Gemälden, Glasfenstern, Skulpturen und Paramenten, vornehmlich für kirchliche Auftraggeber, hatte sie eine singuläre Position in der österreichischen Künstlerinnenlandschaft der Nachkriegszeit inne. Sie verstarb 1995 in Wien. Wie kaum eine andere Künstlerin hat sie mit ihrer unverwechselbaren Formensprache und ihren leuchtenden Farben Kirchen und Kapellen in der Diözese Linz geprägt. Darüber hinaus ist sie mit ihren Arbeiten, vor allem Glasfenstern, in Kirchen und Kapellen in ganz Österreich sowie auch international in den USA, Kanada und Italien vertreten. Eines ihrer Hauptwerke außerhalb Österreichs sind die Glasfenster in der Unterkirche der Verkündigungsbasilika in Nazareth.
Nach dem frühen Tod ihrer Eltern wurde Lydia Roppolt von der in Wien lebenden Lehrerin Emma Agnes Roppolt adoptiert. Dort studierte sie an der Akademie der Bildenden Künste. Zu ihren Lehrern zählten Sergius Pauser, Herbert Böckl und Albert Paris Gütersloh. Lydia Roppolt begann unmittelbar nach dem Studium mit großflächigen, raumgreifenden Arbeiten und realisierte ihre erste große Arbeit in Freskotechnik in der frühgotischen Marienkapelle des Stiftes St. Peter in Salzburg.
© Pfarre Linz-St. Michael, © Bildungshaus Schloss Puchberg, © Eva-Maria Kienast, © Eckerstorfer
Im Jahr 1955 gewann Lydia Roppolt als 33-jährige und jüngste Teilnehmerin den geladenen Wettbewerb zur Gestaltung des Glasfensterkranzes der neu erbauten Pfarrkirche St. Michael in Linz-Bindermichl. Die Kirche war der erste Kirchenneubau in Linz nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Thema der Ausschreibung für das zwischen Decke und Wand umlaufende Glasband war der Kampf zwischen Gut und Böse.
Daran anschließend schuf sie für zahlreiche Kirchen in der Diözese Linz Farbglasfenster, darunter jene in Linz-Christkönig, Lembach im Mühlkreis, Steyrling, Regau, St. Georgen im Attergau, Pfandl, Haid, St. Stefan am Walde, Mauthausen, Kirchdorf an der Krems und Thalheim bei Wels. Zwei Jahre vor ihrem Tod stattete sie die Ruprechtskirche in Wien mit einem Glasfensterzyklus aus. Charakteristisch für ihr künstlerisches Werk sind ihre archaisch anmutende, expressive Formensprache und die farbintensive Gestaltung. Ausdrucksstarke, große Augen und die Betonung der Hände sind das unverwechselbare Markenzeichen ihrer Figuren. Der Großteil der Glasfenster entstand in Zusammenarbeit mit der Glaswerkstätte des Zisterzienserstiftes Schlierbach.
Zum einen haben ihre Werke in bestehenden – oftmals gotischen – Kirchenräumen Einzug gehalten. Zum anderen übernahm sie auch die Ausmalung und Ausstattung von neu errichteten Sakralräumen, wie etwa die Ausstattung und Innenraumgestaltung der 1971 fertiggestellten Pfarrkirche St. Berthold in Sierninghofen-Neuzeug und die Ausgestaltung der Kapelle im Bildungshaus Schloss Puchberg in den Jahren 1981 – 1983. Die zentrale Wand in Sierninghofen prägen ein überlebensgroßes Kreuz und ein Wandteppich mit Themen aus der Apokalypse. Vor allem das sogenannte „Neuzeuger Kruzifix“ stand über das Pfarrgebiet hinaus im Kreuzfeuer der Kritik. Auch viele andere Werke von Lydia Roppolt, die sich selbst als „Malerin moderner Glasbilder“ bezeichnete, sorgten zu ihren Lebzeiten für Kontroversen und Empörung und waren Zielscheibe von Polemiken. Einen ersten Höhepunkt erreichte diese Polarisierung mit der Verhängung des 1960 gemalten Kreuzigungsfreskos in der Pfarrkirche St. Johann in Engstetten in Niederösterreich. Nach massivem Widerstand gegen das Werk und dem Tenor „So kann man den Gottessohn nicht zeigen“ wurde das Fresko hinter einem Vorhang verborgen. Erst nach einem halben Jahrhundert wurde im Jahr 2016 der Vorhang, der das Werk temporär verhüllen sollte, dauerhaft entfernt.
© Jack Haijes, © Pfarre Linz-Auwiesen
Das Konradfest in Oberwang initiiert
Lydia Roppolt war Mitglied der „Benediktinischen Laiengemeinschaft“, einer klosterähnlichen Lebensgemeinschaft, deren Mitglieder in einem gemeinsamen Haushalt in Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam lebten. Die Gemeinschaft wurde um 1918 von Emma Agnes Roppolt, der Adoptivmutter von Lydia Roppolt, gegründet. Mit der in Oberwang beheimateten Veronika Widlroither verstarb im Jahr 2010 das letzte Mitglied dieser Gemeinschaft. Geistliches Zentrum der Gemeinschaft war die Konradkirche in Oberwang am Mondsee. Die gotische Kirche mit dem frühbarocken Hochaltar von Hans Waldburger wurde auf Initiative von Emma Agnes Roppolt 1969 renoviert, Lydia Roppolt stattete die Kirche u. a. mit Glasfenstern, Altar und Tapisserien aus. Auch das Orgelprospekt trägt ihre Handschrift. 1986 ließ sie einen Anbau an das Nordportal errichtet und richtete dort eine Grablege für ihre Mutter Emma Agnes Roppolt ein. Nach ihrem Tod 1995 wurde die Künstlerin selbst dort bestattet. In unmittelbarer Nähe zur Konradkirche richtete Lydia Roppolt ab 1967 ihr Atelier ein. Die jährlichen Konradfeste zu Ehren des seligen Abtes Konrad von Mondsee jeweils Anfang August wurden von ihr initiiert und waren in den Jahren 1988 bis 2005 ein kultureller und spiritueller Fixpunkt in der Region und weit darüber hinaus. Im Jahr 2021 wurde das Konradfest auf Initiative des ehemaligen Mondseer Pfarrers Ernst Wageneder und des Dirigenten Martin Haselböck im Rahmen des neu gegründeten „KIRCH’KLANG Festivals Salzkammergut“ wieder zum Leben erweckt. Das Konradfest 2022 findet am Sonntag, 7. August 2022 statt.
© Pfarre Oberwang
Buchtipp
Das Werk von Lydia Roppolt ist in dem 2005 erschienenen Buch von Erich Kaessmayer und Roland L. Schachel „Lydia Roppolt: Sakrales – Monumentales“ umfangreich dokumentiert (Verlag Bibliothek der Provinz, ISBN 978-3-85252-638-6).
Veranstaltungen im Gedenken an Lydia Roppolt
Lydia Roppolt genoss als zeitgenössische Künstlerin das Vertrauen vieler kirchlicher Auftraggeber, mit denen sie über ihre Kunst hinaus regen Austausch pflegte. Die Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern ist auch heute ein wesentlicher Auftrag des Kunstreferates der Diözese Linz.
Anlässlich des 100. Geburtstages von Lydia Roppolt sind 2022 Veranstaltungen im Rahmen des Bildungshauses Schloss Puchberg und des Diözesankunstvereins Linz geplant.
Am 17. März 2022 findet um 19.00 Uhr in der Konradkirche in Oberwang ein Gedenkgottesdienst zum 100. Geburtstag von Lydia Roppolt statt.
Das von Lydia Roppolt ins Leben gerufene Konradfest wird am 7. August 2022 begangen. Den Festgottesdienst um 11 Uhr feiert Bischof Manfred Scheuer mit den Gläubigen. Prof. Martin Haselböck übernimmt die musikalische Leitung. Musiziert wird die „Messe modale“ für Sopran, Alt, Flöte und Streichquartett von Jehan Alain; als Uraufführung sind „Vier Bilder nach Gedichten von Elisabeth Meinhard und Else Lasker-Schüler“ für Streichquartett, Schlagwerk und Alt-Solo von Tanja Elisa Glinsner zu hören. Beim Konzert um 15.00 Uhr erklingen „Liebe und Schmerz – 3. Streichquartett“ von Rainer Bischof und als Uraufführung „Zerstreuter Schatten – Nachtgeschrei. Lebensskizzen des Konrad von Mondsee in sieben Bildern für Rezitation, Gesang und Ensemble“ von Marco Lemke (Text: Ernst Wageneder). Infos: www.kirchklang.at
In Niederösterreich in der Pfarrkirche St. Johann / Engstetten feiert am 16. März 2022 um 19.30 Uhr Dechant P. Jacobus Tisch einen Gedenkgottesdienst mit der Gemeinde. Anschließend wird bei „In memoriam Lydia Roppolt“ des Lebens und des künstlerischen Schaffens von Lydia Roppolt gedacht. Inhaltliche Beiträge kommen von Thomas Pichler und Josef Penzendorfer, die musikalische Gestaltung übernimmt der Lehrer-Vierg’sang.
Text: Martina Gelsinger / Kunstreferat der Diözese Linz