Fehlende weibliche Vorbilder – Seelsorgerin in den 1980er Jahren
Warum haben Sie sich für einen „gesendeten Beruf“ entschieden?
Veronika Kitzmüller: Als Jungscharleiterin habe ich bei einem Kurs eine Frau kennengelernt, die als ausgebildete Jugendleiterin von diesem Beruf erzählt und mich neugierig gemacht hat. (Sie hatte die Jugendleiterschule am Seminar für kirchliche Berufe absolviert.) Kurz vor meiner Matura 1981 konnte ich dann am Interessentenseminar im Seminar für kirchliche Berufe teilnehmen. Noch am selben Wochenende wurde mir mitgeteilt, dass ich aufgenommen bin. Schließlich konnte ich mich im Laufe der vierjährigen Ausbildung dann immer mehr für diesen Beruf entscheiden.
Margareta Gschwandtner: Bei mir war es eine Art Berufung, die ich gefühlt habe.
Was waren die Umstände ihres Berufseinstiegs – gesamtgesellschaftlich und kirchlich?
Gschwandtner: Ich erinnere mich an hoffnungsvolle Umstände, nachdem Bischof Maximilian Aichern 1981 ernannt wurde. Viele empfanden dadurch eine Art Aufbruchstimmung.
Kitzmüller: Mitte der 1980er Jahre haben aber nach umstrittenen Bischofsentscheidungen viele Menschen in den Pfarrgemeinden und Einrichtungen ihren Protest geäußert. Außerdem wurden Forderungen laut, das II. Vatikanum ernst zu nehmen.
Gesamtgesellschaftlich entstand nach dem Engagement in Hainburg und durch den Einsatz einzelner Führungspersönlichkeiten die Gründung der Grünen Partei. Und die Frauenbewegung wirkte auch in die Kirche hinein. Wobei sich damals eine große Kluft zeigte: Die Frage des Frauenpriestertums war für viele in den Pfarrgemeinden und in der Diözese undenkbar, in meiner Ausbildungszeit von 1981 bis 1985 sprachen wir hingegen damals schon von Gemeindeleiterinnen.
Welche Aufgaben haben Sie vorrangig übernommen?
Gschwandtner: Gerade zu Beginn war ich vor allem in der Kinder- und Jugendarbeit tätig, übernahm Predigtdienste und liturgische Einsätze.
Kitzmüller: Bei mir war es ähnlich, ich habe als Dekanatsjugendleiterin im Dekanat Frankenmarkt begonnen und war später in der selben Funktion im Dekanat Schörfling tätig. Wichtig war für mich immer die Anbindung an die Wohnpfarre, durch die Mitarbeit im Pfarrgemeinderat und in der Gottesdienstgemeinde, aufrechtzuhalten. Gleichzeitig war ich mit der Katholischen Jugend Linz in den verschiedenen Gremien sehr verbunden.
Wie sah es mit der Akzeptanz durch Kleriker und die Pfarrbevölkerung aus?
Kitzmüller: Zu Beginn war mein Beruf für alle neu – inklusive mir! Es lag also an mir hineinzuwachsen und das Berufsbild auch zu prägen. Ich hatte den Eindruck, dass ich mit der Zeit als Person akzeptiert wurde und dadurch auch mein Beruf. Meine persönlichen Vorstellungen, etwa zum Frauenpriestertum oder mein feministisches Gottesbild, habe ich jedoch nicht überall geäußert – weil es nichts gebracht hätte.
Gschwandtner: Als Nachfolgerin von Waltraud und Herbert Mitterlehner in Laakirchen, war es für mich etwas einfacher, weil die Pfarre schon vor mir das Pastoralassistent*innen-Ehepaar hatte. Manche Kleriker im Dekanat waren mir gegenüber dennoch scheu und abwartend.
Was waren die persönlichen, kirchlichen, pastoralen und gesellschaftlichen Herausforderungen in den ersten Jahren Ihrer Berufstätigkeit?
Kitzmüller: Ich fand es herausfordernd, das Berufsbild ohne weibliche Vorbilder zu leben und in einer Kirche zu arbeiten, die sich durch ihre offiziellen Vertreter für viele als unglaubwürdig zeigt.
Gschwandtner: Für mich persönlich stellte sich die Frage: Wie wachse ich in dieses Berufsfeld hinein? Aber auch, wie werde ich den hohen Anforderungen gerecht. Als Lai*in durfte man nicht enttäuschen. In der Pastoral war es mein Wunsch für die Menschen da zu sein und verbindend zu wirken in der Gesellschaft. An meinem zweiten Posten in Steyrermühl war die Übernahme einer Leitungsaufgabe herausfordernd.
Welche kirchlichen Themen haben Sie in den ersten Jahren beschäftigt? (Auch hinsichtlich des Selbstverständnisses ihres Berufes)
Gschwandtner: Bei mir war es schon auch die Akzeptanz einer Laienseelsorgerin in Kirche und Gesellschaft. Außerdem ging es mir um eine Kirche die zu den Menschen geht. Die gute Zusammenarbeit unterschiedlicher Kräfte war mir wichtig, genauso wie offene Seelsorge.
Kitzmüller: Mich hat auch die Akzeptanz von Frauen in dieser Rolle beschäftigt. So wurde ich schon als Ehrenamtliche in der Jugendarbeit als Seelsorgerin bezeichnet. Später wurde mir diese Bezeichnung wieder abgesprochen, weil eine Frau ja keine Seelsorgerin sein kann.
Was schätzen Sie an ihrem Beruf bzw. was haben Sie geschätzt? Oder anders gefragt: Was ist das Schöne am Beruf Seelsorger*in?
Kitzmüller: Für mich ist es die Nähe zu den Menschen, auf einer Ebene, auf der die Lebensthemen Platz haben. Aber auch das Ermöglichen wie zum Beispiel die Vorbereitung auf die Sakramente und Sakramentalien sowie die Feier derselben. Ich darf den Menschen zusprechen, dass ihr Leben in allen Situationen von göttlicher Kraft gehalten ist und uns diese gemeinsame Hoffnung tragen kann.
Gschwandtner: Für mich ist es auch das „bei den Menschen sein“, die Gespräche, das Zuhören und Dasein anbieten können. Und auch dass wir Gottes Liebe miteinander erfahren können und das Leben in seiner Vielfalt erfahren dürfen.
Warum würden Sie einer Person, die überlegt Seelsorger*in zu werden, diesen Beruf heute noch empfehlen?
Kitzmüller: Wegen genau dieser Erfahrungen, die ich eben beschrieben habe.
Gschwandter: Weil dieser Beruf erfüllt, weil man tief mit den Menschen (und damit auch mit Gott) verbunden sein kann und weil es viele Chancen gibt mit dem Leben in Kontakt zu kommen.
Das Interview führte Melanie Wurzer