Handyfasten: "Ich bin dann mal offline ..."
Für viele Menschen ein ständiger Begleiter im Alltag: das Smartphone. © JESHOOTS-com/www.pixabay.com/CC0 1.0
In der Mittagspause, wenn das eigene Kind schläft oder einfach so mal zwischendurch – sobald eine freie Minute verfügbar ist, zücken viele Menschen intuitiv ihr Smartphone. Hat mir jemand auf WhatsApp geschrieben? Was tut sich auf Instagram? Wie viele Likes hat mein Facebook-Beitrag? Für die meisten NutzerInnen ist der Blick aufs Smartphone zur Gewohnheit geworden. Der Glaube, ständig erreichbar sein zu müssen oder die Sorge, etwas zu verpassen, können stressen.
Doch: Muss ich überhaupt ständig mein Smartphone eingeschaltet haben? Wie viel Handykonsum mute ich mir eigentlich zu? Bleibt genug Zeit für andere Dinge, die mir wichtig sind? Die Fastenzeit bietet Anlass, die Sinne für das Wesentliche zu schärfen und dabei die eigenen Gewohnheiten zu überdenken.
Fasten zur Selbstreflexion
Handyfasten könnte als ein „Selbstversuch“ betrachtet werden, um zu sehen: „Was schaffe ich denn überhaupt noch und was nicht?“, meint Prim. Dr. Kurosch Yazdi, Leiter der Abteilung für Suchterkrankungen im Kepler Universitätsklinikum Linz. „Vielleicht ist es mir gar nicht so schwergefallen, ohne Handy auszukommen. Vielleicht hab‘ ich wieder andere Dinge erlebt. Dinge haben mir Freude gemacht, die mir schon lange keine Freude machten.“ Und möglicherweise stellt dabei jemand fest: „Eigentlich schmeckt mir das Essen mehr, wenn ich das Handy dabei ausschalte“, erklärt Yazdi.
Prim. Dr. Kurosch Yazdi, Leiter der Abteilung für Suchterkrankungen im Kepler Universitätsklinikum, plädiert für eine längerfristige Umstellung des Medienverhaltens. © gespag
Fasten nur während der Fastenzeit? Das würde wenig bringen, ist Yazdi überzeugt: „Das Um und Auf ist eigentlich: Was mache ich langfristig mit dieser Erfahrung?“ Wenn die Erkenntnisse, die durch das Fasten gewonnen werden, schließlich in das „echte Leben“ übertragen würden, dann sei Fasten sinnvoll.
Handyfasten heißt nicht, auf das Smartphone zur Gänze verzichten zu müssen. Vielmehr bedeutet es, sich zurückzunehmen und eine bewusste Nutzung anzustreben. Auf die individuelle Balance kommt es an.
Dessen ist sich auch Bischof Dr. Manfred Scheuer sicher: „In der Österlichen Bußzeit kann es darum gehen, das Leben zu ordnen und dabei mit den ganz gewöhnlichen und alltäglichen Dingen zu beginnen (…). Gefragt ist nicht eine übertriebene Askese, sondern das rechte Maß, das gute Gleichgewicht (…)“, schreibt er im Bischofswort für die Österliche Bußzeit 2020. In Anbetracht einer leistungsorientierten Gesellschaft sehnen sich viele Menschen nach einer Kultur jenseits des „Müssens“. Umso mehr lädt die Fastenzeit ein, innezuhalten und nachzuspüren: „Was ist mir angemessen? Was ist mein rechtes Maß?“
Auf das "rechte Maß" kommt es an. © uschi2807/www.pixabay.com/CC0 1.0
Handyfasten, Digital Detox & Co.
Handyfasten liegt durchaus im Trend. Manche sprechen in diesem Zusammenhang auch von „Digital Detox“, also einer digitalen Entgiftung. Viele wollen offline sein, zumindest des Öfteren. Die eigene Umgebung bewusster wahrnehmen, das persönliche Gespräch suchen anstatt WhatsApp-Nachrichten zu schreiben – kurzum: die eigene Routine durchbrechen, Raum und Zeit für Neues schaffen und weitere Möglichkeiten des Lebens entdecken, für all das könnte Handyfasten ein Anreiz sein – nicht nur während der Fastenzeit, sondern das ganze Jahr hindurch.
Aufs Handy verzichten – wie wäre das für Sie? Wir haben uns umgehört:
Meinungsumfrage in der Linzer Altstadt am 12.03.2020.
Hören Sie auch: Kurosch Yazdi über das Handyfasten in „Himmel auf Erden“ am 15.3.2020.
(uw)