Freitag 29. März 2024

Jägerstätter-Gedenken 2017: Ein Glaubenszeugnis, das nur schwer fassbar ist

Bischof Manfred Scheuer (r.) verschenkte die ersten Exemplare seines neuen Buches an Dr. Józef Niewiadomski (l.) und die Jägerstätter-Töchter Aloisia Maier (2. v. l.) und Maria Dammer.

Die Gedenkveranstaltung zum 74. Todestag des oberösterreichischen Seligen Franz Jägerstätter am 8. und 9. August 2017 in dessen Heimat St. Radegund nahm die „Vielfalt und Bedeutung der MärtyrerInnen der NS-Zeit“ in den Blick.

„Kraft zum Widerstand“ lautet auch der Titel des neuen Buches von Bischof Manfred Scheuer, das beim Gedenken vorgestellt wurde. Der Vortrag von Prof. Dr. Józef Niewiadomski und die Predigt von Bischof Manfred Scheuer machten klar: Das Glaubenszeugnis von Märtyrern wie Franz Jägerstätter ist aufwühlend, irritierend und schwer fassbar.

 

Der Innviertler Landwirt und Familienvater hatte sich aus Glaubensgründen geweigert, mit der Waffe für das Nazi-Regime in den Krieg zu ziehen. Daraufhin wurde er vom Reichskriegsgericht in Berlin wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tod verurteilt und am 9. August 1943 hingerichtet.


Das jährliche Jägerstätter-Gedenken wird von der christlichen Friedensinitiative Pax Christi und der Pfarre St. Radegund organisiert. Es begann bereits am 8. August 2017 mit einem Abendgebet in der Kirche St. Radegund. Zum eigentlichen Gedenktag am 9. August kamen rund 60 Personen: aus Österreich, aus Deutschland, aber auch aus Italien. Unter den TeilnehmerInnen waren Diözesanbischof Dr. Manfred Scheuer, die drei Jägerstätter-Töchter Maria Dammer, Aloisia Maier und Rosalia Sigl, Jägerstätter-Biografin Dr.in Erna Putz, der Vorsitzende des Jägerstätter-Beirats Bischofsvikar Mag. Maximilian Mittendorfer, Mitglieder von Pax Christi, der Pfarrer von St. Radegund und Pfarradministrator von Tarsdorf Mag. Josef Steinkellner und der Schauspieler Franz Froschauer, der in Thomas Baums Theaterstück „Der Fall Gruber“ den Priester und Reformpädagogen Johann Gruber verkörpert.


Am Vormittag referierte im Pfarrsaal Tarsdorf um 9.30 Uhr Univ.-Prof. Dr. Józef Niewiadomski, Professor am Institut für Systematische Theologie mit Fachgebiet Dogmatik an der Universität Innsbruck, zum Thema: „'Eine Wolke von Zeugen umgibt uns' (Hebr 12,1). Vielfalt und Bedeutung der MärtyrerInnen der NS-Zeit.“ Der Dogmatiker zeichnete in seinen Ausführungen die einsamen Glaubensentscheidungen dreier „Brüder im Geiste“ nach: Franz Jägerstätter, Pater Franz Reinisch und Josef Mayr-Nusser. Jägerstätter und Mayr-Nusser wurden bereits seliggesprochen, für Reinisch läuft das Seligsprechungsverfahren. Ihre Gewissensentscheidung, die bis zuletzt von ungeheuren Gewissenskonflikten begleitet war, sei an den Willen eines liebenden Gottes gebunden gewesen. Ohne den Tiefgang ihrer gelebten Religiosität sei ihr Dilemma, ihr Verständnis von Glauben und ihr Martyrium nicht zu verstehen, betonte Niewiadomski. Die erfolgte bzw. angestrebte Seligsprechung dieser Menschen mit der Hochschätzung des Gewissens und der Mündigkeit jedes einzelnen Menschen habe für die Frage nach dem Gehorsam neue Referenzpunkte geschaffen, so der Dogmatiker.


Niewiadomski hatte im Zuge des Seligsprechungsverfahrens von Franz Jägerstätter, dessen Martyrium nach den Worten von Bischof Scheuer massiv angefragt und hinterfragt wurde, ein diesbezügliches Gutachten erstellt, das „den Prozess wesentlich beschleunigt hat“, wie Bischof Manfred Scheuer hervorhob.


In der Diskussion nach dem Vortrag betonte Jägerstätter-Biografin Erna Putz, sie staune fast täglich, „welche Strahlkraft Franz Jägerstätter hat“. Menschen aus dem In- und Ausland und auch viele Jugendliche würden sich für den Seligen begeistern und mehr von ihm erfahren wollen, so Putz.

 

 

„Mut zum Widerstand“: Neues Buch von Bischof Scheuer über NS-GlaubenszeugInnen


Franz Jägerstätter ist einer von zehn ausgewählten GlaubenszeugInnen und Märtyrer in der Zeit des Nationalsozialismus, die Bischof Manfred Scheuer in seinem neuen Buch porträtiert. Nachgegangen wird dabei auch der Frage nach der Kraft, aus der sich ihr Widerstand nährte. „Kraft zum Widerstand“, soeben im Tyrolia Verlag erschienen, wurde beim Gedenken von Bischof Scheuer selbst vorgestellt.


Im Buch finden sich beeindruckende Biografien von GlaubenszeugInnen und MärtyrerInnen, die in der NS-Zeit den christlichen Glauben der Gewalt des Nationalsozialismus gegenüberstellten. „Nicht Kerker, nicht Fesseln auch nicht der Tod sind imstande, einen von der Liebe Gottes zu trennen, ihm seinen Glauben und den freien Willen zu rauben. Gottes Macht ist unbesiegbar.“ So schrieb etwa Franz Jägerstätter, dessen Seligsprechung sich am 26. Oktober 2017 zum 10. Mal jährt. Diese Haltung teilte er mit vielen anderen Christinnen und Christen. Otto Neururer wurde wegen verbotener Ausübung seines Priesteramtes ermordet, Jakob Gapp wegen seiner Predigten gegen den Nationalsozialismus, Carl Lampert setzte sich für Geistliche ein, die unter den Repressalien des NS-Regimes zu leiden hatten und Clemens August von Galen trat öffentlich gegen die Tötung sogenannten „lebensunwerten Lebens“ auf. Engelmar Unzeitig kam bei seiner Sorge um Hungernde, Kranke und Sterbende im KZ Dachau ums Leben, Johann Gruber wurde für seine geheime Hilfsorganisation für Häftlinge im KZ Gusen ermordet und Angela Autsch starb als „Engel von Auschwitz“. Josef Mayr-Nusser ließ man als Treueeid-Verweigerer verhungern und Franz Reinisch wurde hingerichtet, weil er keinen Fahneneid leisten wollte.


Die ersten noch druckfrischen Exemplare seines neuen Buches überreichte Bischof Manfred Scheuer Professor Józef Niewiadomski, dem er für seine Verdienste als Gutachter im Seligsprechungsverfahren für Franz Jägerstätter dankte, sowie den Jägerstätter-Töchtern Maria Dammer und Aloisia Maier.


Manfred Scheuer
Kraft zum Widerstand
Glaubenszeugen im Nationalsozialismus


136 Seiten, 10 sw. Abb., 12,5 x 20,5 cm
gebunden mit SU und Lesebändchen
Tyrolia-Verlag, Innsbruck-Wien 2017
ISBN 978-3-7022-3632-8
Preis: € 17,95    
Auch als E-Book erhältlich: ISBN 978-3-7022-3649-6, € 14,99

 

Erhältlich im Behelfsdienst der Diözese Linz (www.behelfsdienst.at) und im Buchhandel.

 

 

Gedenken im Gebet


Um 14 Uhr führte eine Fußwallfahrt von Tarsdorf nach St. Radegund, wo um 16 Uhr eine Andacht zur Todesstunde von Franz Jägerstätter stattfand, die von Pax Christi gestaltet wurde.


Um 18.45 Uhr wurde eine „Jägerstätter-Vesper“ gebetet und gesungen, die der Franziskanerpater Johannes Schneider aus Salzburg komponiert hat. Der Hymnus folgt der Melodie des Liedes „Du Sonne der Gerechtigkeit“ (Gotteslob Nr. 269), die drei Antiphonen vertonen Sätze aus dem Abschiedsbrief Franz Jägerstätters.

 

 

„Märtyrer wie Jägerstätter konfrontieren uns mit den Herausforderungen des Glaubens“


Um 19.30 Uhr feierte Bischof Manfred Scheuer mit den TeilnehmerInnen die Hl. Messe in der Pfarrkirche von St. Radegund. Bei diesem abendlichen Gottesdienst ging der Diözesanbischof in seiner Predigt der Frage nach, inwieweit Märtyrer wie Frag Jägerstätter wegweisend für ein glückendes Leben sein können. „Ich glaube, dass dieser ganze Jägerstätter-Hype vor allem dazu dient, die Kirche wieder in ein besseres Licht zu rücken“, zitierte Scheuer die Zeilen einer 18-jährigen Schülerin aus dem SchülerInnenwettbewerb „Briefe an die Jägerstätters“ vor 10 Jahren. Dieses Projekt habe gezeigt, so Scheuer, dass der Umgang mit Jägerstätter auch in der dritten Generation nach seinem Tod „Irritation, Unverständnis, aber auch Bewunderung und Lob“ auslöse und sein Schicksal niemanden unberührt lasse. Die Kirche habe mit Jägerstätters Seligsprechung die Irritation und Auseinandersetzung mit dessen Glaubenszeugnis „tief in ihre eigenen Reihen hineingetragen“, betonte der Bischof. Denn: „Märtyrer wie Jägerstätter konfrontieren uns mit den Herausforderungen des Glaubens.“ Es sei für die wenigsten nachvollziehbar, was das unbedingte Zeugnis in jener Zeit bedeutete, die das Einstehen für den christlichen Glauben zu einer Sache auf Leben und Tod gemacht habe. Scheuer wörtlich: „Die Kirche hat mit der Seligsprechung Franz Jägerstätters nicht den Weg der Geschichtsklitterung und notorischen Einlullung in fromme Rückschauen beschritten, nein, sie hat aktiv einen Ausgang aus der Komfortzone gesucht.“


Der Umgang mit Märtyrern wie Franz Jägerstätter sei eine kritische Anfrage an ChristInnen in der Gegenwart, denn, so machte Bischof Scheuer deutlich: „Auch unsere Zeit lässt keinen Zweifel daran, dass der Kampf von Gut gegen Böse noch nicht letztendlich ausgefochten ist. Er begegnet in Formen kriegerischer Auseinandersetzung und in unzähligen Spielarten der Gewalt, kommt aber auch im unscheinbaren Alltag in lebensfeindlichen Strukturen daher. Wir treffen genügend oft auf gott- und menschenverneinende Mechanismen. Wie sehr sind wir davor gefeit, Phänomene des Unrechts verhüllt zu lassen oder besser gar nicht genauer hinzusehen?“


Zentrale Triebfeder von Franz Jägerstätter sei die Hoffnung auf Gott und die letztliche Gültigkeit seiner Herrschaft bzw. Durchsetzung von Gottes Liebe gewesen, so Scheuer. Das Gedenken an die Märtyrer sei deshalb „keine Huldigung eines Heroismus, sondern Ausdruck eines unbedingten Vertrauens in Gott, menschenfeindliche Strukturen aufzulösen und seine Gnade letztgültig wirken zu lassen“. Jägerstätters Zeugnis sei nur schwer fassbar: Er werde als Vorbild angesehen und rufe gleichzeitig Unverständnis hervor. „Was kaum jemand in Frage stellt, ist aber die Tatsache, dass es für ihn letztlich aus dem Glauben heraus keine andere Wahl gab“, betonte der Bischof. Dies habe die 18-jährige Schülerin Simone in ihrem Brief an Franz Jägerstätter auf den Punkt gebracht, indem sie schrieb: „Sie wären nie glücklich geworden, falls Sie sich anders entschieden hätten. Sie hätten es nicht übers Herz gebracht, andere Menschen zu erschießen und auch nicht, Gott auf diese Art und Weise zu verleugnen. Sie müssen so glücklich sein wie niemand sonst.“


Der selige Franz Jägerstätter sei sich und Gottes Anspruch treu geblieben, er habe auf sein Glück hingewirkt, schloss Scheuer. „Glückendes Leben ist nicht gleichbedeutend mit Lebenshingabe. Aber glückendes Leben ist sehr wohl gleichbedeutend mit dem christlichen Anspruch, das eigene Leben im Einklang mit dem zu bringen, was Gott uns zugedacht hat.“ Jägerstätter könne daher Leitbild und Wegweiser in der existentiellen Frage sein, wie menschliches Leben glücken könne.

 

Den Abschluss des heurigen Gedenkens bildete eine Lichterprozession zum Grab von Franz und Franziska Jägerstätter (1913-2013), der Frau des seligen Franz Jägerstätter.

 

 

Vorschau: Gedenkveranstaltung im März 2018 in Dachau geplant


Jägerstätter-Biografin Dr.in Erna Putz kündigte beim Gedenken eine Veranstaltung an, die für das kommende Jahr geplant ist: Im März 2018 ist es 80 Jahre her, dass deutsche Truppen in Österreich einmarschierten. Deshalb ist für den 13. März eine Fahrt nach Dachau geplant. In der KZ-Gedenkstätte Dachau soll der (ober)österreichischen Opfer des NS-Regimes gedacht werden. Direkt vor der Todesangst-Christi-Kapelle befindet sich eine Gedächtnisglocke, die täglich um 15.00 Uhr – nach biblischer Angabe die Todesstunde Jesu – läutet. Nur wenige wissen, dass diese Glocke von österreichischen Überlebenden gestiftet wurde.

 

Mehr Infos zu Franz und Franziska Jägerstätter:
www.jaegerstaetter.at

 

 

Presseunterlagen zum Download

 

Pressemitteilung zum Download (doc / PDF)


Fotos: honorarfrei (Credit: Diözese Linz / Kraml)


Foto 1: Bischof Manfred Scheuer stellte sein neues Buch vor.


Foto 2: Bischof Manfred Scheuer (r.) verschenkte die ersten Exemplare seines neuen Buches an Dr. Józef Niewiadomski (l.) und die Jägerstätter-Töchter Aloisia Maier (2. v. l.) und Maria Dammer.


Foto 3: Fußwallfahrt von Tarsdorf nach St. Radegund: Zwischenstation beim Jägerstätter-Haus.


Foto 4: Ankunft der WallfahrerInnen bei der Kirche von St. Radegund.


Foto 5: Cover des Buches „Kraft zum Widerstand“ von Bischof Manfred Scheuer

 

 

 

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