Festakt zum Jubiläum "50 Jahre Synagoge Linz"
Dr.in Charlotte Herman, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Linz, konnte als Gäste u. a. den Linzer Bischof Manfred Scheuer, Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer, den Linzer Bürgermeister MMag. Klaus Luger, die Botschafterin des Staates Israel Talya Lador-Fresher und den ehemaligen Wiener Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg begrüßen. Ebenso gekommen waren Bischof em. Dr. Maximilian Aichern, der evangelische Superintendent Dr. Gerold Lehner und Lic. Murat Baser, Vorsitzender der Islamischen Religionsgemeinde Linz.
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Die ursprüngliche Linzer Synagoge war während der November-Pogrome 1938 der Zerstörungswut der Nazis zum Opfer gefallen. 1955 begannen konkrete Überlegungen für die Errichtung eines Neubaus auf den Grundmauern der zerstörten Synagoge. Nach einem Jahr Bauzeit wurde die neue Synagoge am 2. April 1968 geweiht. Die Linzer Synagoge war damit die erste unter den österreichischen Synagogen, die nach dem Krieg wieder errichtet wurde.
Gedenken, Würdigung und Verantwortung im Heute
Die Fest- und Ehrengäste, die Männer ausnahmslos nach jüdischer Tradition mit Kopfbedeckung oder Kippa ausgestattet, fanden sich im festlich beleuchteten Betraum bei Klaviermusik ein.
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Dr.in Charlotte Herman begrüßte zum Jubiläum, das – neben vielen Gedenkveranstaltungen schmerzlicher Erinnerung in diesem Jahr – einen Anlass zur Freude für die Kultusgemeinde darstellt. Den Neubau und die Einweihung der Synagoge, die eine beachtliche architektonische und künstlerische Qualität aufweist, hat sie selbst als Kind miterlebt. Darüber hinaus betonte sie den Wert des interreligiösen Dialogs und der Zusammenarbeit mit nicht-religiösen Institutionen in Oberösterreich.
Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Dr.in Charlotte Herman. © FOTOKERSCHI.AT / KERSCHBAUMMAYR
Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer erinnerte in seiner Ansprache an die Zerstörung der Linzer Synagoge im November 1938, die den Auftakt zur systematischen Verfolgung des jüdischen Volkes bildete, und an den vertrauensvollen Neuanfang, den die zurückgekehrten, überlebenden Jüdinnen und Juden mit dem Neubau der Synagoge stifteten. Er sprach sich dafür aus, gegen jede Form des Antisemitismus vorzugehen und jüdische Religiosität als Teil der Gesellschaft zu schützen.
Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer. © FOTOKERSCHI.AT / KERSCHBAUMMAYR
Bürgermeister MMag. Klaus Luger verwies auf die antisemitischen Ressentiments in der Geschichte der Stadt, in der auch die Kriegsverbrecher Adolf Eichmann und Ernst Kaltenbrunner in ihrer Jugendzeit sozialisiert wurden. Er bedankte sich für das Engagement der Israelitischen Kultusgemeinde in der Gesellschaft und sieht gegenwärtig politische Entscheidungsträger in der Verantwortung, Lehren aus der Geschichte zu ziehen: niemanden auszuschließen, wegzudrängen oder nach Herkunft und Religion zu bewerten.
Bürgermeister MMag. Klaus Luger. © FOTOKERSCHI.AT / KERSCHBAUMMAYR
Die Botschafterin des Staates Israel Talya Lador-Fresher fand kritische Worte bei ihrem „nicht einfachen Besuch in Linz“. Die Stadt sei für Jüdinnen und Juden untrennbar mit Adolf Hitler und Adolf Eichmann verbunden, so Lador-Fresher. Sie äußerte ihr Unverständnis gegenüber der nicht vorhandenen „Stolpersteine“ oder anderer Gedenktafeln für getötete oder vertriebene Jüdinnen und Juden in Linz und betonte die Bedeutung jüdischen Lebens für diese Stadt.
Botschafterin des Staates Israel Talya Lador-Fresher. © FOTOKERSCHI.AT / KERSCHBAUMMAYR
Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg würdigte das Engagement der Israelistischen Kultusgemeinde, die trotz der viel geringeren Mitgliederzahl als in Wien jüdisches Leben in Linz gestaltet.
Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg. © FOTOKERSCHI.AT / KERSCHBAUMMAYR
Bischof Dr. Manfred Scheuer rief mit den Worten eines Klagegebets des katholischen Theologen Klaus Hemmerle die Ereignisse der sogenannten „Progromnacht“ 1938, in der die Linzer Synagoge komplett niedergebrannt wurde, in Erinnerung: „Man hat meinem Gott das Haus angezündet und die Meinen haben es getan“. Scheuer: „Der Name Gottes wurde geschändet, als in der Nacht von 9. auf 10. November 1938 in Linz jüdische Wohnungen völlig zerstört und die Synagoge zertrümmert wurde. Gegenwärtiger Antisemitismus in Europa und auch bei uns ist ein Anschlag auf die Heiligkeit des Ewigen.“
Fast 80 Jahre danach bleibe die Erinnerung an die „Reichskristallnacht“, an die Deportation der Linzer Juden im Mai und im November 1938, an die Ermordung der oberösterreichischen Juden, die Erinnerung an die Zerstörung der Linzer Synagoge im November 1938 und an die Shoah „für Christen durch den Gedanken der Verstrickung in Schuldzusammenhänge, das gläubige Vertrauen auf die erlösende Macht Gottes und die aufrichtige Bitte an Gott und an sein erwähltes Volk um die Schuldvergebung strukturiert“, so Scheuer. Die jahrhundertelang tradierten antijüdischen Stereotypen in der christlichen Theologie, vor allem die Anklage des Gottesmordes oder in Oberösterreich der Hostienschändung, hätten zum Gefühl der Selbstgerechtigkeit der Christen und zu einer Mentalität beigetragen, die sich vor der notwendigen Solidarität mit den ausgegrenzten und nach und nach auch dem Tod preisgegebenen Opfern des nationalsozialistischen Regimes drückte. Scheuer wörtlich: „Die Katholische Kirche in Oberösterreich stellte keine Ausnahme im Kontext dieser schmerzhaften Verstrickung dar.“
Bischof Dr. Manfred Scheuer. © FOTOKERSCHI.AT / KERSCHBAUMMAYR
Die Frage ob Kirche und Synagoge aufeinander angewiesen seien, sei christlicherseits klar positiv zu beantworten, so Bischof Scheuer. Seit der Verurteilung Marcions dürfe die wichtige Bedeutung und die bleibende Relevanz des Alten Testaments für das Christentum nicht mehr geleugnet werden.
Die neue Synagoge sei ein Ort des Gedenkens an die Ermordeten der Shoah, so der Linzer Bischof. Er betonte mit dem Worten des Theologen Johann Baptist Metz, Erinnerung sei für humane Rationalität notwendig, weil das Gedenken den Widerstand gegen Vergesslichkeit, Unempfindlichkeit und Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern fördere: "Die Erinnerung an sie ist 'gefährliche' Erinnerung, um Apathie und Fühllosigkeit in der Wahrnehmung gegenüber Leid und Opfer zu überwinden."
Bischof Manfred schloss seine Festrede in der Synagoge mit den Worten „Ich erbitte für die Synagoge und für die Israelitische Kultusgemeinde für Oberösterreich den Segen des Ewigen. Mögen Sie zum Segen werden.“
Bischof Scheuer ist auf vielfältige Weise mit dem Thema Judentum befasst. So ist er unter anderem in der Österreichischen Bischofskonferenz Zuständiger für Ökumene und Kontakte zum Judentum sowie für den Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus.
Gedanken von Bischof Manfred Scheuer zum Nachlesen
Den Ausklang des Festaktes bildete ein beeindruckendes Konzert des Wiener Oberkantors Shmuel Barzilai und des Linzer Vorbeters Ville Lignell, gesanglich unterstützt von Oberrabbiner Eisenberg.
Zur Website der Israelitischen Kultusgemeinde Linz
Gudrun Becker | Referentin für Ökumene und Judentum
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