Freitag 29. März 2024

Gedenk- und Dankfeier für Johann Gruber: Vorbild in Fürsorge, Widerstand und Wachsamkeit

Johann Gruber - viele Facetten ergeben ein stimmiges Bild.

Zu Jahresbeginn war das NS-Gerichtsurteil gegen den oö. Priester und Pädagogen Dr. Johann Gruber (1889 – 1944) aufgehoben worden. Anlässlich seines Todestages und seiner vollständigen Rehabilitierung fand am 7. April 2016 in Linz eine Gedenk- und Dankfeier statt.

Johann Gruber war 1938 in Linz als Leiter der Katholischen Blindenanstalt von der Gestapo verhaftet worden. Wegen politischer sowie angeblicher sittlicher Vergehen wurde er gerichtlich verurteilt und ins Konzentrationslager Gusen gebracht, wo er als „Engel in der Hölle“ den Mithäftlingen beistand. Am 7. April 1944, Karfreitag wurde er im Konzentrationslager Gusen zu Tode gefoltert. Der politische Teil des Urteils war bereits 1999 vom Landesgericht Linz aufgehoben worden. Am 7. Jänner 2016 hob das Landesgericht für Strafsachen in Wien das NS-Gerichtsurteil aus dem Jahr 1939 auch hinsichtlich des angeblichen Sittlichkeitsdeliktes auf. Nach mehr als 70 Jahren ist Johann Gruber damit vollständig rehabilitiert.

 

Am 7. April 2016 luden der „Papa Gruber Kreis“ von St. Georgen an der Gusen und der Helmut Wagner Verlag Linz zu einer Gedenkfeier in die Kapelle der Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz. Anwesend waren u. a. die „drei Linzer Bischöfe“ Bischof Dr. Manfred Scheuer, Bischof em. Dr. Ludwig Schwarz und Bischof em. Dr. Maximilian Aichern, VertreterInnen der Diözese Linz, des öffentlichen Lebens, der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz und von Pax Christi sowie Verwandte von Johann Gruber. Die Private Pädagogische Hochschule als Ort für diese Gedenkfeier lag nahe, da Johann Gruber viele Jahre an deren Vorgängerinstitution, der Lehrerbildungsanstalt in der Stifterstraße, gelehrt hatte.

 

 

Dr. Christoph Freudenthaler, Obmann des Vereins Plattform Johann Gruber und Vorsitzender des Fachausschusses Papa Gruber der Pfarre St. Georgen/Gusen, begrüßte neben allen Anwesenden als Ehrengast Johann Gruber. „Manchen von uns bist du sehr nahe. Viele Jahre nach deinem Tod hast du unsere Herzen berührt. Sei du in deiner Diözese herzlich willkommen.“

 

Dipl.-Päd.in Monika Weilguni, Stv. Vorsitzende des Vereins Plattform Johann Gruber und Pastoralassistentin in St. Georgen an der Gusen, verwies darauf, dass Bischof Aichern, damals Diözesanbischof, dem Kirchenhistoriker Helmut Wagner den Forschungsauftrag erteilt hatte, die Biografie von Johann Gruber zu erkunden. Der Papa Gruber Kreis habe diese Forschungsergebnisse aufgegriffen und auch die vollständige Rehabilitierung Grubers initiiert. Es sei nahegelegen, dass der Papa Gruber Kreis gemeinsam mit dem Wagner Verlag zu dieser Dank- und Gedenkfeier einlade, so Weilguni. Heuer finde die Gedenkfeier an seinem Todestag bewusst in Linz statt, um den Blick auf Johann Gruber auch in der Diözese zu richten. „Wir sind überzeugt, dass Johann Gruber eine bedeutsame Persönlichkeit ist. Nicht nur für die ehemaligen Häftlinge, denen er das Leben gerettet hat. Nicht nur für uns in St. Georgen oder in Grieskirchen. Das Zeugnis des Dr. Johann Gruber ist bedeutsam für die ganze Diözese Linz.“

 

 

Bild eines Menschen, der sein Christsein bis zum Schluss gelebt hat

 

Das Leben und Wirken von Johann Gruber wurde in mehreren Vorträgen nachgezeichnet. So entstand ein Bild aus Facetten seiner vielschichten Persönlichkeit, das auch auf dem Altar visualisiert wurde.

 

Dechant Johann Gmeiner blickte auf die Geburt und Kindheit Grubers in Grieskirchen zurück. Er skizzierte die schwere Kinderzeit des Schusterbuben und Kleinhäusler-Kindes Johann, der mit 11 Jahren innerhalb von fünf Monaten Vater und Mutter verlor.

 

Mag.a Siegi Witzany, Mitarbeiterin im Gedenkdienstkomitee Gusen, betonte, Bildung sei ein Kontinuum im Leben von Johann Gruber gewesen. Im Petrinum habe Gruber Förderung und Ermutigung erfahren und dort bereits Englisch, Französisch und Italienisch gelernt – Sprachkenntnisse, die ihm später im KZ Gusen in der Kommunikation mit Mithäftlingen zugutegekommen seien. „Bildung ist ein Ball, den Johann Gruber auffängt und mit Leidenschaft weitergibt – in all den Bereichen, in denen er für junge Menschen verantwortlich war. Letztlich ist Bildung seine Berufung und seiner Bestimmung.“ Wenn sie an ihrer Schule vor jugendlichen AsylwerberInnen stehe, denke sie nicht selten an Johann Gruber, so Witzany: „Ich bin mir ganz sicher, dass er an der Seite dieser Menschen stehen und sich für Flüchtlinge und AsylwerberInnen engagieren würde.

 

Hofrat Dr. Johannes Riedl, Landesschulrats-Präsident i. R., würdigte das christlich-humanistische Bildungsideal des Pädagogen Johann Gruber, das durch Zeugnisse seiner ehemaligen Schüler belegt werde. Grubers Grundsatz „Niemanden im Stich lassen“ charakterisiere ihn als „beherzten Pädagogen, der es verstand, mit den Augen der Kinder zu sehen“, so Riedl. Erziehung habe Gruber als Selbsthilfe, als Ermächtigung zu wertbezogener Mündigkeit verstanden. Selbst im KZ Gusen sei ihm die Vermittlung von Bildung ein Herzensanliegen gewesen. Glaubwürdigkeit und Begeisterungsfähigkeit, Zuwendung und Entschiedenheit, Gerechtigkeit und Humor zusammengenommen ergebe ein Lehrerideal, dem Gruber entsprochen habe, betonte Riedl.

 

Prälat Josef Mayr, ehemaliger Bischofsvikar und Caritas-Direktor, würdigte Gruber als außergewöhnliche und herausragende Priesterpersönlichkeit, deren Ruf durch die infame Nazi-Propaganda jedoch so nachhaltig geschädigt wurde, dass Gruber sogar in der Diözese fast ein halbes Jahrhundert totgeschwiegen wurde. Johann Gruber sei für seine Zeit ein sehr fortschrittlicher, weltoffener und zutiefst sozial eingestellter Priester gewesen. „Was er als richtig erkannte, setzte er kompromisslos durch und löste dabei manche Konflikte aus. Schon als junger Priester war er aufmüpfig und hatte den Ruf, ‚gegen alle Pfarrer‘ zu sein“, so Mayr. Auch beim Einmarsch der Hitler-Truppen habe Gruber offen seine Überzeugung gezeigt. Einer seiner Lehrer habe Direktor Gruber schließlich bei der Gestapo angezeigt und verleumdet. Auch im KZ sei Grubers geerdete Spiritualität als Priester voll zum Tragen gekommen, wie Mayr in einem Beispiel aufzeigte: „Als ihn ein Häftling gebeten hat, ihm die Kommunion zu reichen, antwortete er ihm: ‚Du brauchst keine Hostie, du brauchst eine kräftige Suppe!‘“

 

Rudolf Haunschmied, Autor, Heimatforscher und Mitbegründer der Plattform Johann Gruber, schilderte das Wirken des Häftlings „Papa Gruber“, der zuerst im Gefängnis des Landes- und Bezirksgerichtes in Linz, dann im Zuchthaus Garsten und schließlich in den Konzentrationslagern Dachau und Gusen inhaftiert war. Das Vernichtungslager Gusen bezeichneten die Häftlinge als „Vorraum zur Hölle“. „Schon 1940 kommt der für Johann Gruber bestimmende Wesenszug der tätigen Hilfe durch: Er beschafft als Revierschreiber Mithäftlingen Medikamente und Verbandsmaterial“, schilderte Haunschmied. In späteren Funktionen im Lager hatte „Papa Gruber“, wie er von den Häftlingen genannt wurde, zahlreiche Außenkontakte und damit die Möglichkeit, ab 1942 eine Art Hilfswerk im Lager aufzubauen – „so konnte er unzähligen jungen Häftlingen etwa durch zusätzliche Nahrungsmittel oder die Vermittlung in andere Kommandos ein Überleben ermöglichen“. Gruber organisierte etwa eine Suppe, die er am Abend an die Schwächsten austeilte – die legendär gewordene „Gruber-Suppe“. “ Darüber hinaus organisierte er geheime Bildungsangebote, etwa Russisch-Kurse für junge Franzosen. Er schaffte es auch, Informationen über die schrecklichen Zustände aus dem Lager hinauszuschleusen, was letztlich sein Todesurteil bedeutete. Haunschmied: „Im Lager hat Johann Gruber eine sehr große menschliche Lücke hinterlassen. Überlebende Häftlinge haben unmittelbar nach ihrer Befreiung im Mai 1945 Zeugnis für ihn abgelegt und 1987 seine Seligsprechung beantragt. Diesen Überlebenden haben wir es zu verdanken, dass wir diesen Märtyrer des österreichischen Widerstandes wiederentdeckt haben.“

 

DDr. Helmut Wagner, Kirchenhistoriker, Verleger und Autor der „Gruber-Biografie“ (Dr. Johann Gruber: Priester – Lehrer – Patriot. Nonkonformität und ihre Folgen in der Zeit des Nationalsozialismus), erläuterte die diözesane Rezeptionsgeschichte Grubers. Die Beschäftigung mit Grubers Biografie habe in ihm Bitterkeit darüber ausgelöst, dass Gruber nach 1945 ein zweites Mal gestorben sei. „Gruber hatte keinen Raum mehr in der Institution, in der er so viel getan hat. Nun geht wohl ein sehnlicher Wunsch von Johann Gruber in Erfüllung: in seiner Kirche wieder aufgenommen zu werden und einen Platz zu bekommen, der ihm gebührt.“ Möglich geworden sei dies, so Wagner, durch Weggefährten und Mithäftlinge Grubers, frühe AktivistInnen, den Papa Gruber Kreis bzw. diözesane Persönlichkeiten, unter ihnen Bischof em. Maximilian Aichern.

 

Dr. Christoph Freudenthaler, Obmann des Vereins Plattform Johann Gruber und Vorsitzender des Fachausschusses Papa Gruber der Pfarre St. Georgen/Gusen, skizzierte den weiten Weg bis zur vollständigen Rehabilitation von Johann Gruber am 7. Jänner 2016. „Die rechtliche Rehabilitierung Grubers ist nicht nur für seine Person bedeutsam. Sie ist auch ein Trost für die Nachkommen all der namenlosen Menschen, die durch die Unrechtsprechung des Nazi-Regimes unsägliches Unrecht erdulden mussten.“

 

 

Richtungsweisendes Glaubenszeugnis auch für Fragen der Gegenwart

 

Dipl.-Päd.in Monika Weilguni, Stv. Vorsitzende des Vereins Plattform Johann Gruber und Pastoralassistentin in St. Georgen an der Gusen, lenkte abschließend den Blick darauf, wie Johann Grubers Glaubenszeugnis für die Fragen der Gegenwart richtungsweisend sein kann. Angesichts aktueller welt- und gesellschaftspolitischer Herausforderungen gelte es, Johann Grubers Grundhaltungen wachzuhalten und zu leben: „Toleranz, Menschlichkeit und Nächstenliebe über die Grenzen von Religionszugehörigkeit und etwaige weltanschauliche Lager hinaus waren für Gruber keine leeren Floskeln. Diese Haltungen sind meines Erachtens entscheidend für die Entwicklung unserer Gesellschaft. Folgen wir dem Beispiel von Johann Gruber: Verwehren wir uns gegen alle Hetze, begegnen wir einander und üben wir uns in gegenseitiger Fürsorge.“ Weilguni betonte, mit dem rehabilitierten Priester und Pädagogen Dr. Johann Gruber gewinne die Diözese Linz zusätzlich zum Seligen Franz Jägerstätter einen weiteren Märtyrer und ein großartiges Glaubenszeugnis.

 

 

Bischof Scheuer: „Gedenken der Opfer ist ein Dienst der Hoffnung, ein Dienst an der Humanität“

 

Nach einer Gedenkminute las Bischof Dr. Manfred Scheuer eine Bibelstelle aus dem alttestamentlichen Buch Jesaja (9,1-6: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht“).

 

Scheuer betonte, die Rehabilitierung Grubers sei für viele Menschen, denen Gruber ein Anliegen war und ist, „ein wesentlicher Schritt, um Gruber gerecht zu werden, um aufzuzeigen, dass Unrechtssystem der Nazis nicht in unsere Zeit hineinragen darf“. Die Aufhebung des Urteils habe für Gruber hohen Symbolgehalt, weil er Leidenschaft für Recht und Gerechtigkeit hatte und mit Vehemenz gegen das Urteil angekämpft habe. Jetzt, 77 Jahre später, sei ihm Recht gegeben worden. Dies sei ein Anlass, darüber nachzudenken, welche Bedeutung der Rechtsstaat für ein friedliches Zusammenleben habe, denn, so Scheuer: „Das Gegenteil des Rechts ist das Unrecht, die Willkür und die Barbarei. Rechtskultur und Rechtsstaatlichkeit sind eine Zukunftsfrage für unsere Gesellschaft.“

 

Scheuer unterstrich, die Rehabilitierung sei nur einer von vielen Schritten auf dem Weg, die auch von der Diözese Linz zu gehen seien. Grundlegend sei, die Erinnerung an Johann Gruber, an das, wofür er einstand und wofür er letztlich ermordet wurde, wachzuhalten. „Gruber war ein Opfer des Nationalsozialismus, auch ein Opfer innerkirchlicher Umstände, Zustände, Konflikte, Prioritäten. Opfer vor dem Vergessen zu bewahren ist ein Dienst der Hoffnung, ein Dienst an der Humanität. Dazu gehört auch, zu analysieren, wie und warum etwas geschah, was geschehen ist. Ohne diese Analyse bleibt Erinnerung ein frommes Ritual, was unaufgeklärt bleibt, droht mit Wiederholung. Auseinandersetzung mit Verbrechen des NS hat uns wachsam zu halten, wenn heute Menschen – Behinderte, Fremde, Asylwerber – in ein wirtschaftliches oder technokratisches Kalkül eingeordnet werden, wenn Menschen zu Kostenfaktoren degradiert werden. Gedenken ist Mahnung wider die Verrohung, wider den Rückfall in die Barbarei.“

 

Als Abschluss des Gedenkens lud Hausherr und Gastgeber Rektor Mag. Franz Keplinger alle Anwesenden zu einer „Gruber-Suppe“ ein, die von Asylwerbern aus St. Georgen an der Gusen ausgeteilt wurde.

 

www.johann-gruber.at

 

 

Infos & Kontakt:

Monika Weilguni, Stv. Vorsitzende Verein Plattform Johann Gruber

monika.weilguni@dioezese-linz.at, Tel. 0676/8776 56 22

www.johann-gruber.at

 

Dr. Christoph Freudenthaler, Obmann Verein Plattform Johann Gruber

christoph.freudenthaler@ph-linz.at, Tel. 0676/8776 1183

www.johann-gruber.at

 

 

Presseunterlagen zum Download

 

Pressemitteilung zum Download (doc / PDF)

 

Pressefotos zum Download (Diözese Linz / honorarfrei)

 

Foto 1: V. l.: Bischof em. Dr. Ludwig Schwarz, Bischof Dr. Manfred Scheuer, Bischof em. Dr. Maximilian Aichern, Abt von Stift Wilhering Dr. Reinhold Dessl

 

Foto 2: Dipl.-Päd.in Monika Weilguni und Dr. Christoph Freudenthaler, beide Verein Plattform Johann Gruber

 

Foto 3: Bischof Dr. Manfred Scheuer

 

Foto 4: Das Bild von Johann Gruber wurde bei jedem Vortrag ergänzt und ergab schließlich ein großes Ganzes.

 

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