Dienstag 14. Mai 2024

Digitale Präsentation des Gedächtnisbuches OÖ

Gedächtnisbuch OÖ

Durch die aktuelle Covid-19-Situation konnte die Präsentation der neuen Beiträge für das Gedächtnisbuch Oberösterreich nicht wie geplant am 24. November 2020 im Linzer Mariendom stattfinden. Aus diesem Grund erfolgt die Vorstellung der Biografien in diesem Jahr in digitaler Form.

Das Projekt Gedächtnisbuch OÖ

 

Im November 2019 fiel im Linzer Mariendom der Startschuss für das Projekt Gedächtnisbuch Oberösterreich. Dabei handelt es sich um eine jährlich wachsende Sammlung von Biografien von Personen, die im Nationalsozialismus aus den verschiedensten Gründen verfolgt waren oder durch widerständiges Handeln gegen das NS-Regime ihr Leben in Gefahr brachten. Die Biografien werden dabei von Personen gestaltet, die einen persönlichen, örtlichen oder inhaltlichen Bezug zu ihnen haben. Dadurch werden nicht nur die Geschichten ehemals verfolgter bzw. widerständiger Personen im kollektiven Gedächtnis bewahrt und neue Quellen erschlossen, sondern diese auch in Beziehung zur eigenen Biografie und Gegenwart gesetzt.

 

Das Gedächtnisbuch Oberösterreich liegt ganzjährig im Linzer Mariendom zur Ansicht auf. Ab 2021 wird das Buch auch im Schlossmuseum öffentlich einsehbar sein, um die Biografien jener NS-Verfolgten in die Gedenkkultur des Landes Oberösterreich einzubinden und vor dem „Vergessen“ zu bewahren.

 

 

Alternative Präsentationsform durch Covid-19

 

Die für den 24. November 2020 anberaumte diesjährige Präsentation des Gedächtnisbuches musste aufgrund der derzeitigen Covid-19-Einschränkungen abgesagt werden. Das Projekt konnte 2020 dennoch durchgeführt werden. Zum Abschluss präsentieren die diesjährigen ProjektteilnehmerInnen in kurzen Videobeiträgen die Lebensgeschichten, mit denen sie sich in den vergangenen Monaten beschäftigt haben. Die Kurzpräsentationen sind online abrufbar:
https://www.youtube.com/channel/UCBfe9A-xPxG9Hpq38l9MoJg/playlists

 

Die vollständigen Lebenszeugnisse finden sich auf den neuen Seiten im Gedächtnisbuch im Mariendom sowie digital auf der Webseite des Franz und Franziska Jägerstätter Instituts.
https://ku-linz.at/forschung/franz_und_franziska_jaegerstaetter_institut/news/detail/digitale-praesentation-des-gedaechtnisbuches-ooe

 

 

Die neu aufgeschlagenen Seiten

 

Zwischen internationaler Zeitgeschichtsforschung und bruchstückhafter Familienerinnerung

Mit den diesjährigen Beiträgen nimmt das Gedächtnisbuch OÖ verschiedenste Formen der NS-Verfolgung in den Blick: Opfer des Holocaust, der NS-Euthanasie, der NS-Zwangsarbeit, der politischen und religiösen Verfolgung (Zeugen Jehovas und Priester) werden vorgestellt. Als thematischer Schwerpunkt hat sich Widerstand in Form von Hilfsleistungen für Verfolgte wie ZwangsarbeiterInnen und KZ-Häftlinge herauskristallisiert.

 

Das Projektteam ist darauf bedacht, in jedem Jahr eine repräsentative und ausgewogene Auswahl an Biografien für das Gedächtnisbuch zusammenzustellen, – das betrifft sowohl die Weltanschauung bzw. Religion, das Geschlecht als auch die Region der Herkunft bzw. des Lebensmittelpunktes. Ein weiteres Charakteristikum dieses Projektes zeigt sich in der großen Breite des Zugangs in der Bearbeitung des jeweiligen Beitrags. Hier profitiert das Gedächtnisbuch von den international vernetzten und professionell betreuten Gedenkstätten in Oberösterreich genauso, wie von einem Netzwerk von Privatpersonen und ehrenamtlichen Initiativen. Das Gedächtnisbuch OÖ repräsentiert somit viele Schattierungen von Gedächtnis – von der professionellen Zeitgeschichtsforschung bis hin zur bruchstückhaften Familienerinnerung.

 

Camilla Estermann

 

Die 1881 in Linz geborene Camilla Estermann lernte Näherin. Zehn Jahre (1907 bis 1917) war sie im Redemptoristinnen-Kloster in Ried im Innkreis. Von 1917 bis 1944 lebte sie in Linz. Sie wurde in der NS-Zeit zur Arbeit in einer Bekleidungsfirma zugeteilt. Dort unterstützte sie misshandelte ZwangsarbeiterInnen und wurde deswegen zum Tod verurteilt. Auch wurde ihr vorgeworfen, „Schmähschriften“ verbreitet zu haben. Am 21. November 1944 starb sie unter dem Fallbeil.

 

Ernst Gansinger, langjähriger Redakteur der KirchenZeitung, ruft mit diesem Beitrag die vergessene Camilla Estermann an ihrem Wirkungsort Linz in Erinnerung.

 

Elfriede Grünberg

 

Elfriede Grünberg wurde am 1. April 1929 als Tochter von Ernestine und Max Grünberg in Wels geboren. Aufgrund ihres jüdischen Glaubens war die Familie in den 1930er-Jahren extremen Repressalien ausgesetzt und wurde zu einem nicht verifizierbaren Zeitpunkt nach Wien deportiert und in einem „Judenhaus“ untergebracht. Am 9. Juni 1942 wurden Elfriede und Ernestine Grünberg nach Minsk transportiert und am 15. Juni 1942 in Maly Trostinez ermordet.

 

Als Zeichen gegen das Vergessen verleiht die Welser Initiative gegen Faschismus jährlich den Elfriede-Grünberg-Preis. Der Vorsitzende der Initiative, Werner Retzl, hat diesen Beitrag für das Gedächtnisbuch verfasst.

 

Pater Konrad Josef Just OCist

 

Der am 19. März 1902 in Hruschau (Schlesien) geborene Konrad Josef Just trat 1921 in das Zisterzienserstift Wilhering ein und wurde 1926 zum Priester geweiht. In seinen Predigten setzte er sich mit dem Nationalsozialismus und seiner kirchenfeindlichen Ideologie auseinander und wurde am 12. März 1938 verhaftet. Von 1938 bis 1945 war er in den Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald inhaftiert. Durch eine Befreiungsaktion zweier Jesuiten konnte er am 30. April 1945 gerettet werden. Pater Konrad Josef Just starb am 22. Oktober 1964 in Gramastetten.

 

Der derzeitige Abt des Stiftes Wilhering Reinhold Dessl OCist hat sich für das Gedächtnisbuch OÖ erneut mit der Biografie von P. Just beschäftigt.

 

Aniela Kowalczyk

 

1912 in Sierbowice (Polen) geboren, wurde Aniela Kowalczyk 1942 zu einem Opfer des nationalsozialistischen Zwangsarbeitssystems. Sie wurde – als eine von mehr als 100.000 ausländischen ZivilarbeiterInnen – nach „Oberdonau“ gebracht und musste bei zwei Bauern im heutigen Bad Wimsbach-Neydharting arbeiten. Im Herbst 1942 wurde sie in die Linzer Heil- und Pflegeanstalt Niedernhart eingewiesen und dort am 14. September 1943 offenbar im Zuge der NS-Euthanasie ermordet. Ihr Schicksal war in ihrer Heimatgemeinde bislang unbekannt.

 

Seit 2016 erinnert ein Ausstellungsbanner zum Thema „ZwangsarbeiterInnen als Opfer der NS-Gesundheitspolitik“ im Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim auch an ihr Schicksal. Durch den Beitrag des Gedenkstättenmitarbeiters Markus Rachbauer wird Aniela Kowalczyk nun ins Gedächtnisbuch Oberösterreich aufgenommen.

 

Josef Karl Moser

 

Josef Moser, geb. 1903 in Steyr, trat in den 1930er-Jahren als katholischer Chefredakteur der Steyrer Zeitung entschieden gegen den Nationalsozialismus auf. In der Nacht zum 14. März 1938 wurde er „im Namen der SS-Standarte“ in Steyr inhaftiert und ab 24. Mai bis zum 13. September 1938 im KZ Dachau festgehalten. Diese Lebenszäsur zerstörte ihm Gesundheit und Beruf; eine unterbezahlte Buchhalterstelle ernährte die Familie nach der Rückkehr nur knapp. Josef Moser starb 1986 in Steyr.

 

Martina Riepl, eine Tochter Karl Mosers, hat im Einvernehmen mit weiteren Familienmitgliedern diesen Beitrag verfasst.

 

Franz Winklehner und Anna Strasser

 

Franz Winklehner wurde am 2. August 1882 in Freistadt geboren und war als Leiter des Lagerhauses in Mauthausen beschäftigt. Menschlich berührt vom Elend der KZ-Häftlinge, die Gleisanschlüsse für das Konzentrationslager bauen mussten, steckte er ihnen Lebensmittel, Zigaretten und kleinere Geldbeträge zu. Von einem SS-Mann ertappt und denunziert, wurde er zunächst zur GESTAPO nach Linz gebracht und danach ins KZ Dachau deportiert. Dort starb er am 26. Februar 1940.

 

Anna Strasser, geboren am 15. April 1921 in St. Valentin, war Sekretärin im Lagerhaus Mauthausen. Sie begleitete die Witwe von Franz Winklehner nach Dachau, damit sie dort von ihrem Mann Abschied nehmen konnte. Daraufhin ging sie selbst in den Widerstand, wurde von einem GESTAPO- Spitzel verraten und am 11. September 1944 ins Landesgericht St. Pölten gebracht. Mit knapper Not überlebte sie und kehrte am 4. April 1945 nach St. Valentin zurück. Anna Strasser, im Dezember 1999 zur Ehrenbürgerin der Stadt ernannt, starb am 17. Mai 2010 im Altersheim St. Peter in der Au.

 

Christian Eder vom Mauthausen Komitee St. Valentin hat mit Unterstützung von Verena Lorber vom Franz und Franziska Jägerstätter Institut die beiden Biografien zum Gedächtnisbuch beigetragen.

 

Familie Roidmaier

 

Die Eheleute Karl und Franziska Roidmaier wurden im Juni 1940 aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas verhaftet. Sie wohnten mit ihren sechs Kindern in der Gemeinde Lengau im südlichen Innviertel. In der Verhandlung am 4. Dezember 1940 verurteilte sie die NS-Justiz mit 15 weiteren angeklagten Zeugen Jehovas zum Schutz der Wehrkraft zu 18 bzw. sechs Monaten Gefängnis. Die Kinder übergab man an ein Armenhaus. Sie wurden von Zieheltern aufgenommen. Karl Roidmaier wurde nach Verbüßung der Haftstraße in ein Arbeitslager, Franziska Roidmaier in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Beide starben in den Lagern.

 

Hans Winklmeier hat sich aus lokalgeschichtlichem Interesse vor vielen Jahren mit den Lebenszeugnissen befasst und nun für das Gedächtnisbuch aufbereitet.

 

Josef Poltrum

 

Das widerständige Handeln Josef Poltrums hat lange Zeit nicht die gebührende Würdigung gefunden. Und dies obwohl der gebürtige Laakirchner als erbitterter Gegner des NS-Regimes bekannt war. Als Angehöriger der Luftwaffe zum Dienst in Ebensee abgestellt, unterstützte er die illegale Häftlingsorganisation im Lager durch Hilfslieferungen und Informationsdienste. Schließlich trug er maßgeblich dazu bei, dass der Plan der Lager-SS, die rund 15.000 Lagerinsassen vor dem Eintreffen der US-Truppen zu töten, vereitelt werden konnte. Denunziationen und Internierung in einem US-Untersuchungslager sowie daraus resultierende berufliche und finanzielle Erschwernisse ließen bei Poltrum steigende Verbitterung zurück. Sein lebensgefährlicher Widerstand wurde lediglich von den Überlebendenverbänden gewürdigt.

 

Wolfgang Quatember, Leiter der KZ-Gedenkstätte Ebensee, hat im Einvernehmen mit Angehörigen der Familie die Lebensgeschichte Josef Poltrums recherchiert und zusammengefasst.

 

Rosalia Bramböck

 

Über das Leben von Rosalia Bramböck ist wenig bekannt. Über einzelne Aussagen im Familienkreis ist Hubert Puchberger, ein Neffe, dem Schicksal von Frau Bramböck auf die Spur gekommen. Sie ist im Alter von 32 Jahren dem Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen und 1940 im Schloss Hartheim ermordet worden.

 

Der persönliche Beitrag von Hubert Puchberger zeugt von den Schwierigkeiten des Erinnerns von tragischen Ereignissen der Familiengeschichte und dem Versuch, ein fragmentarisches Gedächtnis für Familie und Gesellschaft zu stiften.

 

 

Projektgruppe

 

Getragen wird das Projekt Gedächtnisbuch Oberösterreich von einer unabhängigen Projektgruppe, die sich 2019 aus einer Kooperation von Institutionen und Einzelpersonen gebildet hat. Dazu zählen aktuell:

  • Franz und Franziska Jägerstätter Institut KU Linz (FFJI), Dr. Andreas Schmoller (Leiter) und Dr.in Verena Lorber
  • Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim, Mag. Florian Schwanninger (Leiter)
  • Private Pädagogische Hochschule der Diözese Linz (PPH), Prof. Dr. Thomas Schlager-Weidinger
  • Dr.in Erna Putz, Jägerstätter-Biografin

 

Kontakt für Rückfragen:

Franz und Franziska Jägerstätter Institut

an der Katholischen Privat-Universität Linz

Dr. Andreas Schmoller

E: a.schmoller@ku-linz.at

Dr.in Verena Lorber

E: v.lorber@ku-linz.at

W: https://ku-linz.at/forschung/franz_und_franziska_jaegerstaetter_institut

 

Jägerstätter-Biografin Dr.in Erna Putz
E: erna.putz@drei.at

 

 

Presseunterlagen zum Download

 

Pressemitteilung zum Download (doc / PDF)

Presseunterlage als PDF

 

Pressefotos zum Download: © Diözese Linz / Appenzeller (honorarfrei)

 

Foto 1: Dr.in Verena Lorber mit dem Gedächtnisbuch OÖ

Foto 2: Franz Winklehner und Anna Strasser im Gedächtnisbuch OÖ

Foto 3 und Foto 4: Das Gedächtnisbuch OÖ wurde um neue Beiträge erweitert.

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