Freitag 29. März 2024

Corona-Krise: Welche psychosozialen Auswirkungen sie hat und was das Durchhalten erleichtert

Silvia Breitwieser

Nach mehr als einem Monat Corona-Krise wächst bei vielen Menschen die psychische Belastung. Silvia Breitwieser, Leiterin der TelefonSeelsorge – Notruf 142, gibt Tipps, wie man die eigene Widerstandsfähigkeit stärkt, um gut durch die Krise zu kommen.

Rund einen Monat lang leben die Menschen in (Ober-)Österreich schon mit den verschärften Maßnahmen gegen das Coronavirus. Nach wie vor weiß keine/r so genau, wie lange es noch dauern, wann welche Regelung aufgehoben und welche neue Form der Normalität nach der Krise kommen wird. In einer Zeit, in der das Alte nicht mehr besteht und das Neue noch ungewiss ist, herrscht allgemeine Unsicherheit. Sicher ist nur, dass sich der allgemeine Lebensstil in letzter Zeit gewaltig verändert hat – die Selbstverständlichkeiten sind abhandengekommen.

 

Mit diesem „Sozialexperiment mit unbekanntem Ausgang“ (Christian Schubert) haben viele Menschen zu kämpfen. Das weiß auch Mag.a Silvia Breitwieser, Leiterin der TelefonSeelsorge – Notruf 142, aus ihrem beruflichen Alltag: „Es ist, als hätte man uns den Boden unter den Füßen weggezogen. Die Herausforderungen der Isolation werden immer mehr spürbar: die Enge der eigenen vier Wände, der neue Alltag mit Homeoffice bei gleichzeitiger Kinderbetreuung, Quarantäne für Alleinlebende, Familienmitglieder oder Bekannte dürfen nicht mehr besucht werden und vieles mehr. Dazu kommen die äußerst prekären beruflichen und finanziellen Lebenslagen, Konkurse und Arbeitslosigkeit.“

Die Palette an Herausforderungen sei ebenso vielfältig wie die Reaktionen darauf, so Breitwieser. Viele hätten sich gut in der neuen Normalität eingerichtet, schnell auf neuem Boden Fuß gefasst und sähen es als Chance, den Stress herunterzufahren, mit sich selbst in Kontakt zu treten, Zeit mit der Familie zu Hause zu genießen usw. Für manch eine/n schaffe die Verordnung das, was ihr/ihm selbst zuvor nicht möglich gewesen sei: einen Gang herunterzuschalten.

 

Für andere aber sei die Situation zunehmend fatal, wie die Expertin betont: „Da sind all jene, deren berufliche und finanzielle Zukunft existenziell bedroht ist. Da sind Menschen, die alleine leben und mit der Einsamkeit schwer zu kämpfen haben. Auch für psychisch vorbelastete Menschen, die schon vor der Krise auf wackeligem Boden standen, ist die Situation quasi ein ‚Potenzierer‘ ihrer Leidenszustände. Ebenso verhält es sich bei schon länger bestehenden Familien- oder Beziehungsproblemen, welche nun vermehrt zu Konflikten führen, die nur schwer befriedet werden können. Die Corona-Krise macht innerpsychische und zwischenmenschliche Bruchstellen sicht- und oft schmerzlich spürbar.“

 

Durchhalten und kleine Lichtblicke finden

 

Diese Situation wird die Menschen voraussichtlich noch länger beschäftigen. Die anfängliche kurze Schockstarre wurde von der sehr motivierten „Wir schaffen das-Dynamik“ abgelöst. Fast muteten die ersten Tage als spannendes neues Experiment samt unzähliger Initiativen, YouTube-Videos, Balkonkonzerte, virtueller Museumsbesuche etc. an, die psychische Verfasstheit vieler war durchwegs gut. Doch nun schleicht sich vermehrt das Gefühl der Hoffnungs- und Ausweglosigkeit ein. „Wie lange noch?“ oder „Werden wir je wieder normal leben können?“, so lauten die bangen Fragen. Dies erzeugt zunehmend Frust, Ärger, Ängste, Einsamkeitsgefühle, Traurigkeit oder Depression.

 

Gerade jetzt gelte es durchzuhalten, zuversichtlich zu bleiben und gut mit diesen Gefühlen umzugehen, weiß Breitwieser: „Denn nicht nur die schwierigen Bedingungen selbst, sondern auch unsere innere Haltung dazu und unser Umgang damit spielen eine wesentliche Rolle dafür, wie sich die Situation auf unser Befinden auswirkt. Hier ist der Bereich, in dem unsere Handlungsmöglichkeiten liegen. Hier können wir aktiv werden.“ Wichtig sei, die eigene Resilienz, also die eigene Widerstandsfähigkeit gegenüber schwierigen Lebensbedingungen, zu stärken. Dazu zähle zuallererst die Akzeptanz dessen, was momentan unveränderbar sei, so die Psychotherapeutin, denn: „Wir können eine Sache nicht verändern, wenn wir sie nicht akzeptieren – das wusste schon C. G. Jung. Akzeptieren wir Situationen nicht, dreht sich unser Denken meist nur darum, wie schlecht es uns geht. Akzeptanz hingegen verschiebt den Blick weg vom Problem hin zur Lösung.“

 

Hilfreich sei auch, die Aufmerksamkeit gezielt auf etwas Positives, auf die Lichtblicke im eigenen Leben zu lenken: auf liebe Menschen, den aufblühenden Frühling, ein gutes Gespräch, Genussmomente jeder Art, die eigenen Stärken etc. Breitwieser: „So generieren wir positive Emotionen, die genauso wie eine positive Selbstwahrnehmung zu den wichtigsten Säulen unserer Resilienz gehören.“ Umgekehrt, so der Rat der Expertin, sollte man seine Aufmerksamkeit bewusst von negativen Inhalten ablenken und etwa den Medienkonsum bezüglich Covid-19 beschränken. „Viele Menschen neigen dazu, ihren Fokus fast pausenlos auf das Negative – die Pandemie, die Einschränkungen etc. – zu lenken. Sie befinden sich in einer Negativ-Spirale, in der vieles nur noch schlimmer wirkt und Besserung in immer weitere Ferne rückt. Dieses Grübeln über negative Inhalte sollte man aktiv begrenzen, etwa indem man sich mit anderen, erfreulicheren Tätigkeiten beschäftigt“, so Breitwieser.

 

Den Selbstwert stärken und Ressourcen aktivieren

 

Viele Menschen seien durch die soziale Isolation und die Verhinderung der Berufsausübung auf sich selbst zurückgeworfen, weiß Breitwieser: „Durch den Wegfall der beruflichen Tätigkeit und der damit verbundenen Anerkennung, durch das Gefühl des Nicht-gebraucht-Werdens – etwa auch als Großeltern –, durch den Ausfall des geschäftigen Alltags stehen wir plötzlich ‚nackt‘ vor uns selbst. Wer blickt uns da im Spiegel an? Bin ich noch etwas wert? Wieviel Anerkennung und Wertschätzung bringe ich mir selbst, so ganz ohne alle Funktionen, Ämter, Tätigkeiten entgegen?“

 

Innere Leere mache sich breit, der eigene Selbstwert und vielleicht sogar die gesamte bisherige Lebensführung gerieten ins Wanken. Verzweiflung und Ohnmacht stellten sich ein. Hier sei es notwendig, die eigene Handlungsfähigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen. Dies gelinge durch die Konzentration auf Dinge, die in der Vergangenheit, Kraft gegeben, Mut gemacht und geholfen haben – und seien es noch so „kleine“ Dinge. Breitwieser: „Es geht darum, das eigene schmerzliche Erleben zuzulassen, es zu würdigen und dann die eigenen Ressourcen zu aktivieren. Menschen in Krisen müssen wieder zu Kräften kommen, sie brauchen einen tragfähigen Boden unter den Füßen oder aber auch einen Leuchtturm für die Zeiten auf stürmischer See.“

 

Menschen in schwierigen Lebenssituationen benötigten die Beruhigung und Gewissheit, dass sie irgendwann einmal die schwierige Lebenssituation bewältigen könnten, in der sie sich gerade befänden. Denn, so die Psychotherapeutin: „Selbstwirksamkeit ist essentiell für die psychische Gesundheit. Es geht daher um Stabilisierung durch Gefühlsregulation, Ressourcenaktivierung, Erhöhung von Handlungsfähigkeit und Selbstwirksamkeit, aber auch um Information über Unterstützungs- und Therapiemöglichkeiten.“

 

 

Ein Leuchtturm in schwierigen Zeiten: TelefonSeelsorge OÖ – Notruf 142

 

Wer das Gefühl hat, es alleine nicht zu schaffen, sollte nicht zögern und Unterstützungsangebote nutzen. Die TelefonSeelsorge Oberösterreich – Notruf 142 ist an allen Tagen des Jahres rund um die Uhr, vertraulich und kostenlos erreichbar. Dies gilt natürlich besonders in der derzeitigen Krisensituation. Die Leiterin der TelefonSeelsorge: „Die MitarbeiterInnen des amtlichen Notrufes sind für all jene da, die sich belastet fühlen, voller Angst sind, nicht mehr ein und aus wissen. Sie haben aber auch ein offenes Ohr für alle Menschen, die in diesen Tagen sozialen Kontakt, ein menschliches Gegenüber und ein Gespräch suchen. Unter dem Motto ‚Sorgen kann man teilen‘“ bietet die TelefonSeelsorge OÖ ein

niederschwelliges Beratungsangebot per Telefon, Mail oder Chat.“

 

Seit der Verschärfung der Maßnahmen seitens der Regierung würden sich vermehrt Menschen melden, die Angst hätten, am Virus erkrankt zu sein, Anrufende, die die Einsamkeit schwer ertrügen, oder Menschen, die mit der engen Situation mit ihren Familien nicht zurande kämen. Mittlerweile seien viele Therapie-, Beratungs- und Seelsorgeeinrichtungen geschlossen. Deren KlientInnen seien aber auch weiterhin – und gerade jetzt – auf Beratung, Begleitung und Unterstützung angewiesen.

 

Am Telefon Sorgen teilen und Hoffnung stärken

 

Reden hilft – und ein Gespräch kann vieles verändern. Deshalb ermutigt Silvia Breitwieser Menschen, die nicht mehr weiterwissen, die kostenlose Notrufnummer 142 der TelefonSeelsorge zu wählen. „Im Kontakt mit unseren MitarbeiterInnen erfahren die Anrufenden Respekt und Aufmerksamkeit. Dabei leitet uns der Gedanke, dass das Individuum auf Entwicklung, Wachstum und Reifung angelegt ist. Das kann im Gespräch dazu führen, dass der bzw. die Erzählende sich und seine bzw. ihre bereits unternommenen Bemühungen respektvoller wahrnimmt. Außerdem versuchen wir, die Hoffnung zu stärken, dass der Mensch nicht nur durch die Vergangenheit festgelegt ist und in jeder Lebensphase neue Schritte setzen kann. Es geht darum, die erlebte psychische Enge zu weiten und Räume zu schaffen: äußere Begegnungsräume, aber auch innere Begegnungsräume mit den eigenen Emotionen, Gedanken, Wünschen, Sorgen.“

 

Dies bringe Entlastung und häufig auch wieder eine neue Perspektive. Die Anrufenden seien nicht mehr im selben Maß in ihrem Problem gefangen wie am Beginn des Gesprächs, sondern könnten wieder erste Möglichkeiten zur Bewältigung ihrer Lebenssituationen entdecken.

 

Wichtig sei auch, „diffuse Ängste zu explorieren, zu benennen und zu sortieren“, wie die Expertin weiß. Im Gespräch würden Strategien zur Angstreduktion entwickelt, um das Gefühl der Ohnmacht zu lindern und rationales Denken zu ermöglichen. Breitwieser: „Gemeinsam mit den AnruferInnen suchen wir Wege im Umgang mit der Einsamkeit, animieren dazu, Sozialkontakte aufzubauen, und helfen dabei, eine Alltagsstruktur aufrechtzuerhalten. Wir fördern die Selbstwirksamkeit und suchen nach Möglichkeiten, die Handlungsfähigkeit der AnruferInnen zu erhalten.“

 

 

TelefonSeelsorge online

 

Neben dem telefonischen Gesprächsangebot, bietet die TelefonSeelsorge auch Mail- und Chatberatung an. Der Sofortchat der TelefonSeelsorge ist als Unterstützung für die Menschen in dieser Krisensituation täglich von 14.00 bis 22.00 Uhr geöffnet. Das Angebot ist aus ganz Österreich kostenlos, anonym und vom eigenen Wohnzimmer aus erreichbar. Damit kann sichergestellt werden, dass Menschen, die Hilfe und Unterstützung benötigen, diese trotz Ausgangsbeschränkungen weiterhin in Anspruch nehmen können.

 

Im geschützten Chatroom finden Sorgen und Ängste Raum. Für Menschen, die unter der zunehmenden Isolation leiden, bieten die BeraterInnen ein menschliches Gegenüber, Kontakt und Unterstützung bei der Suche nach Alternativen zur Gestaltung des Alltags und der zwischenmenschlichen Kontakte.

 

Kontakt für Rückfragen:

David Sonntagbauer, MSc, Referent der TelefonSeelsorge

Mag.a Silvia Breitwieser, Leiterin der TelefonSeelsorge OÖ – Notruf 142

TelefonSeelsorge Oberösterreich – Notruf 142

Schulstraße 4, 4040 Linz
Tel.: +43(0)732/73 13 13
Mail: telefonseelsorge@dioezese-linz.at
Web: www.ooe.telefonseelsorge.at

www.onlineberatung-telefonseelsorge.at

www.facebook.com/TelefonSeelsorge142/

https://www.instagram.com/telefonseelsorge142/

 

Presseunterlagen zum Download 

 

Pressemitteilung (doc / PDF)

 

Pressefotos zum Download:

Foto 1: Silvia Breitwieser

Foto 2: Sujet: Du bist nicht allein daheim

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