Donnerstag 26. September 2024

„Skandal“ der Gewalt deutlich thematisiert

ReligionsvertreterInnen stellen sich der Frage nach Gewalt und Friede im Namen Gottes

Zusammenfassung der Statements.

Alle Vertreter der Veranstaltergemeinschaft haben sehr ehrlich über Gewalt und Frieden in ihren Religionen und Konfessionen bereits zur Begrüßung der rund 400 TeilnehmerInnen gesprochen. 

 

Der neue Rektor der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz, Univ.-Prof. Dr. Franz Gruber, sagte zu Beginn der Sommerakademie, dass das Thema einen „Skandal benennt, dem sich heute alle Religionen rigoros und ehrlich stellen müssen“. Sie müssen sich erinnern, um Vergebung und Versöhnung bitten und das Versprechen abgeben, alles zu tun, damit Feindseligkeit das Zusammenleben nicht vergifte. Die Theologie habe sich hier deutlich zu Wort zu melden. Gruber merkte allerdings an, dass „im Grunde erst in den letzten Jahrzehnten in der Theologie begonnen wurde, diese Verknüpfung von Religion und Gewalt aufzuarbeiten, nämlich die Verbindung von Gottesbekenntnis und Gewalt zu unterbrechen und sich von missbräuchlicher Berufung zu distanzieren. Wenn ein Mensch von durch und durch gewaltbereinigter Gotteserfahrung berührt wird, dann kann der Mensch zum Friedensstifter werden und die Religion zum Zeichen des Friedens.“

 

Der oberösterreichische Superintendent Dr. Gerold Lehner sagte in seinem Eröffnungsstatement, dass eine Gewalterfahrung – der Tod Jesu am Kreuz – am Anfang des Christentums stehe. Das Kreuz sei Mitte des Christentums und habe eine Schlüsselstellung des Glaubens. „Im Kreuz bildet sich eine Spannung ab zwischen Wahrheit und Liebe.“ Der Umgang mit diesem Kreuzestod erfordere von den ChristInnen eine neue Umgangsform: „Jede Auflösung dieser Spannung, die die Liebe vergisst, ist ein Verrat an Jesus Christus“, so der Superintendent.

 

Die Kirche im Ersten Weltkrieg

 

Diözesanbischof Dr. Ludwig Schwarz sprach deutlich die Rolle der christlichen Kirchen im Ersten Weltkrieg an: „100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges gibt uns das ein hartes Erbe auf. Die Kirchen in den Kriegsnationen haben damals eindeutig Partei ergriffen. Sie standen nicht auf Seiten des Friedens. Sie haben Gott für sich selbst vereinnahmt. Man tat innerhalb der eigenen Nation so, als ob das Heil nur mit den eigenen Truppen möglich gewesen wäre.“ Den deutlichen Friedensapell von Papst Benedikt XV. habe man in den Kriegsnationen nicht gehört. „Diese traurige Fehlentwicklung ist heute Anlass für Selbstbesinnung und der Anlass für das gemeinsame Auftreten für Frieden“, so der katholische Bischof der Diözese Linz.

 

„Wer ein Liederheft in der einen und eine Kerze in der anderen Hand hat, kann keinen Stein aufheben“

 

Der Bischof der Evangelischen Kirche A. B. in Österreich, Dr. Michael Bünker, erinnerte als Vertreter des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich an das Sozialwort der christlichen Kirchen. Es sei darin eindeutig die Frage gestellt, ob es wirklich gerechtfertigt sei, Kriege unter dem Zeichen des Christlichen zu führen. Im Sozialwort sei auch der Appell enthalten, dass diese Diskussion im Sinne von Friedenssicherung geführt werden muss. Bünker erinnerte an die friedensstiftende Arbeit der Kirchen vor 25 Jahren im Osten Deutschlands. Durch die Montagsgebete sei eine friedliche Veränderung Europas ausgegangen. Der vor wenigen Tagen verstorbene Pfarrer der Leipziger Nikolaikirche habe Folgendes gesagt: „Wir haben bei den Montagsgebeten zwei Dinge verteilt: ein Liederheft und eine Kerze. Wer ein Liederheft in der einen Hand hat und eine Kerze in der anderen, kann keinen Stein aufheben. Unsere Parole war: Keine Gewalt.“ Bünker dazu: „Das ist meiner Meinung nach die kürzeste Zusammenfassung der Bergpredigt!“

 

Verknüpfung der Religionen für Friedenssicherung

 

Auch der oberösterreichische Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer stellte sich als Politiker der Frage nach der Gewalt im Namen Gottes. Das Gebot der Nächstenliebe sei in allen monotheistischen Religionen grundgelegt und verankert. „Der Vorwurf der Gewaltanwendung ist nicht den Religionen, sondern den Menschen zu machen, die das Gotteswort missbrauchen“, so Pühringer. Für die Gegenwart sei ein Höchstmaß an Verknüpfung der Religionen notwendig, um den Frieden zu sichern. Durch die Gründung und Arbeit des Religionsbeirates im Land Oberösterreich werde hierzu ein Beitrag geleistet. Ziel sei der respektvolle Umgang der verschiedenen Glaubensrichtungen miteinander und dies geschehe hier Schritt für Schritt.

 

Natur der Gewalt – Natur der Religionen

 

In den ersten Vorträgen der 16. Ökumenischen Sommerakademie widmeten sich der Philosoph Prof. Dr. Franz Josef Wetz der Frage nach der Natur der Gewalt und deren Verbindung zu den Religionen und der Theologe Univ.-Prof. Dr. Rolf Schieder der Frage nach dem Wesen und Inhalt der Religionen und stellte diese auch in einen Bezug zur Gewaltbereitschaft der Menschen.

Wetz formulierte die Meinung der Religionskritiker, die der Religion vorwerfen, das Gewaltpotential bereits in sich zu tragen. „Mir ist diese Begründung zu einseitig“, sagte Wetz in seinem Vortrag: „Die monotheistischen Religionen stehen dem Thema Gewalt ambivalent gegenüber. Gewalt ist in ihnen nicht grundgelegt, sie geben Raum für Gewalt. Religionen haben beides: das Kriegerisch-Menschenverachtende und das Friedlich-Menschenfreundliche.“ Laut Wetz müssen Möglichkeiten und Räume geschaffen werden, um gewaltbereite Energien sozial verträglich ausleben zu können. Religionen werfe er vor, dass sie hier durch ihre Sinnenfeindlichkeit nichts beitragen.

 

Der Berliner Theologe Schieder stellte diesem Vorwurf entgegen, dass gerade die Religionen einen enorm großen Beitrag zur Identitätsstiftung jedes einzelnen Menschen leisten. Dies sei für einen guten Umgang mit der Gewaltbereitschaft, mit der Endlichkeit und Begrenztheit des Menschen notwendig.

Für religiöse Menschen sei Gott die höchste Macht, dadurch hätten sie gegenüber anderen Machthabern einen prinzipiellen Vorbehalt. „Wenn Macht mit Verantwortungsgefühl korrespondiert, ist sie etwas Positives“, so Schieder. Er benannte Religionsformen wie „totalitäre oder dualistisch-apokalyptische Religionsformen“, wo die Gewaltbereitschaft der Mitglieder hoch sei. „Wenn eine Religion zu elementarer Differenzierungsleistung imstande ist, dann wird ein zivilisierter und friedenssichernder Weg eingeschlagen.“ 

 

Informationen:

sommerakademie@ktu-linz.ac.at

  

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