Konkrete Krisenherde und Lösungsvorschläge
Prof. Hans Kippenberg von der Jacobs University in Bremen arbeitete heraus, inwiefern sich beim Nahostkonflikt Religionen für die Ansprüche auf Palästina engagierten. So kam es auf israelischer Seite zu einer religiösen Begründung politischer Ansprüche erst im Zuge des Sechstagekrieges 1967, gefolgt von jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten (bis heute 400.000 Siedler). „In einem säkularen Konflikt heilsgeschichtliche Dimensionen hereinzubringen, ist gefährlich – das sehen wir in Israel“, gab Kippenberg zu bedenken. Er beleuchtete auch die andere Seite: Durch die im Zuge der Intifada ab 1987 gegründete Hamas erhält der Nahostkonflikt auch auf muslimischer Seite eine religiöse Note. Hamas bedeutet Eifer. „Plötzlich ist der Islam selbst Kriegspartei mit einer hoch aufgeladenen aggressiven Sprache.“ Erstmals wird auf islamischer Seite ein biblischer Anspruch auf Palästina erhoben. „Auf beiden Seiten werden politische Handlungen durch die religiöse Überlieferung gedeutet und damit sakrosankt“, meinte Prof. Kippenberg, der mit seinen Ausführungen illustrierte, was am Vortag Prof. Wetz betont hatte: Religionen werden zu Trägern politischer Auseinandersetzungen, zur Bühne und zum Austragungsort von Konflikten.
Prof. Gerlinde Baumann (Marburg) stellte heraus: „Die meisten Religionen sind keine Schönwetterreligionen, sondern sie setzen sich mit allen Schattierungen menschlichen Lebens auseinander; die Lebenswirklichkeit muss sich auch in den heiligen Schriften spiegeln.“ Die Frage ist dann, wie sie richtig interpretiert werden. Anhand des Alten Testaments zeigte die deutsche Bibelwissenschafterin, dass Gott von Leidenden angerufen wird, aber auch selbst Gewalttaten begeht. „Bibeltexte sind Texte, also Literatur und daher keinen Abbildung der Wirklichkeit. Sie sind nicht Protokolle, sondern enthalten fiktionale Elemente, um dadurch auch eine fruchtbare Distanz herzustellen. So schaffen sie es, dass über Zeiten hinweg sich Menschen mit ihren Bitten, ihrem Dank, ihrer Klage vereinigen können“, sagte Baumann. Von daher sei es unsinnig, schwierige Textpassagen, in denen Gewalt und Klage vorkämen, schlichtweg herauszunehmen. Vielmehr müsse man sich ihnen stellen. Denn: „Biblische Texte müssen auch die hässliche Seite des Lebens zur Sprache bringen.“
Dr. Mariella Ourghi von Orientalischen Seminar der Universität Freiburg sprach zum Thema „Legitimation von Gewalt im Islam“. Es gibt im Islam unterschiedliche Weisen, auf Gewalt zu blicken und divergierende Stellen im Koran und den „Aussprüchen des Propheten“ wie damit umzugehen ist. Die eine Position besagt, dass es erlaubt ist, sich zu verteidigen und die andere spricht sich für offensive Gewaltanwendung zur Missionierung aus.
Gotlind Hammerer von Pax Christi Österreich skizzierte die Friedensarbeit dieser katholischen Organisation. Konkrete Aktivitäten zeigen eindrucksvoll, wie Religionen für den Frieden eintreten können. Brigadier Dr. Walter Feichtinger (Wien) stellte Modelle der Konfliktlösung vor. Bei aller Bedeutung von Sicherheitskräften und Armee bekannte Feichtinger, das Militär brauche auch die NGOs zur Friedenssicherung.