Freitag 26. April 2024

Büste von NS-Märtyrer Pfarrer Matthias Spanlang enthüllt und gesegnet

Bronzebüste von Pfarrer Matthias Spanlang

Am 5. Juni 1940 wurde Matthias Spanlang auf grausame Weise im KZ Buchenwald ermordet. Fast genau 82 Jahre später, am 6. Juni 2022, wurde bei einem Festakt die Büste des ehemaligen Pfarrers von St. Martin im Innkreis enthüllt und gesegnet.

Pfarrer Matthias Spanlang (*1887) aus St. Martin im Innkreis war ein früher Warner vor den Nazis und tat dies ab 1931 in Zeitungsberichten auch öffentlich kund. Mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten war sein Schicksal besiegelt. Am 15. März 1938 wurde Spanlang verhaftet und ins Kreisgericht Ried eingeliefert, am 24. Mai 1938 wurde er ins KZ Dachau gebracht und kam von dort im September 1939 nach Buchenwald, wo er brutal ermordet wurde. Man vermutet, dass er wie Pfarrer Otto Neururer aus Tirol mit dem Kopf nach unten gehängt wurde. Dem Totenschein zufolge starb er am 5. Juni 1940; seine Urne wurde im Familiengrab in Kallham beigesetzt.

 

Während Otto Neururer im November 1996 von Papst Johannes Paul II. in Rom seliggesprochen wurde, beschränkte sich das Gedenken an Matthias Spanlang jedoch lange Zeit hauptsächlich auf seine Heimat Kallham. Eine Begegnung von Vertreter:innen aus Spanlangs Geburtsort Kallham mit Bischof Manfred Scheuer gab den Ausschlag für einen Forschungsauftrag an die ehemalige Direktorin des Linzer Diözesanarchivs, Dr.in Monika Würthinger, mit dem Ziel, neue Quellen zum Leben und Schicksal Spanlangs zusammenzutragen und ein gesichertes Lebensbild über seine Person zu erstellen. 2021 entstand die Broschüre „Matthias Spanlang – Christ und Märtyrer“, die als Teil der Reihe „Christ und Märtyrer“ einen leicht lesbaren und reich bebilderten Zugang zur facettenreichen Persönlichkeit Spanlangs ermöglicht.

 

Auch der Pfarre und der Gemeinde St. Martin im Innkreis ist es ein Anliegen, das Gedenken ihres ehemaligen Pfarrers zu pflegen. Am 6. Juni 2022 wurde im Beisein zahlreicher Ehrengäste eine Bronzebüste des NS-Märtyrers enthüllt und gesegnet. Die Büste, die von der Künstlerin Paulina Skavova gestaltet wurde, wurde von Dipl.-Ing. Riprand Graf von und zu Arco-Zinneberg gestiftet. Dessen Witwe Dr.in Maria Beatrice Gräfin von und zu Arco-Zinneberg nahm ebenso am Festakt teil wie LAbg. Mag. Günther Lengauer in Vertretung von Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer, Bürgermeister Dr. Hans Peter Hochhold, Angehörige von Pfarrer Spanlang, Propst MMag. Markus Grasl von Stift Reichersberg, Pfarrer Lic. Jophy Francis, Pfarrgemeinderats-Obfrau Gitti Legler und Dekanatsassistentin Mag.a Patrizia Wohlmacher. Musikalisch gestaltet wurde die Feier von der Marktmusikkapelle und dem Chor SMS.

 

 

„Ansporn für ein Leben als echte Christinnen und Christen“

 

Bischofsvikar Wilhelm Vieböck enthüllte die Büste und nahm die Segnung vor. In seiner Ansprache meinte Vieböck: „In der jüngst erstellten Broschüre zu Pfarrer Spanlang schreiben die Herausgeber:innen im Vorwort: ‚Matthias Spanlang wurde nicht vergessen, aber die Erinnerung an ihn war mit Tabus verbunden, von Seiten der katholischen Kirche genauso wie von Seiten der lokalen Gesellschaft.‘ Pfarrer Spanlang ist auch heute unbequem. Mit seiner Impulsivität und Geradlinigkeit eckte er an. Aber Bischof Manfred Scheuer wie auch seinen Amtsvorgängern Ludwig Schwarz und Maximilian Aichern ist seine Würdigung ein großes Anliegen. So dürfen wir heute die Büste enthüllen und segnen, die an den hellsichtigen und wortgewaltigen Pfarrer von St. Martin erinnert, und Matthias Spanlang damit einen bleibenden Platz in der Pfarre St. Martin sichern. Uns möge die Büste Ansporn sein für ein Leben als echte Christinnen und Christen, in Wahrhaftigkeit und Entschiedenheit.“

 

Bischofsvikar Wilhelm Vieböck segnet die Büste von Pfarrer Matthias Spanlang.

Bischofsvikar Wilhelm Vieböck segnete die Büste von Pfarrer Matthias Spanlang.
© Pfarre St. Martin im Innkreis

 

„Denkmal gegen das Vergessen, Mahnmal für Frieden und Toleranz“

 

Spanlang-Biografin Monika Würthinger skizzierte die bewegte Biografie von Pfarrer Spanlang und seine schillernde Persönlichkeit. So sei Matthias Spanlang sprachlich begabt, belesen, humorvoll und bei der Bevölkerung beliebt gewesen, habe jedoch auch ungehalten werden können; Vorgesetzte hätten sein Verhalten „flegelhaft“ genannt. Seine politische Überzeugung habe er „unverblümt und fest entschlossen mit seinen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln“ verteidigt. Würthinger: „Am 10. Jänner 1926 als Pfarrer von St. Martin im Innkreis installiert, übernahm er eine seelsorglich gut betreute, zu hundert Prozent katholische Pfarre unter dem Patronat des Grafen Arco, in einer Zeit, die geprägt von wirtschaftlichen und sozialen Missständen, viel politischen Zündstoff in sich barg. Käthe Koller, Tochter des damaligen Bürgermeisters, charakterisierte den Pfarrer als gewissenhaften Priester, guten Prediger und Beichtvater, der gerne unter die Leute ging, für den Krankenbesuche selbstverständlich waren, der gemeinsam mit ihrem Vater oft energisch und erfolgreich für die Arbeiter intervenierte, der zu Weihnachten für Bedürftige Lebensmittel organisierte, die der Pfarrer persönlich bei den Bauern erbat, der manche arbeitslose Burschen finanziell unterstützte und der Schulkinder in den Pfarrhofgarten einlud.“

 

Als ab 1931 nationalsozialistische Versammlungen in St. Martin stattfanden, warnte er als einer der ersten und radikalsten Gegner vor den Gefahren; äußerst gut informiert demaskierte er deren Propaganda, sagte den Zusammenbruch des Hitlerreiches voraus; und schloss kategorisch den Anschluss an das Deutsche Reich unter Hitler aus. Im Jänner 1934 forderten die damals illegalen Nazis vom Bischof die „Entfernung als Pfarrer von St. Martin“. Eine entsprechende Unterschriftenaktion wurde von der Gendarmerie zunächst als „illegale Betätigung“ angezeigt, dann als „persönliche Feindschaft“ abgetan. Nach einer kurzen Ruhephase konnten die Nationalsozialisten ab 1936 ihre Position stärken; die Auseinandersetzungen wurden heftiger, besonders mit dem politisch orientierten christlich-deutschen Turnverein, dessen Obmann der Pfarrer 1936 wurde.

 

Von 1932 bis 1935 erschien in der „Rieder Volkszeitung“ die Rubrik „Aus dem Antiesentale“. Würthinger: „In etwa 170 Beiträgen wurde von Machenschaften der Nazis – auch gegen die Kirche – berichtet. Sie richteten sich alle gegen Hitler und seine Gewährsmänner, gegen die Partei, gegen das Deutsche Reich. Die nicht gezeichneten Beiträge wurden unisono von Freunden und Feinden Matthias Spanlang zugeschrieben. Sie waren die Hauptursache für dessen Verhaftung zusammen mit der Tatsache, dass er die Informanten – die Gestapo vermutete den bayerischen Klerus dahinter – nicht verriet. Er wurde ohne Anklage im Kreisgericht Ried inhaftiert und am 24. Mai 1938 nach Dachau transportiert.“

 

Im September 1939 wurde Spanlang von Dachau in das KZ Buchenwald „als Volksschädling“ überstellt und am 28. Mai 1940 zusammen mit dem Tiroler Pfarrer Otto Neururer in den tödlichen Lagerbunker gebracht, weil sie eine Konversion eines Häftlings durchführen wollten, obwohl die religiöse Betätigung im KZ für Priester nicht erlaubt war. Die Verbindung des Schicksals mit Neururer lässt vermuten, dass auch Spanlang mit Ketten an den Fußgelenken an der Decke der Zelle aufgehängt wurde. Er starb am 5. Juni 1940 einen qualvollen Tod.

 

Würthinger: „Das Schicksal und die Erinnerung an den unkonventionellen Priester wurden auch kirchlicherseits lange verdrängt und tabuisiert. Möge die Büste ein Denkmal gegen das Vergessen der NS-Gräuel sein und der Märtyrer Matthias Spanlang als Mahnmal für Frieden und Toleranz stehen.“

 

Spanlang-Biografin Monika Würthinger

Spanlang-Biografin Monika Würthinger. © Pfarre St. Martin im Innkreis

 

„Lernen aus dem, was geschehen ist“

 

Christine Herzog aus Weimar, die zu den deutschen Geistlichen im KZ Buchenwald forscht, gab Einblicke in das Lagerleben in Buchenwald zur Zeit Spanlangs. „Stärke am 26. Sept. 1939: 6600 Häftlinge, Neuzugänge am 27. September 1939: 2200 aus dem KZ Dachau (darunter Spanlang). Sie wurden in Häftlingskleidern überstellt, ihre Zivilsachen, die sie bereits in Dachau hatten, kamen in einem Extra-Waggon, fein säuberlich sortiert in Buchenwald an. In Spanlangs Gepäck befand sich 1 Hut, 1 Paar Schuhe, 2 Paar Strümpfe, 1 Mantel, 1 Sakko, 1 Hose, 1 Hemd, 1 Unterhose, 1 Schal, 1 Paar Handschuhe, 1 Brieftasche mit Papieren, 1 goldene Taschenuhr mit Kette. Im KZ Buchenwald bestand zu dieser Zeit die Tagesration an Essen und Trinken für einen Häftling aus 1-2 l Kaffee-Ersatz, Krautsuppe, ca. 50 dag Brot, darauf ein Löffel Marmelade. Die Häftlinge hatten immer Hunger. Es war zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel.“

 

Pfarrer Spanlang habe in den letzten Lebensjahren Anfeindung, Denunzierung, Ungerechtigkeit und Folter erlebt. Seine Büste sieht sie als Mahnmal. „Ich möchte begreifen, was war, und lernen aus dem, was geschehen ist – das ist eine Aufgabe für uns alle. Jeder Mensch an jedem Ort muss seine Religion frei ausüben dürfen. Wo ich Ungerechtigkeit bemerke, ist es meine Aufgabe, aufzustehen und es laut zu sagen, auch wenn es Konsequenzen hat. Und was ich zu sagen habe, das sage ich offen, nicht unter vorgehaltener Hand. Menschen dürfen nicht in Lager gesperrt werden. Es passiert bis heute, wir müssen nicht weit schauen. Jeder Mensch, und selbst wenn er etwas verbrochen hat, hat ein Recht auf einen ordentlichen Prozess, auf Verteidigung und menschliche Haftbedingungen“, so Herzogs Plädoyer.

 

Auch in den anderen Ansprachen wurde zum Ausdruck gebracht, dass Gräueltaten wie zur Zeit des NS-Regimes sich nicht mehr wiederholen dürften. So wies Landtagsabgeordneter Günther Lengauer darauf hin, dass in Zeiten von Social Media die Gesellschaft vor neuen Herausforderungen stehe und ein respektvoller Umgang miteinander ein Gebot der Stunde sei. St. Martins Bürgermeister Hans Peter Hochhold warnte davor, wie schnell ein System „kippen“ könne. Die aktuellen Ereignisse machten deutlich, dass Frieden, Meinungsfreiheit und Gerechtigkeit auch im 21. Jahrhundert in vielen Ländern nach wie vor keine Selbstverständlichkeit seien.

 

Pfarrer Jophy Francis und Pfarrgemeinderats-Obfrau Brigitte Legler bedankten sich abschließend bei Maria Beatrice Gräfin von und zu Arco-Zinneberg für die großzügige Spende. Der Pfingstmontag 2022 war in der Pfarre St. Martin im Innkreis ein Tag des Erinnerns, des Gedenkens und der Dankbarkeit.

 

Festakt zur Enthüllung und Segnung der Büste von Pfarrer Matthias Spanlang

V. l.: Dekanatsassistentin Mag.a Patrizia Wohlmacher, PGR-Obfrau Gitti Legler, LAbg. Mag. Günther Lengauer, Propst MMag. Markus Grasl, Künstlerin Paulina Skavova, der Pfarrer von St. Martin Lic. Jophy Francis, Christine Herzog (Weimar), Bischofsvikar Wilhelm Vieböck, Dr.in Maria Beatrice Gräfin von und zu Arco-Zinneberg, Bürgermeister Dr. Hans Peter Hochhold, Pfarrer Mag. Franz Asen (früherer Pfarrer von St. Martin) und Gemeindearzt Dr. Clemens Novak mit der Büste von Pfarrer Matthias Spanlang.
© Pfarre St. Martin im Innkreis

 

Literaturhinweis

 

Monika Würthinger, Thomas Schlager-Weidinger, Andreas Schmoller und Bernhard Zopf (Hg.):

Matthias Spanlang – Christ und Märtyrer.

Aus der Reihe „Christ und Märtyrer“.

Linz 2021, Behelfsdienst der Diözese Linz

ISBN: 978-3-9504182-7-9

Preis: 5 Euro

Zu beziehen im Behelfsdienst der Diözese Linz (www.behelfsdienst.at)

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