Samstag 27. April 2024

Beinahe lebenslänglich: 50 Jahre Häfenpfarrer

Am 23. Oktober 2019 präsentierte Gefangenenseelsorger Hans Gruber sein Buch „Beinahe lebenslänglich – 50 Jahre Häfenpfarrer“ auf Einladung des Oö. Journalistenforums in Linz, gemeinsam mit Hofrätin Mag.a Iris Hofer, MA, Leiterin der Justizanstalt Linz.

Seit 50 Jahren ist der Priester Hans Gruber Seelsorger in der heutigen Justizanstalt Linz. Das Jubiläum hat er zum Anlass genommen, ein Buch zu schreiben. Darin erzählt er heitere und berührende Erlebnisse und Begegnungen und gibt einen Einblick in die Geschichte der Gefangenenseelsorge, die Geschichte der Freiheitsstrafe und geht der Frage nach, wie man kriminell wird. Bei der Buchpräsentation im OÖ. Presseclub anwesend waren auch Verleger DDr. Helmut Wagner sowie Bischof em. Maximilian Aichern, der ein Vorwort zum Buch verfasst hat.

 

Verleger DDr. Helmut Wagner und „Häfenpfarrer“ Hans Gruber mit dem neu erschienenen Buch.

Verleger DDr. Helmut Wagner und „Häfenpfarrer“ Hans Gruber mit dem neu erschienenen Buch. © Christine Grüll

 

Im Oktober 1968 trat Hans Gruber seinen Dienst als Seelsorger im damaligen Gefangenenhaus Linz an. Geprägt von der Stimmung des Aufbruchs auch in der katholischen Kirche Ende der 1960er-Jahre, wollte Hans Gruber im Gottesdienst den Haftinsassen „fortschrittlich“ gegenübertreten. Er verzichtete auf das alte Messgewand – und wurde prompt dafür von den Gefangenen kritisiert: ‚Wir sind es ihm nicht wert, dass er sich feierlich anzieht!‘ Neben dem wöchentlichen Gottesdienst war der Arbeitsalltag von Gruppen- und Einzelgesprächen und der Beichte geprägt. Wobei die Beichte gerne für andere Formen der Kommunikation genutzt wurde. „Ich war oft eine Projektionsfläche für ihre Verteidigungsrede“, sagt Hans Gruber. „Sie dachten, wenn ich ihre Lügengeschichte glaube, vielleicht schluckt sie dann auch der Richter.“

 

Hans Gruber beim Gottesdienst in der Gefängniskapelle.

Hans Gruber beim Gottesdienst in der Gefängniskapelle. © Manfred Gruber

 

An Jesus Maß nehmen

 

„Die Gefangenenseelsorge muss an Jesus Maß nehmen“, schreibt Hans Gruber im Kapitel über die Geschichte der Gefangenenseelsorge, und zitiert aus der Gerichtsrede Jesu im Neuen Testament: ‚… ich war gefangen und ihr habt mich besucht …‘ (Mt 25,46) Seelsorger in Österreich erhielten erstmals im Jahr 1804 Zutritt zu den Gefangenen. Während der nationalsozialistischen Zeit gab es keine Gefangenenseelsorger. 1954 wurde die Arbeitsgemeinschaft der Gefangenenseelsorger Österreichs gegründet, die bis heute besteht. Ab 1978 leitete Hans Gruber die neu eingerichtete Koordinationsstelle für Gefangenenpastoral in der Diözese Linz. In den vergangenen Jahrzehnten wurde kontinuierlich an der Professionalisierung der Gefangenenseelsorge gearbeitet, trotz immer noch bestehender Hürden, was die finanzielle Ausstattung und die zugestandene Bedeutung innerhalb der Diözese anbelangt, so Gruber.

 

Von einer „Einsperrlust der Österreicher“ schreibt Hans Gruber im Kapitel über die Geschichte der Freiheitsstrafe. Im Jahr 1970 waren in den Niederlanden pro 100.000 Einwohner 25 Personen eingesperrt – in Österreich 120. Ab Inkrafttreten des Strafgesetzes 1975 sank die Zahl der Untersuchungs- und Strafgefangenen, fünf Jahre später stieg sie wieder auf insgesamt 9.081 an. Ab 1985 fiel die Zahl von 8.463 Inhaftierten bis auf 5.946 im Jahr 1989, um dann wieder anzusteigen. 2019 waren wieder 9.500 Menschen inhaftiert. Aus den Zahlen werde ersichtlich, dass die Einsperrquote je nach politischer Einstellung steige oder falle, so Gruber. Hofrätin Mag.a Iris Hofer, Leiterin der Justizanstalt Linz, sorgt sich um die zukünftige Situation in der Haftanstalt, wenn Gesetze mit erhöhten Strafen in Kraft treten. Schon jetzt ist die Justizanstalt überbelegt, die finanziellen und personellen Ressourcen erschweren den Alltag. „Ich habe den Wunsch, dass die Bevölkerung mehr Verständnis dafür hat, dass mehr Investment in die Gefängnisinsassen auch ein Investment in die Gesellschaft bedeutet, denn die Menschen werden auch wieder aus der Haft entlassen“, sagt Iris Hofer.

 

 

Gefangenenseelsorge als Anwältin des ganzen Lebens

 

Dass das Leben in der Justizanstalt die Menschen verändert, weiß auch Gefangenenseelsorger Hans Gruber: „Dieses Haus verlässt niemand unberührt.“ Das war für ihn auch der Grund für das Buch: „Was ich in den vielen Jahren erlebte, wollte ich nicht einfach für mich behalten. ‚Mit-teilen‘ könnte die Überschrift heißen: großes Leid teilen, Erfahrungen von der Seele schreiben, Tatsachen zurechtrücken, Vorurteile bekämpfen, von überraschender Herzlichkeit erzählen und über manches gemeinsam lachen.“ Gruber erinnert im Zusammenhang mit der Gefangenenseelsorge an das Zitat von Papst Franziskus: „Mir ist eine ‚verbeulte‘ Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber als eine Kirche, die auf Grund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist.“ In diesem Sinne, so „Häfenpfarrer“ Gruber, sei die Gefangenenseelsorge mehr als ein Stiefkind der Kirche, sondern „ein aufmüpfiges Kind, das die dunklen Seiten des Lebens ausleuchtet und sichtbar macht. Sie ist Anwältin des ganzen Lebens: des schönen und das abgründigen!“

 

„Beinahe lebenslänglich – 50 Jahre Häfenpfarrer“

Hans Gruber:

Beinahe lebenslänglich – 50 Jahre Häfenpfarrer

Wagner Verlag

Linz 2019

252 Seiten, 23 Euro

 

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