Die „parrochia Althaim“ im Mittelalter Teil 4 - 7
Niederkirchenwesen 8. - 11. Jhd. (S. Haider) – 4. Teil
Für den Untersuchungszeitraum vom 8. - bis 11. Jhd. kann mehr und mehr von einem ersten Ausbau von Niederkirchenwesen gesprochen werden, in dem
a) zugunsten von Seelsorgssprengeln (noch nicht eigenständigen Pfarren)
b) oder charakteristischen Ausformungen des typischen Eigenkirchenwesens, übergegangen worden ist.
„Nur wenn man (….) davon ausgeht, dass im bairischen Raum während des frühen Mittelalters grundsätzlich jede Kirche die Rechtsstellung einer Eigenkirche hatte – es gab somit Eigenkirchen der Herzöge bzw. der Könige, des Adels, der Bischöfe und der Klöster – vermag man daher der Realität der frühen niederkirchlichen Verhältnisse gerecht zu werden.“ (S. Haider, Niederkirchenwesen in der Frühzeit des Bistums Passau, ebd., S 328.329)
(Ich halte mich hier an den Aufsatz von S. Haider, ebd. S . 325 – 388)
Da die Quellenlage in Passau (leider) nicht so reich fließt wie z. B. in Freising und Salzburg, wird vom Autor S. Haider zum Vergleich öfter über Passau hinausgegangen, aber immerhin lassen sich aus den wenigen Schenkungsurkunden gewisse Rückschlüsse ziehen.
Wenn vor Bonifatius durch die Herzöge und Adelige bereits Kirchengründungen geschahen, und dann im 8. und 9. Jhd. Kirchenübertragungen (mit einem gewissen kirchlichen Zubehör wie liturgische Geräte und Landbesitz) an die Passauer Bischofskirche erfolgten, dürfen wir annehmen, dass die Inhaber des Passauer Bischofsstuhles bald auch selbst mit dem Kirchengründungswerk auf ihren Besitzungen begonnen haben, und, was vorausschauend die Urkunde von 1195 betrifft, haben auch die jungen Klöster (wie Ranshofen) Eigenkirchen mit einem gewissen Ausstattungsgut erworben.
Laut S. Haider gibt es für den zeitraum 739 – 850 81Urkunden, die mit der Zäsur 850 deshalb angegeben werden, weil dann ein Übergang von Schenkungen zum Tauschgeschäft festgestellt werden kann. (S. Haider, ebd. S 330)
Die Urkunden lassen keinen Zweifel daran, dass die großteils adeligen Grundherren - es gab auch geistliche Tradenten - die Kirchen mit dem dazugehörigen Besitz an Land und (unfreien) Leuten zuerst Eigenbesitz bzw. Erbgut waren und als solche der freien Verfügungsgewalt der Tradenten unterstanden.
Trotz der schmalen Quellenbasis dürfen wir annehmen, dass die Bischöfe grundsätzlich ein starkes Interesse an der Beachtung der einschlägigen römisch-kanonischen Bestimmungen gehabt haben, sodass 1.) grundsätzlich die Kirche von einem Bischof geweiht sein musste und dass 2.) in der weiteren, jüngeren Entwicklung Ende des 8. Jhd., der Kirchenerbauer noch vor der Kirchweihe (durch den Bischof) das neue Gotteshaus dem Bischof übergab und auf alle Eigentumsrechte daran verzichtete. (So die Urkunden dieser Zeit 739 – 850) Dies Eigenkirchen wurden, oft in ein und derselben Urkunde, „ecclesia“, „domus Dei“, „oratorium“, „altare“ und „basilica“ bezeichnet, sodass daraus keine Schlüsse auf Größe, Rechtsstellung oder Aufgaben abgeleitet werden können.
Auffallend ist eine enge Verbindung der Gotteshäuser mit Grund und Boden und damit zweifellos mit der in Bayern üblichen Herrschafts-, Gesellschafts- und Wirtschaftsform der Grundherrschaft zu erkennen. (S. Haider, ebd. S 336). In den Traditionsurkunden wird die Eigenkirche nicht als primäres Schenkungsobjekt gesehen, sondern der ganze Grundbesitz, zu dem eine Eigenkirche als Zubehör unter anderem angeführt ist, wird dotiert.
Die Eigenkirchen haben damit eine wichtige Rolle im grundherrschaftlichen System gespielt, eben zur seelsorglichen Betreuung der Grundherren, ihrer Angehörigen und ihrer Untertanen. Wie diese Seelsorge in dieser frühen Zeit genauer ausgesehen hat, darüber gibt es (leider) wenig Auskünfte.
S. Haider schreibt: „Für unsere Auffassung spricht weiters die Beobachtung, dass sogar kleine grundherrschaftliche Besitzeinheiten wie z. B. im Ausmaß von zehn Mansen (sc. Kulturland, die eine Großfamilie bewirtschaften konnte), die einem Herrenhof (curtem dominicalis) untergeordnet waren, eigene Eigenkirchen aufwiesen (...)“ (S. Haider, S 337) 1
Dass eine Eigenkirche für den Adeligen und deren Untergebenen in der ganzen „familia“ in mehrfacher Hinsicht ein Gewinn war, kann noch erläutert werden. Für die Seelsorge, für Einnahmen, für nicht zuletzt einer sakraler Überhöhung. (S. Haider, ebd., S 339), brachte eine Kirchen einen Gewinn. „Dies gilt natürlich ebenso für jene Eigenkirchen, die außerhalb der bevorzugten Adelssitze in verschiedenen grundherrschaftlichen Komplexen des zumeist weitverstreuten Besitzes zur seelsorglichen Betreuung der dortigen Untertanen und der vom Grundherrn abhängigen Personen eingerichtet wurden.“ (ebd., S 339) 2
S. Haider schreibt auch, dass es leider keine Aufzeichnungen gibt, in welchem Verhältnis die Einnahmen einer Kirche zwischen den an ihr tätigen Geistlichen und dem betreffenden Eigenkirchenherrn genau ausgesehen haben. Es ist eine königlich-synodale Entscheidung bekannt aus dem Jahre 818/819, dass jede Kirche über einen dienstfreien Mansus verfügen können muss und der dortige Priester von den, bei der Kirche gelegenen Baulichkeiten und Gärten sowie von den Zehnten und Gaben der Gläubigen, nur kirchliche Dienste zu leisten habe. 3
Die Quellen für die Agilolfinger-Zeit, konkret auf Passau bezogen, sind dürftig; für die Karolinger-Zeit gibt es bereits mehr Belege. Das gesamte Herzogsgut, damit auch die Herzogshöfe mit ihren Kirchen und Kapellen, kamen durch Karl d. Gr. in das Eigentum der königlichen Verwaltung, wodurch auf einen Schlag 2/3 des Herzogslandes „Königslandschaft“ geworden war. (S. Haider, ebd., S 343)
Die bisherigen Königshöfe Ötting, Aibling, Ranshofen, Osterhofen, Baden bei Wien, wahrscheinlich auch Mattighofen und Atterhofen/Attersee, wurden zu qualitätsvollen Pfalzen ausgebaut.
Ausdrücklich bezeugt ist für unsere Belange die Pankratius-Pfalzkapelle in Ranshofen, die König Arnulf zwischen 896 und 898 von Grund auf errichtete sowie mit entsprechender Dotation und mit kirchlichen Geräten ausstatte. Sie dürfte eine ältere Kirche im Verband des Königs bzw. vor dem Sturz Tassilos III (788) des Herzogshofes ersetzt haben und nahm ein kleines, vom König gegründetes Kanonikerstift auf. Nach Lebenszeit des Hofgeistlichen Ellimbrechts sollte der Besitz der Pfalzkapelle an Ötting übergehen.
Die auf Königsgut existierenden Kirchen wurden dann entweder Pfalzkirchen (an einer Pfalz) oder Fiskalkirchen, wobei die rechtlichen Stellung der ersteren sogar einen besonderen eigenkirchlichen Status bedeute, d. h. dass deren oberster Kapellan oder Dekan selbst der Verfügungsgewalt des Bischofs entzogen waren (S. Haider, ebd. S 346). Die übrigen Fiskalkirchen dürften nicht rein dem herrscherlichen Gottesdienst gedient haben, sondern wie die übrigen Eigenkirchen des Adels zur seelsorglichen Betreuung jener Menschen bestimmt gewesen sein, die auf Königsgut lebten bzw. herrschaftlich an jenes gebunden waren. Die dort installierten Geistlichen waren aber damit nicht dem Grundherrn (vielleicht indirekt), sondern dem Bischof unterstellt.
Die Quellenlage zu den Eigenkirchenwesen im 8./9. Jhd ist nach S. Haider ziemlich unvollständig, da man nur von Schenkungen an Klöster oder an den Bischof erfährt, doch inwieweit Äbte und Bischöfe selbst im Zuge der grundherrschaftlichen und seelsorglich-missionarischen Erschließung ihrer Herrschaftsbereiche zweifellos selbst Kirchen und Seelsorgssprengel gegründet haben, ist uns leider nicht bekannt. (ebd. S 348)
S. Haider führt dann eine Schenkungen an das Bistum Passau an, verweist auf das reichste Kloster der damaligen Zeit, aufMondsee (ebd. S 349), und schließt für das 9./10. Jhd, dass das Bistum Passau die meisten geistlichen Gemeinschaften zu bischöflichen Eigenklöstern machen konnte, d. h. somit auch die Verfügungsgewalt über die klösterlichen Eigenkirchen erhielt.
(Ausnahme war das Kloster Mondsee, das an Regensburg ging.)
Diese Oberhoheit des Bischofs sollte im 11. Jhd. wieder problematisch werden, da die Eigenklöster wieder stärkere Eigenständigkeit erlangen wollten – und in diversen Urkunden und Urkundenfälschungen von Seiten der Klöster und Stifte meine ich dieses Selbstbewusstsein herauszuhören – so in der Urkunde von Ranshofen von 1195.
Bei den Schenkungen der Adeligen an die Bischofskirche des 8./9. Jhd. ist noch auffallend, dass das erste Motiv das Seelenheil des Schenkgebers und seiner Angehörigen war, die himmlische Vergeltung für irdische Wohltaten und ähnliches. (S. Haider, ebd. S 353).
Dies ist ebenfalls deutlich erkennbar in unserer Schenkungsurkunde von 903.
Eine Art geistlicher Hochstimmung konnte dem baierischen Adel bis Mitte des 9. Jhd. attestiert werden, die aber dann wieder abgenommen haben dürfte, weil ab 850 an ihre Stelle wieder mehr Tauschhandlungen mit den Bischöfen oder Klöstern traten - zwecks z. B. Arrondierungen und Zusammenlegung von Streubesitz.
1Es kann auch nochmals unterschieden werden zwischen dem reinen Kirchengut, wie liturgischen Geräten und einer oder zwei Mansen als Ausstattungsgut, und den übrigen Grundbesitz, der wie in diesen beschriebenen Fällen, der Bischofskirche dotiert wurde. Für die Verhältnisse des natürlich viel viel späteren Briefes von 1383 erkenne ich insofern einen Nachhall der Grundherrschaft, da die Landleute selber Untergebene und Leibeigene der Grundherrschaft gewesen sind, dass sie aber zusätzlich zu den sonstigen Abgaben an die Grundherrschaft sich durch Geld zu weiteren Abgaben auf diese und jene Grundstücke geeinigt haben, oder dass aus diesen Grundstücken dieser Geldbetrag für die Seelsorge lukriert werden sollte.? Bemerkenswert ist auch, dass auf so frühe Zeit des 8./9. Jhd. jede größere Siedlung somit bereits eine „Eigenkirche“ aufwies, bedingt eben durch die Grundherrschaft, durch die religiöse Einstellung des Adels wie der unfreien Leute. Eine Eigen-Kirche hatte aber, wohl ohne Übertreibung gesagt, in mehrfacher Hinsicht eine integrative Wirkung.
2Die Bemerkung von S. Haider vermerke ich deshalb, weil konkret für St. Laurenz und Umgebung mir keine größeren Adelssitze bekannt sind, die hier Einfluss gehabt hätten. Also ist die Kirche von St. Laurenz weder von höheren Adeligen, noch von unterprivilegierten Adeligen, abhängig gewesen. Sie war rein bischöfliche Eigenkirche mit der dahinterliegenden weltlichen Struktur der Leibeigenen, Bauersleuten, und später der Bürgerleute des naheliegenden Marktes. Zumindest der Erhalt des Kirchengebäudes könnte vielleicht anhand ganz alter Kirchenrechnungen geklärt werden. Der Unterhalt der Geistlichen für die drei Ortschaften Altheim, Polling, Mühlheim, dürfte anhand des Wirtschaftsgutes in Mauernberg gesichert gewesen sein – und der zusätzlichen Einnahmen durch Abgaben wie im Brief von 1383 beschrieben.
3Wieder umgelegt auf Altheim, Polling, Mühlheim: Der bischöfliche Kirchenherr konnte einen gewissen kirchlichen Eigenbesitz an den Pfarrer weitergeben, zusätzlich waren noch Abgaben für kirchliche Dienste vorgesehen, wie der Brief von 1383 besagt, umgekehrt musste sich der angehende Pfarrer beim Bischof die Belehnung durch eine Kollationsabgabe „erkaufen“, d.h. einen Gegenzins leisten. Dieser lag für Altheim aber offensichtlich unter dem Durchschnitt, verglichen mit Mauerkirchen, Aspach.
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Niederkirchenwesen – frühes Mittelalter – 5. Teil (S. Haider)
Die Schenkung König Ludwigs IV (* September oder Oktober 893 in Altötting; † 20. oder 24. September 911), d.h. in seinem Namen ausgeführt von einem Notar und mitunterschrieben vom Erzkaplan Theotmar ("Theotmari archicapellani") konnte sich dabei auf ältere gesetzliche Bestimmungen berufen, wie ich aus einer Nebenbemerkung S. Haider herauszulesen meine: Er führt an, dass es König Ludwig der Deutsche 852 dem Bischof von Passau reichsrechtlich erlaubt hatte, Teile eines Hochstiftsbesitzes zum Nutzen seiner Kirche mit Adeligen zu tauschen. (S. Haider, ebd. S 354) (Leider erwähnt S. Haider die Urkunde, 50 Jahre später, von 903 nicht.)
Wenn die Gründe der Schenkung des Königs auf Bitten der Vasallen Aribo und Engilmar nicht genau ersichtlich sind, so ist umgekehrt auch nicht zu belegen, dass der Passauer Bischof direkt Druck auf die Adeligen ausgeübt hätte, die adeligen oder klösterlichen Eigenkirchen ihm zu vererben, (wie aber z. B. Virgil von Salzburg bei der Weihe des Klosters Otting es getan hatte). Es war reichskirchlich und grundherrschaftlich 818/819, 826 und 829 geregelt worden, dass die Eigenkirchen anerkannt waren, ja es konnte sogar so sein, wie Regensburger Traditionen bezeugen, das Bischöfe die bischöflichen Eigenkirchen an Adelige vertauschten. Bischof und Adelige waren nicht Gegner, sondern durchaus Partner.
Wie die kirchliche Organisation und bischöfliche Verwaltung des Bistums für unsere Gegend aussah, ist, wie oben schon gesagt, leider quellenmäßig für Passau kaum belegt, wodurch man auf vergleichsweise Betrachtung in Nachbarbistümer angewiesen ist. (S. Haider, ebd. S 359). Es haben bischöfliche, herzöglich/königliche, adelige und klösterliche Eigenkirchen in einem Nebeneinander (friedlich?) existiert.
Wichtig ist hier festzustellen, dass gewisse Rechte wie die Taufe bei den bischöflichen Eigenkirchen anzunehmen sind, unabhängig von den extra ausgewiesen „ecclesiae baptismales“, wie uns das in im Ort Taufkirchen oder in Eberschwang noch begegnet. (Es lässt sich leider anhand der überlieferten Quellen nicht viel erkennen, ob diese „Taufkirchen“ nochmals eine besondere Funktion hatten. Sie dürften sich aber nicht von den anderen Eigenkirchen unterschieden bzw. durch besondere Privilegien wie das Taufrecht, ausgezeichnet haben. Noch gänzlich unklar ist die Erforschung, wie es mit dem „Begräbnisrecht“ ausgesehen hat. (S Haider, 365)
Die weitere Ausübung der kirchlich-kanonischen Vorschriften durch den Bischof waren somit in den weltlichen wie in den geistlichen (zumeist klösterlichen) Eigenkirchen (neben den bischöflichen Eigenkirchen) gegeben: Wenn das Kirchenrecht zwar dem Eigenkirchenherrn eine bestimmte Form der Präsentation und des Vorschlagsrechtes zubilligte (dass sich in rudimentärer Weise bis ins 20. Jhd. gehalten hat!) so war doch die Eignungsprüfung, die Weihe und Amtseinführung durch den Diözesanbischof Vorschrift. Auf jeden Fall aber war dessen Zustimmung notwendig.
Neben diesen kirchenrechtlichen und sakramentalen Zugriffsmöglichkeiten des Bischofs war eine weitere wichtige Zugriffsmöglichkeit auf alle, auch auf die nichtbischöflichen Eigenkirchen, der Zehent.
„Der Zehent war eine von den Gäubigen den Kirchen zuerst freiwillig, dann seit Karl dem Großen verpflichtend zu leistend Abgabe, die von manchen karolingerzeitlichen Quellen als Gegengabe für die Spendung der Sakramente betrachtet wurde. Seit dem 8. Jhd. war die Vierteilung des Zehents üblich, je ein Viertel stand dem Geistlichen, den Armen und Fremden, der Kirchenfabrik für den Bau und die Erhaltung der Kirchengebäude (und damit dem Eigenkirchenherrn) sowie dem Bischof zu.“ (S. Haider, ebd., S 369)
Wie J. Semmel beschrieben hat, hat das Zehentwesen über die materielle Sicherstellung eine Territorialisierung der um die Eigenkirchen gebildeten, „grundherrschaftlich erfassten, vom jeweiligen Grundherrn abhängigen Personenverbänden“ geführt! (S. Haider, ebd. S 370)1 Im Klartext gesprochen, das Zehentwesen hat zur Sprengelbildung einer zukünftigen Pfarrbildung etwas beigetragen, wenn auch bei weitem nicht von einer klaren Abgrenzung von Zuständigkeiten für einen gewissen Pfarr-Bezirk gesprochen werden darf. (Bekanntlich hat die Pfarrstruktur nachhaltig das Identitätsbewusstsein der Menschen geprägt, selbst nach Abschaffung der Leibeigenschaft und den eigenen Gemeindebildungen 1848/49).
Ab der zweiten Hälfte des 10. Jhd. hat mit Bischof PILGRIM (971 – 991), dem energischen Missionar und Kämpfer auch um eine Metropolitanwürde Passaus, werden die Quellen zum Niederkirchenwesen in der Diözese besser. Er dürfte sich nachhaltig um eine stärkere Organisation und Verwaltung der Diözese eingesetzt haben. Die Passauer Zehentrechte wurden nämlich auf diversen Synoden gestärkt – und zahlreiche Nennungen von Eigenkirchen und Höfen und Dörfern sind zum ersten Mal zu finden – und belegen für viele Orte entlang der Donau eine wertvolle Tradition, (S. Haider, 375 – 381).
Von einem regelrechten Pfarrnetz mit sogenannten Urpfarren und Filialkirchen ist allerdings im 11. Jhd. aus den urkundlichen Zeugnissen in der Diözese Passau noch nicht auszugehen, zumindest ist das nicht zu ersehen. (ebd. S 381).
Der Begriff der Kirche für bischöfliche wie adeligen Eigenkirchen blieb „ecclesia“. Erst Mitte des 11. Jhd. und Anfang des 12. Jhd. kündigt sich, mit dem Schlagwort „Investiturstreit“ nur unzureichend gekennzeichnet, etwas Neues an. Eine organisatorische Straffung der Seelsorge „mit Konzentration bestimmter kirchlicher Rechte an bestimmten (vornehmlich) bischöflichen Kirchen scheinen in der ganzen Passauer Diözese“ (S. Haider, ebd. S 388) vorallem unter Bischof ALTMANN (1065 – 1091) und seine Nachfolgern durchgeführt worden zu sein.
In einer urkundlichen Quelle tritt erstmals 1130/50 ein Pfarrer („parrochianus“ von Taufkirchen) auf, 1160/80 folgt der unschärfere Begriff „plebanus“ (Leutpriester).
In der Zeit der Ranshofener Urkunde von 1195 dürfte der Begriff „parrochia“ schon geläufig gewesen sein. Ein Jahr später wird in einer Mattseer Urkunde bereits ein „Ludwicus parr. de Altheim “ genannt.
S. Haider führt in seiner Zusammenfassung interessant noch Folgendes aus: „Die persönliche Beziehung der Gläubigen zu bestimmten grundherrschaftlichen Eigenkirchen verdichteten sich räumlich im Zuge der zunehmenden Besitzkonzentration durch Schenkungen und Gütertausch im Laufe des 9. Jahrhunderts, wie auch die Zehentgesetzgebung Karls des Großen die Entwicklung zum mehr oder weniger geschlossenen Zehent-Kirchensprengeln gefördert hat. Das wirtschaftlich bedeutsame Zehentwesen, das häufigen Besitzveränderungen unterworfen war, dürfte darüber hinaus verschiedendlich sogar zur Entstehung von Abhängigkeitsverhältnissen zwischen manchen Eigenkirchen beigetragen haben“ (ebd. S 386.387)2
1Literatur zu Semmel siehe ebd. bei Haider. Die vom Grundherrn abhängigen Personenverbände sind dabei formal wieder verschieden gewesen. Wenn in einem kleinen Ort wie Moosbach die Grundherrschaften auf Adel, herzögliches Gut, Kirchengut und zuletzt auf ein paar freie Bauern aufgeteilt war, so gehörte die bischöfliche Eigenkirche zweifellos nicht einer „Partei“, sondern alle waren Unfreie, Leibeigene, und die Pfarrkirche und Pfarre war integrierender Bestandteil des ganzen Gefüges, oder anders gesehen, war offener Bezugspunkt für einen gelockerten Personenverband.
2Wenn ich das etwas frei auslegen darf: Für Mühlheim war bis zum späten Mittelalter durch das Schloss und die Herrschaft der Thaimer ein gewisser personal-grundherrschaftlicher Bezug (mit Zehentwesen) gegeben, umgekehrt wollte die Passauer Diözese nicht unnötig eine adelige Eigenkirche mehr, sondern pastoralmäßig, praktisch und verwaltungsmäßig war Mühlheim leichter von Altheim aus zu betreuen. In Geinberg war das mächtige Geschlecht der Ahamer und späteren Ministerialen, sodass eine adelige Eigenkirche für Passau durchaus auch Vorteile haben konnte. In Polling und Altheim sind mir stärkere personal-grundherrschaftliche Bindungen nicht bekannt.
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6.Teil - Nach S. Haider folge ich jetzt Franz-Reiner Erkens, Das Niederkirchenwesen in Bistum Passau, 11. - 13. Jahrhundert, in: MIÖG Nr. 102, 1994, 53 – 97. 1
„Erst nach den verheerenden Einfällen der Ungarn und den Erschütterungen der Aufstände aus der Zeit Ottos II und erst nachdem im 11. Jhd. die Reichsgrenze nach Osten hin endgültig festgelegt war, gestalteten sich im passauischen Donauraum die Voraussetzungen für die Schaffung einer Pfarrorganisation günstig“ (F.-R. Erkens, 57.58)
Was hat den Ausbau der Pfarrorganisation initiiert und vorangetrieben? Sicherlich sind hier die Bischöfe selbst zu nennen, aber auch der König selbst oder auch Bischöfe aus anderen Diözesen, die da und dort Kirchen, Kapellen, Klöster, tlw. auch Pfarren, errichteten (Salzburg, Bamberg, Regensburg). Dazu kommen geistliche Institutionen (Ordensgemeinschaften) und höhere Adelige wie die Formbacher und Vohburger oder die Grafen von Wels-Lambach, die Ottokare von Steyr oder auch die Herren von Perg sind als Gründer von Pfarren anzusehen. (vgl. Erkens, S 68 – 70)
Vorausblickend gesagt, nachdem aus verschiedenen Gründen im 13. Jhd. die bischöfliche Gründung abnahm und durch päpstlichen Entscheid Alexanders III eine gewisse Form des Eigenkirchenwesens weiterhin ermöglicht wurde, konnte auch der niedere Adel oder andere weltliche Herren eine Pfarre gründen, ohne das der Bischof in kirchenrechtliche Schwierigkeiten geriet – wenn auch sein Einfluss damit beschnitten wurde. 2
Erkens schreibt mit Bezug zu den ersten Bistumsmatrikeln von Bischof Lonsdorf (2. Hälfte 13. Jhd.): „Es springt geradezu ins Auge, dass die Auflösung der Großpfarreien in mehrere Amtsbezirke dort am weitesten ging, wo der Einfluss des Adels am größten war, während die dem Bischof unmittelbar unterstehenden Pfarreien von dieser Entwicklung weitaus weniger betroffen waren. Dort, wo der Bischof viele eigenen Pfarreien besaß, im Inn- und Hausruckviertel etwa, vermehrte sich der Bestand der Pfarrkirchen durchaus nicht im demselben Maße wie im Traungau oder im Mühlviertel oder im heutigen Niederösterreich, wo es überwiegend vom Adel gegründete Pfarren gab.“ (Erkens, ebd., S 75, Hervorhebung von mir.)3
Ich referiere hier Erkens (ebd., S 58ff): Dieser Aufbau eines Niederkirchenwesens vollzog sich in zwei Phasen, die zeitlich aber nicht streng voneinander geschieden sind:
A) In einer sozusagen ersten Phase der Pfarrentwicklung wurde das Netz der Pfarren geknüpft. Man bezog ältere Seelsorgestationen ein, pfarrte aber vorallem auch die Gebiete ein, die bisher noch von keiner kirchlichen Pfarrorganisation erfasst waren. Naturgemäß wurden dabei großräumige Pfarrsprengel geschaffen, die in manchen ihrer Teile weder kultiviert noch besiedelt waren (Erkens bringt das Beispiel St. Michael in der Wachau oder Gramastetten.)
Natürlich wäre es jetzt interessant, ob es vor einer Pfarrorganisation „Althaim“ vielleicht schon ein älteres Seelsorgezentrum in St. Laurenz gegeben hat, das sozusagen kontinuierlich bestanden hat bis ins ausgehende 10./11.Jhd. ?
Was diese Spekulation erlaubt, müsste aber archäologisch begründet werden – und hat an sich keine Begründung, wie ich meine.
Archälogisch kann beigebracht werden:
a) Dass unweit von St. Laurenz eine römische Villa mit Bad ausgegraben wurde, generell in näherer Umgebung drei römische Villen lagen.
b) Es könnte das Laurentiuspatrozinium auch in Verbindung gebracht werden mit dem Vorherrschen einer aus dem ostgotischen Raum um Ravenna kommenden Missionierung, die den Kult des Hl. Laurentius ins ehemalige Norikum trug, sodass z. B. sogar die Lorcher Märtyrer FLORIAN UND GEFÄHRTEN von diesem Märtyrer aus dem Süden verdrängt wurde. (Ich verweise hier auf einen Essay von Erwin M. Ruprechtsberger, in: Der Hl. Florian. Neues Archiv, 16. Jg. 2003, hrsg. v. J. Ebner und M. Würthinger.)
c) Es ist wahrscheinlichste Variante, dass in Verehrung des Hl. Laurentius nach dem Sieg über die Ungarn am Laurentiustag 10. 8. 955 die Passauer Diözese diesen Heiligen förderten, vielleicht auch im Zusammenhang der geistigen Verwandtschaft mit dem Diakon Stephanus, und somit dem Seelsorgsgebiet der „parrochia Althaim“, und einer schon bestehenden? Kirche, den Hl. Laurentius brachte.
d) Vielleicht brachte aber auch bereits ein VIVILO 739 auf seinem Weg zur Marienkirche in Enknach/Pischelsdorf Reliquien des Hl. Laurentius in unsere Gegend? Dies würde die Variante b) bestätigen.
Die „pfarrliche“ Straffung der Seelsorge fällt immer mehr auf. Ab dem 10./11. Jhd. finden sich namentlich einige Passauer Bischöfe, denen die Vermögens- und Verwaltungseinteilung wichtig war:
Bischof Pilgrim ließ um 985/990 die Zehentrechte seiner Kirche zwischen Enns und Wienerwald feststellen.
Bischof Berengar erhielt 1014 von Kaiser Heinrich II Grundbesitz geschenkt, um dort je eine Kirche und Gebäude für den Priester errichten zu können.
Bischof Egilbert (1045 – 1065, Vorgänger von ALTMANN) erhob die von Adeligen gegründeten und an das Bistum übertragenen Kirchen bereits zu Pfarreien.
B) Der bedeutende „Reformator“ war aber Bischof Altmann (1065 – 1091). Er führte das Organisationwerk der Diözese Passau zu einer, wenn man unterteilen will, zweiten Phase der Strukturierung und zweiten Phase der Pfarrentwicklung. „In dem Maße aber, in dem die Diözese von einem zunehmend dichter werdenden Pfarrnetz überzogen wurde und der Landesausbau Fortschritte machte, wuchs die Erfordernis, dieses Netz engmaschiger zu knüpfen. Deshalb setzt seit der Mitte des 11. Jhd. die zweite Phase der Pfarrentwicklung ein, die seit dem ausgehenden 11. Jhd an Intensität gewinnt und eine Aufspaltung der großräumigen Pfarrsprengel in kleiner Pfarrbezirke bewirkte.
Erkens bringt dann ein paar Beispiele, wie kompliziert und hypothetisch das Verhältnis zwischen einer älteren „Mutterkirche“ und einer jüngeren „Tochterkirche“ zu bestimmen sei: Warum manche Pfarre selbst bis in die Neuzeit nie ganz unabhängig wurde, umgekehrt von ihrer Funktion und Aufgabe her Taufrecht und Begräbnisrecht bereits hatten und als „Pfarre“ angesprochen wurde, das „Präsentationsrecht“ aber wieder der Pfarrer einer anderen Pfarre hatte.
Es sind dafür, so Erkens zusammenfassend, ohne eine Gewichtung vornehmen zu können, drei Motive ausschlaggebend:
a) Verbesserung der Seelsorge
b) finanzielle Erwägungen
c) Administration des Bistums. (vgl. ebd. S 76)
Im geschichtlichen Verlauf ab dem 11. Jhd. bis ins 20. Jhd. ist einerseits eine Übertragung von Pfarrrechte an Filialen und Vikariaten festzustellen, andererseits ist aber trotzdem nicht die vollständige Unabhängigkeit, sondern die Beibehaltung eines gewissen Abhängigkeitsverhältnisses festzuhalten. Eben, wie ist diese lange Unveränderlichkeit zu erklären?
Erkens beginnt mit den letzten zwei Motiven: b) finanzielle Erwägungen und c) zwecks leichterer Administration des Bistums.
Er nennt hier zahlreiche Beispiele, wie es immer wieder zu Streitereien kam, weil eine „Mutterpfarre“ um den Zehnt bzw. Stolgebühren fürchtete, sprich in der Person des Pfarrers, sobald eine Pfarre sich abspalten wollte. „Der Widerstand gegen die Bildung neuer Pfarreien auf dem Boden alter Pfarrsprengel, der sich seit dem 13. Jahrhundert zumeist erfolgreich (!, d. h. die vollkommene Selbstständigkeit konnte lange verhindert werden!) durchsetzte, ging vorwiegend von den Pfarrern aus, die sich um ihre Einkünfte und ihren Einflussbereich sorgten.“ (Erkens, ebd., S 67) Aber nur gewinnträchtigen Unternehmergeist den Pfarrherrn und dem Bischof zu unterstellen, wäre geschichtsverfälschend. Gewinnträchtig konnte auch die Eigen-Kirche eines weltlichen Patrons sein, wie oben S. Haider schon ausgeführt hatte. 4
Nicht gering zu schätzen ist das 3. Motiv und das Argument, dass die Administration der Diözese durch weniger Pfarren leichter möglich war und der Bischof in einer archidiakonalen und dekanatsmäßigen und eher großräumigeren Pfarrstruktur ein besseres Werkzeug hatte, seinen Einfluss auszuüben.
Hier offenbart vor allem das Werk von R. Zinnhobler einen guten Einblick in die Struktur der bischöflichen Verwaltung vom 13. - 17. Jhd.
Schließlich muss das a) seelsorgliche (erste) Motiv ebenfalls anerkannt werden! Es begann im 11./12. Jhd. im Zuge der allgemeinen Kirchenreform eine Intensivierung der Seelsorge, eine Hebung der ebenfalls mantraartig wiederholten schlechten Moral des Klerus und generell eben die Förderung der Seelsorge durch Kirchenbau, Kapellen, Oratorien und der Zulassung von Kirchengründungen durch weltliche Patronatsherren.
Die Urkunde von „Janns“ von Altheim offenbart sowohl den Eifer der Laien wie des Pfarrers!
Es fragt dann Erkens weiter, ob tatsächlich der Ausbau des Pfarrnetzes zur Verbesserung der Seelsorge etwas beigetragen hat, denn es gibt über den Kirchenbesuch der Laien für das 12./13. Jhd. keine Zahlen. (ebd. S 83)
Enkens schließt dann, dass der Entstehungsprozess des Pfarrnetzes in der Passauer Diözese im Lauf des 13. Jahrhunderts weitgehend zum Abschluss kam.
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7. Teil - Offizialat, Archediakonat, Dekanat - 14. - 18. Jhd. (Prof. R. Zinnhobler)
Selbst bis zum Trienter Konzil und später bis zur Gründung der Diözese Linz 1783/1784 hat sich kaum Nennenswertes gegenüber der Pfarrstruktur des Mittelalters verändert, nicht einmal in den sogenannten „Präsentationsrechten“ des Pfarrers für andere Pfarren wie z. B. das Präsentationsrecht des Pfarrers für Mühlheim und Polling, das bis ins 20. Jhd. bestanden hat, beweist.
R. Zinnhobler hält sich selber mehr als zurück in Interpretationen der Fakten und wagt sich nur soweit hinaus, als eindeutig die Textquellen etwas erlauben.
Es ist ein großartiges Werk mit vielen historischen Fundquellen für unsere Heimat: R. Zinnhobler,Die Passauer Bistumsmatrikeln, 2. Bände, 1972; Bd. 3. Register, 1978.
Zinnhobler geht von den großräumigen zu den kleinräumigen Organisationsstrukturen. (S 57ff.)
a) Auf oberster Ebene gab es eine sogenannte Offizialatseinteilung: Um 1300 wurde der Gebietsanteil „unter der Enns“ zu einem eigenen Offizialat zusammengefasst, wobei die Grenze nicht unbedingt die Enns selber bilden musste. Das Bistum Passau war interessiert, schon zu Babenberger Zeiten und dann zur Zeit der Habsburger möglichst weit im Osten noch Dekanate zu haben – Auskunft v. J. Ebner. So reichte z. B. das Dekanat Lorch weit in das Mostviertel und in des Untere Mühlviertel hinein.
Der Offizial war der höchste Vertreter des Bischofs – und vorher dürfte im Land unter der Enns ein „Archidiakon Austriae“ den Bischof von Passau vertreten haben. Namentlich sind Offiziale ab 1326 nachgewiesen; sie hatten ihren Sitz bei der Kirche MARIA AM GESTADE in Wien im sogenannten Passauer Hof.
Das Offizialat ob der Enns hatte seinen Sitz zeitweilig in Enns, das zugleich Dekanatssitz war, oder direkt in Passau.
b) Die Archidiakonatsgliederung
Dafür sind die Bistumsmatrikeln eine Hauptquelle. Der Archidiakon älterer Ordnung war ebenfalls eine Vikar des Bischofs im ganzen Umfang der Diözese bzw. dann beschränkt auf die Regionen. Die Archidiakonate erscheinen bereits in den ältesten Bistumsmatrikeln als fertige Institutionen, sodass sie bereits im 12. Jhd. anzunehmen sind. Ab etwa 1140 scheinen bereits zwei Archidiakone auf. Ob ihre Amtsbefugnisse bereits regional beschränkt waren, wie nach den später ersichtlichen, eingeteilten Archidiakonaten, lässt sich nicht feststellen. Im Verlauf des 13. Jhd. setzt sich die Benennung nach den regionalen Sprengeln durch. So finden wir in den LM bereits fünf Archidiakonate. Passau, Interamnes (zwischen den Flüssen Donau, Inn und Isar) Mattsee, Lambach und Lorch. Im Osten des Landes Österreich sind zwar Archidiakone bekannt, aber in den Quellen finden sich keine „archidiaconatus“, d. h. keine Gebietseinteilungen. Nach dem Urteil von R. Zinnhobler „war der Westen besser durchgegliedert.“ (ebd. S 62) (Kein Wunder, Passau war nahe!)
Als der Zeitpunkt für eine bessere Durchgliederung auch des Ostens gekommen war, hatte bereits von Seiten der Bischöfe allerorten eine Bewegung gegen die Archidiakonatsverfassung eingesetzt. Die Archidiakonatseinteilung konnte sich im Land unter der Enns somit gar nicht durchsetzen.
Aber ebenso im Westen wurden (durch negative Erfahrungen der Bischöfe in deutschen Raum belehrt) die Archidiakone in ihrer Autorität relativ bald begrenzt. 1532 verzichtete das Domkapitel bereits auf diese Forderung und im Trienter Konzil (1545 bis 1563) wurde die kirchliche Macht noch mehr zentralisiert und die Archidiakonate wurden abgeschafft.
In der Diözese Passau verschwanden die Archidiakonate 1633 anlässlich der damaligen Neuorganisation der Diözese.
c) Die Dekanatsgliederung.
Namentlich sind bereits um 1100 „Dechanten“ (Aufsichtsbeamten über eine Zehnergruppe von Pfarreien bzw. Pfarren bekannt, sodass die Dekanatsgliederung der Archidiakonatsgliederung zeitlich vorhergeht.
„Man ist geneigt anzunehmen, dass die Dekanatsgliederung im unmittelbaren Anschluss an die pfarrliche Durchorganisierung des Bistums, die, wie wir an anderer Stelle gezeigt haben, (siehe dazu ders., Beiträge zur Geschichte des Bistums Linz, 1978, S 49 – 57) erst im 11. Jhd. so richtig einsetze, erfolgte. Erst später scheint über die Pfarren und Dekanate das Netz der Archidiakonate geworfen worden zu sein, das für einen gewissen Zeitraum sogar die Bedeutung der Dekanate als Zwischenglieder zwischen Diözese und Pfarre zurücktreten ließ.
Nach dem KV des ältesten Datums (2. Hälfte des 13. Jhd.) bestand jedes Archidiakonat – mit Ausnahme des A. Lambach – aus zwei Dekanaten.
Die „parrochia“ Altheim gehörte zum Archidiakonat Mattsee, welches ihrerseits in (nur!) zwei Dekanaten eingeteilt war: Aspach und Haiming (bei Burghausen, jetzt aufgelassen).
Es wurden zwar weiterhin Dechanten bestellt, aber die größere Rolle spielten die Archidiakone, und der Begriff „Dekanat“ war teilweise sogar deckungsgleich mit einem ganzen Archidiakonat.
Bemerkung am Rande: R. Zinnhobler zitiert in einem Schreiben von 1379 den Passauer Dompropstes und Mattsee Archidiakons Johannes von Schärffenberg, der mehreren Pfarren unserer Gegend eine Pfennigsteuer für das Stift Reichersberg vorschrieb: einzuheben von dem „ehrenwerten Herrn und Leutpriester und unserem Dechant in Altheim“ („discreto viro domino Johanni plebano de decano nostro in Altheim).
Die Seelsorgstellen waren dabei weit von Mattsee entfernt, wurden aber trotzdem als „unser Dekanat“ bezeichnet.
Die Sitze des (kleineren) Dechanten konnten dabei wechseln, sodass hinter jeder neu gefundenen Bezeichnung eines Dechants nicht selbst eine organisatorische Änderung der Pfarren-Struktur vermutet werden darf.
Die Bedeutung eines Ortes hing somit nicht von einem zufällig dort sitzenden „decanus“ ab. Die Dekanatseinteilung mit zwei Dekanaten pro Archidiakonat (Ausnahme Lambach) lässt sich noch bis ins Jahre 1540 nachweisen. Im Land ob der Enns erfolgte erst im 17. Jhd. eine Neuorganisierung, genauer um das Jahr 1633. Die in Linz damals um 1633 getroffenen organisatorischen Maßnahmen lassen sich aus der EM rekonstruieren. Die „Archidiakonate“ werden zwar in der Aufschrift der Matrikel noch mitgeschleppt, kommen aber in ihrem Textteil nicht mehr vor. Sie haben endgültig zu bestehen aufgehört und einer größeren Anzahl von Dekanaten Platz gemacht.
11) Für unsere Gegend im damaligen Bayern kann nicht genau gesagt werden, wann die Archidiakonate in einzelne Dekanate aufgeteilt wurden. Man wird eine durch die Gegenreformation eingeleitete Neuordnung annehmen dürfen. Als durchführende Persönlichkeit bietet sich Bischof Urban von Trenbach (1561 – 1598) an, der energische Kämpfer für die katholische Erneuerung.
Mit der Matrikel von 1643 (VI/1) wird die Neueinteilung genau feststellbar. Im einzelnen waren dann folgende 11 Dekanate vorhanden: Schärding, Eberschwang, Mauerkirchen, Aigen am Inn, Pischelsdorf, Neukirchen v. W.; Regen, Pitzling, Landau a. d. Isar, Pfarrkirche in Ndb., Waldkirchen in Ndb.
Wie schon gesagt: Für die Posten der Dechanten wurde nicht immer der Pfarrer vom Ort des Dekanatsnamens genommen. Umgekehrt war es ebenfalls allgemein üblich, das Dekanat nach dem jeweiligen Sitz des Dechants zu benennen, was aber nicht einen ständigen Wechsel des Dekanates meinte – was aber wiederum in den einzelnen Matrikel Handschriften des 17. Jhds. behauptet wird. Juristisch bedeutete der Sitz des Dechants nicht einen Wechsel oder eine Vermehrung der elf Dekanate.
Die eben geschilderte Dekanatsgliederung (von 11 Dekanate) hat sich hinsichtlich der Zahl der Dekanate bis in die josefinische Zeit nicht mehr geändert. Nach der Trennung des Innviertels von Bayern wurden die westlich von Inn und Salzach gelegenen Gebiete um Haiming, Kirchdorf a. Inn und Kirchberg a. Inn dem Dekanat Triftern zugewiesen; in OÖ war man ab 1782 aufgrund eines Antrags der OÖ Landeshauptmannschaft um Vermehrung des Dekanate und Schaffung von Kreisdekanaten bemüht. Diese Bestrebungen wurden nach Gründung der Diözese Linz in die Tat umgesetzt. (vgl. R. Zinnhobler, a. a. O., Bd. 1, S 68)
R. Zinnhobler beschreibt dann die Grenzen und den Umfang der einzelnen Archidiakonate (ebd. S 68ff), wobei die Ranshofener Pfarren, oder besser, Ranshofener Pfarrverband, ein vom Archidiakonat ausgenommenes Gebiet war (exemt), wenn auch nicht gänzlich unabhängig vom Bischof – wozu eben 1195 auch eine „Kapelle“ in „Nosbach“/Geinberg gehörte, in welchem Zusammenhang unsere Pfarre Altheim urkundlich zum ersten Mal erwähnt wird!
Es lässt sich daraus entnehmen, dass vor allem die baierischen Archidiakonate (praktisch das ganze Land ob der Enns) schon im 16. Jhd, gut durchorganisiert waren – und nochmals engmaschiger war das Dekanatsnetz im baierischen Anteil der jetzigen Diözese Linz. (R. Zinnhobler, ebd., S 71)
Siehe Übersichtskarte zu den Archidiakonaten.
Die genauen, mittelalterlichen Dekanatsgrenzen selbst lassen sich aufgrund der spärlichen Quellenlage aber nicht genau feststellen.
R. Zinnhobler geht dann auf das Niederkirchenwesen (wie oben F.-R. Erkens für das 11. - 13. Jhd.) mit der allgemeinen Vorbemerkung ein, dass manche Quelle einen nicht eindeutigen Rechtstatus erlauben. Es ist eine Art Schematisierung mit Vorbehalten. Ich greife einige Begriffe heraus – und weise zugleich über das Mittelalter hinaus. Dies ist zwar nicht mein Thema, aber die Wirkungsgeschichte und die Rezeptionsgeschichte mancher Begriffe legen das nahe:
12) Zur Kollation (Amtsverleihung) der Pfarren heißt es bei R. Zinnhobler, S 74ff.:
Die Pfarreien waren entweder freier bischöflicher Verleihung oder hinsichtlich der Besetzung von einem Patron – dies konnte ein weltlicher Herr oder ein Kloster/ein Stift sein - abhängig.
R. Zinnhobler spricht auch von „Vikaren“ als Bevollmächtigte der Einsetzung, wobei mir im weiteren Verlauf der Lektüre aber nicht klar wurde, wer genau damit gemeint war. Ich beziehe es nur auf die zu Klöstern/Stiften gehörigen Pfarren, die einem „Vikar“ unterstanden.
Daneben hat der Begriff „Vikar“ oder „Vikariat“ eine andere Bedeutung im Sinne eines nicht mit vollen Rechten eines Pfarrers oder einer Pfarre ausgestattete „Pfarre“. So ist für Mining und St. Peter in den Matrikeln der Ausdruck „Vikariat“ zu finden.
Das Patronat war eine Folge des Investiturstreits, durch den das Eigenkirchenwesen, besonders wegen der unkanonischen Form der Anstellung der Geistlichen, neu geregelt wurde.
Eine allzu radikale Vorgangsweise hätte der Kirche mehr geschadet als genützt. Schließlich fand die Gesetzgebung des Papstes Alexanders III (1159 – 1181) einen klugen Kompromiss. Dem Grundherrn, dem „Patron“, wie er nun genannt wurde, wurde vor allem das Präsentationsrecht auf den anzustellenden Geistlichen zugestanden, die Pfründe jedoch seiner Nutzung entzogen und die eigentliche Amtsverleihung (Investitur) dem Bischof vorbehalten.5
Der deutsche Ausdruck „geistliche Lehenschaft“ weist noch auf die Herkunft des Patronats aus dem Eigenkirchenwesen zurück. Je nachdem, ob ein geistliches Institut, ein Privatmann oder die öffentliche Hand als Inhaber der Patronatsrechte auftrat, konnte ein privates, ein geistliches oder ein öffentliches Patronat bestehen.
Beim öffentlichen Patronat handelt es sich um eine nachtridentinische Form – siehe Zinnhobler, Anm. 127, ebd.
Neben dem Patronat, dessen hauptsächliches Vorrecht die Präsentation war, bestand manchmal noch ein bloßes „ius nominandi“, ein Vorschlagsrecht auf den Geistlichen.
Erwähnung verdient schließlich noch die Vogtei, die oft synonym zum Patronat geworden ist.
Die Inkorporation von Pfarren zu Stiften oder Klöster bedeutete eine geistliches Patronat. Welchen Nutzgenuss und Pfründengenuss damit verbunden war, betrifft uns hier in Altheim nicht da wir nie zu einem Stift oder Kloster gehörten. Die Seelsorge einer inkorporierten Pfarre wird durch einen Vikar (parochus actualis) ausgeübt. Diese ist entweder vicarius perpetuus, wenn er die cura durch den Bischof aufgrund einer Präsentation auf Dauer übertragen erhält, oder er ist vicarius temporalis, wenn er vom Inhaber der inkorporierten Pfarre (dem Kloster/dem Stift) nach Belieben ein- und absetzbar ist.
Eine besondere Sache gibt es noch für die den rechtliche Status der sogenannten „Wechselpfarren“. (R. Zinnhobler, ebd. S 77: Mit dem Wiener Konkordat von 1448, das die Zustimmung der Reichsfürsten fand, reservierte sich der Papst die Besetzung aller in ungeraden (=päpstlichen) Monaten erledigten (d. h. durch Tod des Pfarrers oder wie immer) bischöflichen Pfründe im Deutschen Reich.
Seit dem 16. Jhd. verzichteten nun die Päpste vielfach zugunsten der baierischen Landesfürsten auf ihre Ansprüche. Das war ein Privileg und begründete kirchenrechtlich gesehen kein eigentliches Patronatsrecht der Herzöge, doch hatten sie nun entsprechenden Anteil bei den Pfarrbesetzungen (Präsentationen). Praktisch sind diese „Wechselpfarren“, soweit ich die nähere Umgebung untersucht habe, überall zu finden! Siehe im schematischen Überblick zu EM, VI/1 mit dem Wortlaut „Alternativa inter Dominum Territorialem et Dominum Ordinarium“. Wechselpfarre war z. B. Moosbach, Rossbach, Aspach, Mauerkirchen, Altheim.
1690 wurde das kurfürstliche „jus mensis Pontifici“ umgewandelt in eine „alternative vicium“, d. h. dass nun dem Landesherrn bei jeder zweiten Besetzung die Präsentation des Seelsorgers zustand.
Wieweit der Bischof damit eingeschränkt war, kann ich hier nicht sagen. Die zentrale juristische und verwaltungsmäßige Zustimmung des Bischofs blieb wohl erhalten, wie diese Form bereits im 8./9. Jhd errungen war – siehe oben bei S. Haider.
Überaus entscheidend tangierten aber dann in Österreich die josefinischen Massnahmen und in Bayern die Säkularisation (1803) den Besetzungsmodus. (R. Zinnhobler, ebd., S 78ff)
Unter Josef II gelangten die meisten damals errichteten und alle ehemaligen bischöflichen Pfarren in den neuen Diözesen Linz und St. Pölten, soweit der Bischof keinen privaten Rechtstitel nachweisen konnte, unter öffentliches Patronat, desgleichen zahlreiche Pfarreien der aufgehobenen Stifte. Dadurch verschwand in Österreich, wozu nun auch das Innviertel gehörte, das freie bischöfliche Verleihungsrecht fast vollständig! So Zinnhobler! Wie das gehandhabt wurde, entgeht (noch meiner Kenntnis.
In OÖ erfuhren die Rechte der bischöflichen! Verleihung bei bestehenden geistlichen Patronatsrechten (von Stiften oder von Pfarrern ausgeübt) erst wieder eine Zunahme durch die Bemühungen des Bischofs Johannes Maria Gföllner (1915 – 1941). Mit Berufung auf CIC c 1451 gelang es ihm in vielen Fällen erfolgreich um den Verzicht auf deren Patronats- Präsentationsrechte hinzuwirken. Immerhin aber bemerkenswert, nach R. Zinnhobler, S 179, Anm. 5, verzichtet der Pfarrer von Altheim erst 1926 auf dieses Recht für Mühlheim; erst 1939 für Polling, d. h. im letzten Falle hat das geistliche Präsentationsrecht im Jahre 1939 zur Gänze aufgehört.
Gleichfalls wurden 1939 für Österreich in Zusammenhang mit der Einführung des Kirchenbeitrages alle Pfarren des öffentlichen Patronates in solche der freien Verleihung durch den Diözesanbischof umgewandelt. Das II Vaticanum sieht ebenfalls einen völligen Abbau der Patronate vor.
13) Jetzt wieder zurückkehrend ins 13./14. - 17. Jhd. Und konkret zu den Passauer Bistumsmatrikeln, worin Zinnhobler eine immense breite Basis aufstellt – in der Formulierung seiner Einleitung vielleicht etwas zweideutig bleibt: Die eigentliche Kollation im Mittelalter, d.h. die Amtsverleihung - mit der dann entsprechend an den Bischof zu bezahlenden Gebühr - , war nach kirchenrechtlicher Konzeption Sache des Diözesanbischofs. Je nachdem, ob dieser eine Pfründe frei vergeben konnte oder ob er gehalten war, sich an einem vorausgegangenen Vorschlag zu halten, konnte es heißen: „collatio liber“ oder „collation non liber seu necessaria“.
Die dreispaltigen Passauer Bistums-Matrikeln (siehe dann Beilage) fassen den Begriff der Kollation offenbar viel allgemeiner, erwähnen sie doch als Kollator entweder den Bischof, den Inkorporationsinhaber, den Patronatsherrn, aber auch den bloßen Präsentanten, also jeweils denjenigen, der für die Wahl des zukünftigen Pründeninhabers den Ausschlag gab. (So in der Diktion nach Zinnhobler; ich könnte es umgekehrt sehen, dass die höchste jurisdiktionelle und sakramentale Vollmacht doch der Bischof besaß.)
Die in der zweiten Spalte angegebenen Taxen (Gebühren) in den Matrikelnaufzeichnungen sind dabei in ihrem Wert nur im Vergleich mit anderen Pfarren in ihrer Bedeutung einzuschätzen.
Altheim lag in der Taxationsgebühr nicht im oberen Bereich, aber generell mit anderen Archidiakonaten im Land ob der Enns waren die Innviertler Pfarren höher taxiert. Höher als Altheim mit seinen zwei! Nebenpfarren Polling und Mühlheim lag z. B. Aspach, Eberschwang, Mauerkirchen.
Es gab dann noch „Vikariate“, die dem Kirchherrn als dem rechtlichen Inhaber der Pfründe jährlich das sogenannante Absentgelt zahlen mussten. Die Absentgeldverpflichtungen wurden in den Passauer Matrikeln nicht aufgenommen, aber sie können gelegentlich als Unterscheidungsmerkmal zwischen Vollpfarren und bloßen Vikariaten dienen.
14) R. Zinnhobler schematisiert dann nochmals untergeordnete Seelsorgstellen und Benefizien, die einen guten Überblick erlauben, was rechtliche und administrative (auch finanzielle?) Struktur erlauben, in Anlehnung an Erkens aber auch Rückschlüsse zulassen, dass das seelsorgliche Motiv in der Förderung dieser Kirchen nicht zu gering anzusetzen ist, sei es von Seiten der Laien wie von Seiten der Priester!
a) Einfache Filialen oder Nebenkirchen
b) Eigentliche Filiale oder Zukirche
c) Vikariat ohne Investitur oder Expositur mit ortsansässigem Priester, der dem Pfarrer der Mutterkirche nach Art eines Kooperators unterstellt bleibt. Manche Pfarrrechte (Taufe, Trauung, Begräbnis) können dem Pfarrer der Mutterkirche reserviert sein.
d) Vikariat mit Investitur und vollen pfarrlichen Rechten. Die unmittelbare Vorstufe der Pfarrei.
Eine eigene Kategorie stellen die Schlosskapellen dar.
Die Schloßkapellen wurden teils von den Pfarreien aus pastorisiert, teils wurden sie von gestifteten Kaplänen betreut, teils waren sie pfarrlich, ganz oder teilweise, exemt, sodass man sie als „Pfarren“, die in erster Linie für die Herrschaft und deren Untertanen zuständig waren, ansprechen darf.
Das Benefizium ist nach der Definition des CICI c. 1409 ein „ens juridicum“ (= moralische Person), das von der zuständigen kirchlichen Autorität auf Dauer errichtet worden ist und aus einem Kirchenamt und dem Recht auf den Nutzgenuss der zugehörigen Pfründe besteht. (…)
Unsere Matrikeln verstehen unter Benefizien in der Regel „capellae et altaria“ , d. h. Messstiftungen mit einem zur Persolvierung derselben bestellten Benefiziaten. Eine Vollständigkeit der Aufzählung der Benefizien ist in den Matrikeln nicht gewährleistet.
15) R. Zinnhobler bringt dann einen Vergleich der einzelnen Archdiakonate in ihrer geschichtlichen Entwicklung im 14. und 15. Jhd. Er kommt zum Schluss, dass das Pfarrnetz sich kaum veränderte, eher eine Dynamik im Sinne eines Ausbaus organisatorischer Strukturen bei den untergeordneten Seelsorgestellen zu finden sei. Er vergleicht dabei die Entwicklung der Matrikeln von LM zu KM.
Das Pfarrnetz im 17. Jhd., d.h. nach den Wirren der Reformation, wurde im EM von 1633/34/66 wieder neu zu erfassen versucht. Da in dieser Handschrift genügend Raum bestand, kommen auch die mit den Pfarreien genannten abhängigen Seelsorgestellen (Filialen, Vikariate) vor, zumal dadurch eine Tendenz der kirchlich-organisatorischen Entwicklung greifbar wird.
Die Reihung der Pfarrorte folgt dabei der Matrikelhandschrift. (Siehe R. Z., S 106)
Zu diesem nachreformatorischen Zeitabschnitt schreibt Zinnhobler z. B. dass wir zum Dekanat Mauerkirchen gehörten, dass Mining und St. Peter zwar gesondert berücksichtigt sind, aber doch nur als Vikariate bezeichnet werden.
Im Ganzen gesehen - für alle Archidiakonate zusammengenommen - gibt es nur einen echten Zuwachs von drei Pfarreien. Also vom beginnenden 16. Jhd. bis zur Mitte des 17. Jhd erfuhr das überkommene Pfarrnetz keine tiefgreifenden Veränderungen.
Außerdem, so Zinnhobler, wollte man in der Zeit des seelsorgerischen Neuaufbaus, die den Einsatz aller Kräfte verlangte, unliebsamen Zwistigkeiten, die größere Umstrukturierungen nach sich gezogen hätten, möglichst aus dem Wege gehen.
Die Zahl der Pfarren von 42 im Archidiakonat Mattsee blieb also ziemlich konstant. Erst mit Josef II kamen 40 Neugründungen in unserer Gegend hinzu, was aber ebenfalls nicht ganz erstaunlich zu nennen ist, denn viele Seelsorgsstellen mit eigenen Seelsorger oder wenigstens regelmäßigen Gottesdiensten entsprachen bereits de facto einer eigenen Pfarre.
Dazu kommt, dass frühere Doppelpfarren nach Josef II als zwei Pfarren geführt wurden, was wieder die Zahl erhöhte.
Um 1500 bestanden somit schon die meisten Seelsorgestellen, die Kaiser Josef drei Jahrhunderte später vorfand. Die Hebung dieser Orte in ihrem Rang und die zweckmäßige Arrondierung der Gebiete freilich blieb dem Josefinismus vorbehalten.
1„Die Pfarrentwicklung setzte zwar schon im 4. Jahrhundert im römischen Reich ein und konnte in den westlichen Teilen des karolingischen Großreiches schon früh ausgeprägte Formen annehmen; aber der Donauraum unterlag diesem Prozess kaum in demselben Maße. Ein weitgehend geschlossene Pfarrorganisation ist hier für das 9. und 10. Jahrhundert nicht anzunehmen. Sicherlich hat es in diesen Jahrhunderten auch hier Seelsorgestationen auf dem Lande gegeben, die „ecclesiae parrochiales“ (….)(aber wie sehr sie) der diözesanen Ordnung eingefügt waren, das lässt sich im einzelnen nur schwer erweisen.“ (F.-R. Erkens, ebd., S 54.55) Generell für die baierischen Bistümer (Salzburg, Freising, Passau) setzte die Pfarrorganisation erst mit dem ausgehenden 10. Jhd. ein.
2Wie im Rahmen der Diözesen das Eigenkirchenwesen funktionierte, beschreibt S. Haider einmal so: Weil alle Kirchen der bischöflichen Aufsicht und alle Geistlichen, auch die an nichtbischöflichen Eigenkirchen installierten, mit Ausnahme der königlichen Kapelläne, der obersten Leitungs- und Diözesangewalt des Bischofs unterstanden, konnte von einer einheitlichen, übergeordneten Struktur gesprochen werden. Die Priester waren zu gewissen Zeiten rechenschaftspflichtig, der Bischof musste jedes Jahr seine Diözese visitieren und die Firmung spenden, Diözesansynoden wurden abgehalten etc. Siehe S. Haider, Zum Niederkirchenwesen in der Frühzeit des Bistums Passau. (8. - 11. Jahrhundert), In: Das Christentum im bairischen Raum von den Anfängen bis ins 11. Jahrhundert, hrsg. v. Egon Boshof und Hartmut Wolff, Köln 1994, 325 – 390. ebd. S. 368.
3F. -R. Erkens führt es in diesem Zusammenhang auch so aus: Aus der Sicht der Pfarrer und seiner „Gesellen“ (Zitat nach „Janns“ von Altheim) könnte der Sachverhalt auch so interpretiert we