Pfarrchronik Altheim 1914-1918
Es gibt ja heuer anlässlich des Ausbruchs des 1. Weltkriegs viele Gedenkveranstaltungen und geschichtliche Sendungen. Wie hat eine „Landpfarrer“ des Jahres 1914 in Altheim das in seiner Chronik festgehalten und interpretiert? JOHANN B. SCHERNDL war von 1912 – 1928 hier Pfarrer und schrieb höchstwahrscheinlich die Chronik persönlich. (Man findet dazu nicht direkt ein Autorenangabe; ich nehme an, das war Privileg des Pfarrers und nicht eines Kaplans, die Chronik schreiben zu dürfen.)
Zum Jahr 1914 beginnt er zuerst mit einer „begrüßenswerten Verschönerung“, der Anschaffung zweier neuer Kirchenfenster aus der Glasmalerei Linz, gestiftet von Theresia Wötzelsberger und Martin und Aloisia Auer, Pirath. Dann erwähnt er, „Am 21. Juni 1914 fand das 50 jährige Gründungsfest des Militär-Veteranen-Vereines Erzherzog Rainer zu Altheim statt. Nach einem feierlichen Festgottesdienste, an dem viele fremde Vereine und Gäste aus der ganzen Umgebung teilgenommen hatten, hielt Hw. H. b. g. Rat und Pfarrer Joh. Scherndl, der selbst aktiv diente (*1850 in Gampern, 1876 Priesterweihe) und beim k. u. k. Infanterie Regiment Nr. 14 das einjährige Jahr machen musste, die Festrede. Es war ein schöner herrlicher Tag und ein buntes, reges Treiben.“ (Der Sinn der vielen Militär-Vereine des Erzherzog Rainers war einerseits patriotisch, andererseits caritativ, da die Veteranen der früheren Feldzüge keine soziale Absicherung hatten - siehe z.B.http://www.rainerregiment.at/)
In der Chronik zum Jahr 1914 schreibt Scherndl dann in fetter Schrift und zweimal unterstrichen: „Kriegsausbruch“
„Nach der Mordtat von Sarajevo am 28. Juni tauchte immer mehr und mehr das Besorgnis auf, es könnte zum Kriege kommen. Und der Krieg kam mit all seinen Schrekcen über unser schönes Vaterland. „Initium dolorum (Anfang der Schmerzen) könnte nun der Chronist schreiben. - Sei Du, Allmächtiger Gott, unsere Stärke unser Trost, unsere Hilfe, unser Sieg.
Vaterlands- und Kaiserliebe entflammen zur Begeisterung. „Wir Österreicher werden mit den Serben bald fertig sein“, meinten nun alle. Weinende Mütter und Frauen und Kinder werden getröstet mit den Worten: „Wir kommen bald wieder.“
Immer mehr Pfarrkinder verlassen ihre Eltern, ihre Familie und ziehen, begleitet von unseren heißen Gebete, gegen den Feind. Pferde und Wagen werden ebenfalls zum Klriegsdienst benötigt und müssen fortgebracht werden. Kein Tag vergeht ohne neue Aufregung, ohne neuen Schmerz und Tränen. Mit Sehnsucht erwartet man die Post, Lebenszeichen von den Soldaten, Neues vom Kreigsschauplatz, von der politischen Lage.
Über Anordnung des bischöflchen Ordinariates werden nun in der Kirche jeden Tag nach der hl. Messe Gebete „um glückliche Vollendung des Krieges“ verrichtet.
Schon hat der Tod einen aus unserer Mitte geholt. Rudolf Bruckbauer, Hausbesitzer in Wagharm, das erste Kriegsopfer unserer Pfarre. Er fiel in September (1914) auf dem serbischen Kriegsschauplatze.
Mit Ausnahme der „Armensammlung“ wird nun in der Kriche von allen anderen Sammlungen abgesehen und vielmehr darauf gesehen, dass Mittel zu Linderung der entstehenden Not, zur Unterstützung der Witwen und Waisen, der an der Front stehenden oder verwundetenn Soldaten, aufgebracht werden.
Zur guten Einbringung der Ernte ist, da Mangel an Arbeitskräften entstehen musste, die Feiertagsarbeit erlaubt.
(Es folgt dann eine Passage über den Tod des Papstes Pius X und die Wahl Benedikt XV am 3. 9. 1914)
(Dann in Absätzen eher stenogrammartig untereinander) (Am) Sonntag 4. Oktober, hielten wir, um glückliche Vollendung des Krieges, vor dem Allerheiligsten von Morgen bis Abend Anbetung.
Kriegsanleihe. Krieg kostet Geld. Wenn auch viele Spenden fließen und man Gold für Eisen gibt, auf den Altar des Vaterlandes opfert, reicht es nicht hin. Wer Geld leihen kann, tut es für das Vaterland. Auch unsere Pfarre beteilgt sich rege.
(Das Jahr 1915): Die Hoffnung auf eine baldige Wiederkehr, auf eine Heimkehr nach rasch erkämpften Siege, mit der die ausziehenden Soldaten sich und ihre Angehörigen getröstet haben, hat sich leider nicht erfüllt. Noch wütet der schreckliche Krieg und fordert täglich seinen Tribut.
In rauer Winterkälte haben unsere braven Verteidiger der Heimat ausgehalten. Ohne Dach, ohne schützenden Wand, ohne Bett, ohne hinreichende Nahrung, in tiefemSchnee, Frost und Gefahr – das war ihr Los. Wer kann hier ihre Leiden, ihre Entbehrungen fühlen, wer ermessen, wie schwer ihnen die Erfüllung der Pflicht sein mag?
Viele Tränen sind seit August vorigen Jahres geflossen. Wie oft schon kam eine Trauerbotschaft, wie oft schon die Stunde für den Seelsorger, schmerzerfüllte Herzen zu trösten.
Da noch keine Aussicht auf eine Ende des Krieges besteht, möge am Schlusse eine Zusammenstellung der Kriegsopfer von unserern Heldensöhnen Nachricht geben. (Dies fehlt in der Chronik, ist aber im Totenbuch verzeichnet. Siehe dann einen angekündigten Vortrag von Hr. Ing. Rudolf Mitterbauer im Herbst). Möge das Ende nicht mehr ferne sein! Da pacem, Domine, in diebus nostris, quia non es alius, qui pugnet pro nobis, nisi tu, deus noster!“
Fortsetzung der Pfarrchronik 1915 – 1917 2. Teil
Von Pfarrer und Ehrenbürger JOHANN B. SCHERNDL, Pfarrer in Altheim von 1912 – 1928.
Nach dem Bericht zum Kriegsausbruch 1914 und der Fortsetzung der Krieges im Jahr 1915 mit bereits schmerzlichen Opfern schreibt er in einer typischen Ausdrucksweise der Zeit, schildert die traurigen Ereignisse mit anteilnehmender Emotion, und gibt so den Menschen der Zeit eine Stimme.
Ich möchte auch ein großes Lob aussprechen dem Radiosender Ö1, der in den Sendungen „Betrifft: 1914“ durch viele briefliche Zeugnisse, das Denken und Fühlen der Menschen dieser Zeit zu Gehör brachte, ganz ähnlich wie Pf. Johann Scherndl in seiner Chronik.
„Am 7. 2. 1915 war über Anordnung des Heiligen Vaters wie in allen Kirchen auch bei uns vor dem Allerheiligsten Anbetung, um von Gott den Frieden zu erlangen.
Groß hervorgehoben: + Bischof Rudolf
Von Linz kommt die Trauernachricht, dass unser Oberhirte, der Hochwürdigste Herr Bischof Dr. Rudolph Hittmaier am 5. März um ½ 10 Uhr vormittags nach kurzem Leiden und Empfang der heiligen Sterbesakramente gestorben ist.
Bischof Rudolph hatte sich im Gefangenenlager (Serben) zu Mauthausen den Todeskeim geholt. Ein Apostel der Liebe – ein Opfer des Krieges.
Die Leiche wurde in der Gruft des Mariä-Empfängnis-Domes beigesetzt.
Der Krieg geht seinen Gang. Freiwillige Schützen – junge Burschen, die sich zum Militärdienste melden, werden, gesucht. Auch von hier ziehen einige fort.
Anordnungen kommen, mit Brot und Mehl zu sparen.
Die Landwirte werden mit Beginn des Frühlings aufgefordert, jedes Fleckchen Erde auszunützen.
Zur Ergänzung der Heeresausrüstung wird eine Kupfersammlung, Zink- und Messingsammlung eingeleitet. Alles alte Zeug wird hervorgesucht.
Es kommt die II. Kriegsanleihe.
Es kommt der Treubruch Italiens: Italien erklärt am 23. Mai den Krieg.
(wieder hervorgehoben: ) Bischof Johannes Maria
Theologieprofessor Dr. th. et ph. Johannes Ev. Gföllner wurde am 16. Juli d. J. von Se. Majestät zum Bischof von Linz ernannt. Am 18. Okt. fand die feierliche Bischofsweihe statt.
1916
Krieg und kein Ende.
Not und Elend steigen, Kummer und Sorge vergrößern sich, die Opfer werden immer mehr.
Alt und Jung wird zu den Fahnen gerufen – in diesem Jahre sogar die 18jährigen schon. Bald steht alles von 18-50 Jahren unter Waffen.
Neben Kummer und Sorge trifft die Daheimgebliebenen doppelte Arbeit. Man sieht Frauen und Kinder hinter der Egge, den Pflug, bei den schwersten Arbeiten.
In diesem Jahre haben wir eine ganz neue Einführung: die „Sommerzeit“. Die Kirchenuhr muss um eine Stunde vorgerückt werden. Die „Sommerzeit“ endet mit 28. September.
(wieder hervorgehoben) + Kaiser Franz Josef
Der gute alte Kaiser ist gestorben!
Am 21. Nov. um 9 Uhr 5 Min. hat in Gott abberufen in einem Alter von 86 Jahren und einer Regierungszeit von nahezu 68 Jahren.
Der Vater der Untertanen ruhe in Frieden!
Kaiser Karl übernimmt in denkbar schwerster Zeit die Regierung.
Oremus pro imperatore nostro!
Am 6. Juni um ¾ 3 Uhr nachmittags brannten beim Finstermair in Lehen (Feichtinger) Stall und Stadel ab. Ursache unbekannt.
1917
Ein schweres Jahr für's Vaterland, ein schweres für unsere Pfarre. Es brachte viel, viel Leid.
Wieder treten blutjunge Burschen den Dienst fürs Vaterland an. Es ist der Jahrgang 1899, der am 10. März einberufen wird.
Die Lebensmittel werden immer knapper, die Lieferungen immer strenger.
Nun müssen wir auch Abschied nehmen von unseren Kirchenglocken.
Am 26. März musste im Pfarrhofe ein Protokoll verfaßt werden über die Abnahme der großen Glocke (Schilcherglocke) mit einem Durchmesser von 150 cm u. einem Gewichte von 2000 kg und der Elferglocke (102 cm, 586kg).
Am Morgen war noch ein Trauergottesdienst für die aus der Pfarre gefallenen Krieger und dann verstummten die lieben Stimmen. Es war ein großer Trauertag. Wehmut ergriff alles. Mit Tränen in den Augen nahmen wir Abschied.
Am 4.Dezember mussten wir an ein weiteres Opfer glauben. Auch die Zuwölferglocke (1, 3 m, 1270 kg) musste fort.
Ein Glöcklein, das kleinste, bleibt – die anderen sind fort – auch in den Krieg -
In diesem Jahre wurde eine neue Kirchenfahne (rot) angekauft aus dem Vermächtnisse der hier + Maria Windsperger.
Im Sommer trat Herr Josef Jäger den Dienst als Kooperator dieser Pfarre an.
Am 16. April brannte beim Darringer in Dippolding (Fr. Wöckl) eine Stallung und der Stadel ab. Das Feuer war durch Unvorsichtigkeit eines Knaben, der mit Zündwaren spielte, entstanden.
Durch freiwillige Spenden kann der rechte Seitenaltar restauriert und in einen Herz-Jesualtar umgewandelt werden. Die feierliche Weihe fand am HerzJesufest im Juni statt. Hw. Herr Pfarrer Schopper von Mühlheim hielt die Predigt.
Fortsetzung der Pfarrchronik v. Pfarrer u. Ehrenbürger JOHANN B. SCHERNDL - 3. und letzter Teil
„1918
Not und Elend sind in unserem Vaterlande auf das Höchste gestiegen. Es fehlt überall. Inniger als je steigen unsere Bitten empor zu Gott dem Allmächtigen: Da pacem, Domine!
So viele Tote, Verwundete, Krüppel, so viele Witwen, Waisen, so viele Eltern, die ihrer Stütze beraubt sind, aber auch Hunger, Armut. Alles wird aufgeboten, alles ruft aber nach dem Frieden, nach Beendigung dieser schrecklichen, traurigen Zeit.
Es arbeiten bereits Verhetzung und Verrat. Wie lange noch?
Als kirchliche Feier ist zu verzeichnen das Gründungsfest der Marianischen Jungfrauenkongregation am 8. Septemer 1918. Das Fest Mariä Geburt war auch das Geburtsfest der Vereinigung von Marienkinder. Die Kongregaton ist errichtet unter dem Titel: „Maria, Königin des Friedens, bitte für uns.“ Zweite Patronin ist die Hl. Agnes.
Aus der Umgebung sind viele Kongregationen, meist mit Präses und Fahne zum Fest herbeigeeilt. Es war eine kurze, erhebende Feier.
Umsturz
Das Kriegsende ist da, aber es ist ein Ende, wie wir es nicht erwartet hätten. Verrat hat alles untergraben. Die Front stürzt zusammen. Zwiespalt unter den Ländern, Hinterlistigkeit auf Seite der Feinde bringen uns die Tage des Umsturzes. Die Soldaten kehren heim, nicht als Sieger, sondern als Besiegte. Es ist keine feierliche Heimkehr, kein geordneter Rückzug, kein Dank des Vaterlandes. Jeder trachtet auf eigene Faust der Heimat zu. Alles geht drunter und drüber. So viele geraten auf der Flucht noch in Feindeshand.
Mit 11. November geht unser Kaiserreich in Stücke und am 12. verlässt der letzte Kaiser die Residenzstadt. Revolution im Lande. -
Dem traurigen Kriege folgt der traurige Abschluss und eine traurige Nachkriegszeit. Mit Bangen sieht der Seelsorger der Jahreswende entgegen. Was wird 1919 bringen. Das Vaterland ist arm, erschöpft, zerstückelt. Die Leute sind anders heimgekehrt, als sie fortzogen. Revolution ist auch in den Herzen mancher Pfarrkinder. Sie hatten Ideen mitgebracht, die nicht im Geiste Christi sind. Entbehrungen, Strapazen, Leiden aller Art, Ungerechtigkeiten haben in vielen einen Boden gelegt, aus dem böse Saat sprießt.
Wirre Gerüchte gehen durch das Land. Eine große Unsicherheit setzt ein. Eine große Vergnügungssucht macht sich außerdem bemerkbar.
Das Jahr 1919 wird uns eine neue Zeit bringen: den Aufbau der zusammengestürzten Wirtschaft, neue politische Verhältnisse, vor allem aber Aufbau in religiöser Beziehung.“
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Es folgen dann frei gelassene Seiten, vorgesehen für „Gefallene Krieger der Pfarre Altheim“. Es findet sich im Pfarrarchiv allerdings nur eine Liste von 49 Kriegstoten. In historisch-kritischer Aufarbeitung und Vergleichung aller Quellen hat Hr. Ing. Rudolf Mitterbauer die Liste neu zusammengestellt und kam auf 147 Gefallene. Er hat für unsere Pfarre Altheim die Soldaten, die Gefallenen, die Heimkehrer, diverse Briefe, Bilder, u. a. Totenbilder aus dem reichen Fundus v. Hr. Kurt Falkenstetter, Zeitungsberichte u. a. m., zusammengestellt und dokumentiert. Es ist somit eine gute Erinnerung und Wertschätzung der Menschen von damals geworden. Siehe sein Buch.
Nächstes Jahr 2015 soll ja in Erinnerung an den 2. Weltkrieg die „Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ auf der Südseite der Kirche fertig gestellt werden. Es wäre zu wünschen, dass eine ähnliche literarische und geistige Aufarbeitung zum 2. Weltkrieg geschehe.
Hr. Pfarrer SCHERNDL schrieb als Kind seiner Zeit, bedauerte die Niederlage, sprach vom „Verrat“ (der Italiener 1915?), sah aber auch realistisch die ganze Not und das Elend.
Er sah das Elend dieser Zeit, machte sich Sorgen um die seelische Zerrüttung und Vereinsamung, die der Krieg angerichtet hatte. Sichtlich als kleinen Schimmer der Hoffnung hielt er fest, gleich zu Beginn des neuen Jahres 1919, dass sich „Zur Freude des Seelsorges (...) zum Anbetungstag auch manche Heimkehrer bei der Kommunionbank ein(fanden).“