Liebe als Vorsatz
Perikopen:
Perikopen: 1 Joh 2,18-21 Joh 1,1-8
Liebe Brüder und Schwestern im gemeinsamen Glauben!
Die letzten Stunden des Jahres 2021 liegen vor uns. Auch die Lesung aus dem Johannesbrief spricht von der letzten Stunde. Zeit ist oft Mangelware. Einerseits klagen viele Menschen, dass sie zu wenig Zeit haben. Andererseits hatten auch Menschen, mitverursacht durch Corona, mehr Zeit als sonst, und wussten nicht recht sie sinnvoll zu füllen. Trotzdem viele Menschen sind gestresst und hätten gerne mehr Zeit. Es gibt eine Geschichte mit dem Titel „Die fünfundzwanzigste Stunde.“ Sie erzählt Folgendes: Weil die Menschen keine Zeit mehr zum Beten fanden, hatten die Engel dem lieben Gott vorgeschlagen, ihnen eine 25. Tagesstunde zu schenken. Doch bei den Menschen, so die Geschichte, stieß diese Zweckbestimmung keineswegs auf einmütige Zustimmung. In Kirche und Gesellschaft hatten fast alle einen Grund, warum die dazu gewonnene Tagesstunde nicht dem Gebet gewidmet sein könne. Wenn da nicht einige Engel von Menschen berichtet hätten, die die geschenkte Zeit wie andere Stunden ihres Lebens dankbar aus den Händen Gottes annahmen – wie es hieß, für ihre Aufgaben, für den Dienst am Mitmenschen, für die Teilnahme an der Hl. Messe und – für das Gebet, für das sie jetzt noch leichter Zeit fanden als bisher. Und die Geschichte schloss damit, dass der himmlische Rat erkannte: „Das Gebet ist eine Frage der Liebe. Zeit allein bringt keine Beter hervor. Zeit haben, genau besehen, immer nur die Liebenden. Woraufhin beschlossen wurde, Gott zu bitten, die 25. Stunde wieder abzuschaffen und auch die Erinnerung daran aus den Köpfen der Menschen zu löschen. – Und so geschah es.“
Meine lieben Brüder und Schwestern!
Wir haben keine fünfundzwanzigste Stunde. Wir hatten sie im vergangenen Jahr nicht, und wir werden sie auch im kommenden Jahr nicht haben. Aber eine Möglichkeit haben wir immer, das Bemühen um mehr Liebe. Wir haben die Möglichkeit immer mehr Liebende zu werden. Aber wie? Diese Frage soll uns jetzt ein bisschen beschäftigen, wenn wir an der Schwelle des Jahrs stehen, das vielfach nicht leicht war.
Erstens: Für Liebe braucht es Glaube an den liebenden Gott, anstatt Selbstbespiegelung. Dazu auch eine Geschichte: Ein Rabbi wurde von seinem Schüler gefragt, was Glauben sei. Der Rabbi führte ihn zu Fenster und fragte: „Was siehst du?“ Der Schüler antwortete: „Menschen, Häuser, Bäume…“ Daraufhin führte der Rabbi den Schüler zu einem Spiegel und fragte: „Und was siehst du jetzt?“ „Jetzt sehe ich mich selber,“ antwortete der Schüler. „Siehst du,“ sagte der Rabbi „wenn du dein Leben lässt, wie es ist, dann schaust hindurch auf die ganze Welt bis zu ihrem Schöpfer. Ist dir aber das Glas nicht genug und legst etwas Silber auf dann siehst du nur noch dich selber.“ Ja, der glaubende Mensch, geht davon aus, dass die Welt nicht allein auf uns gestellt ist. Der liebende Gott ist unser gegenüber und wartet auf unsere Liebe. Wir stehen nicht vor einem Spiegel, sondern vor ihm. Der Blick auf ihn, der die Liebe ist, macht uns zu liebenden Menschen. Dieser Glaube ist das beste Gegenmittel in einer Welt, die immer egoistischer und gottloser wird.
Zweitens: Für Liebe braucht es Schlussmachen mit Hassen und Vergelten. In der Bergpredigt hat uns der Herr diese Lehre hinterlassen. Vergelten, hassen, ist das nicht selten auch unsere Art zu empfinden, zu denken und zu handeln? Oft bringen wir die Bereitschaft zum Vergeben und Verzeihen nicht auf. Wir legen es darauf an den Hass auf einen Menschen immer wieder zu erneuern und uns seine vermeintlichen Untaten in Erinnerung zu rufen. Wir sind auch oft nicht besser als „die Anderen“. Wir wollen im Grunde aus dem Segen Gottes ausschließen. Wieviel Hass wurde bzw. wird im Zusammenhang mit der Pandemie geschürt? In Gott ist kein Hass und keine Vergeltung. Wir müssen uns wieder mehr darauf besinnen das Gute in Gott zu sehen und dann von Gott her zu denken und zu handeln. Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, dass wir die Barmherzigkeit Gottes brauchen. Nur durch die Barmherzigkeit werden wir einmal im Gericht Gottes bestehe können. Wir haben eine Heilshoffnung, aber keiner von uns hat die Heilssicherheit. Vertrauen wir der Barmherzigkeit und versuchen wir selber barmherzig zu sein, ohne Hass und Vergeltung. So kommt Liebe in die Welt.
Drittens: Für Liebe braucht es Gelassenheit. Echte Liebe macht gelassen. Gelassenheit hat viele Gesichter: das Loslassen und das Hinter-Sich-Lassen, die Lässigkeit und das Sich-Einlassen. Es hat auch etwas mit dem Verlassen des Gewohnten und in diesem Sinne mit Abschied und Aufbruch zu neuen Orten, Ufern, neuen Herausforderungen und Zielen zu tun. Wir brauchen Gelassenheit, um Gelassenheit zu erlernen. Es gibt ein schönes Gebet um Gelassenheit. Es lautet: „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ Das scheint mir der Schlüssel schlechthin zu sein.
Liebe Brüder und Schwestern!
Das Jahr 2021 liegt hinter uns und das Jahr 2022 vor uns. Ein Jahr hat 8760 Stunden, keine mehr und keine weniger. Wir dürfen zurückschauen mit der Frage: „Bin ich in diesem Jahr ein Liebender geworden.“ Wir dürfen nach vorne schauen mit Vorsatz uns um diese Liebe zu bemühen.
Für Liebe braucht es Glaube an den liebenden Gott, anstatt Selbstbespiegelung. Für Liebe braucht es Schlussmachen mit Hassen und Vergelten. Für Liebe braucht es Gelassenheit. Bitten wir an der Schwelle des Jahres Maria, sie wird auch Mutter der schönen Liebe, dass wir immer mehr zu liebenden Menschen werden und wir so im Besten sinn das Zeitliche, unsere Zeit segnen, bis wir dann am Ende unserer Zeit, nach der Liebe gerichtet werden. Amen.