Mariä Empfängnis
Perikopen:
Gen 3,9-15.20 Lk 1,26-38
Liebe Brüder und Schwestern im gemeinsamen Glauben!
Das heutige Fest „Maria ohne Erbschuld empfangen,“ ist nicht leicht verständlich. Es ist mit vielen Missverständnissen behaftet. Es ist ein sensibles Fest. Und trotzdem, wir dürfen versuchen diesem Fest ein wenig näher zu kommen. Da müssen wir uns am Beginn eines sagen: Dieses Fest lässt sich wahrscheinlich weniger mit dem Verstand, sondern mehr mit dem Herzen begreifen. So lade ich uns ein heute mit unserem ganzen Glauben, mit unserem ganzen Herzen, dabei zu sein, um in drei Schritten hineinzugehen in dieses Fest, in dem wir das Wirken Gottes an Maria betrachten dürfen.
Erstens: Wir können das Fest nur begreifen, wenn wir die Geschichte Gottes mit uns Menschen als große Liebesgeschichte betrachten. Diese Geschichte beginnt am Anfang der Bibel, wo wir in Glaubenserzählungen lesen, nicht in naturwissenschaftlichen Texten, von der Erschaffung der Welt und des Menschen. „Lasst uns den Menschen machen, als unser Ebenbild und Gleichnis,“ sagt Gott. Und dann heißt es immer wieder „Gott sah alles, was er geschaffen hat, es war alles sehr gut.“ Wenn Gott die Welt ins Dasein ruft, geht es ihm daraus aus Chaos ein harmonisches Ganzes zu machen. Und wenn Gott den Menschen schafft, will er in eine liebende Beziehung mit ihm eingehen. Der Schöpfer will eine Liebesbeziehung zu seinen Geschöpfen. Die Liebe Gottes zu den Menschen und die dankbare Gegenliebe des Menschen, haben den Anfang, den Schöpfungsmorgen bestimmt. Gott wollte eine Schöpfung in Harmonie. Doch dann wird die Geschichte Gottes mit den Menschen in der Bibel weitererzählt. Auf einmal sind da die Worte des Versuchers: „Wenn ihr Gott nicht mehr gehorcht, dann seid ihr frei, dann werdet ihr selber sein wie Gott. Esst von der Frucht des Baumes und ihr erkennt gut und Böse.“ Die Versuchung des Menschen selbst Gott zu sein, durchzieht das Menschengeschlecht über alle Generationen und Zeiten, sie wir gleichsam weitervererbt. Aber das ist verweigerte Liebe und zerstörte Beziehung. Hier kommt die Harmonie des Anfangs zu Ende. Der Mensch muss bis heute in dieser Zerrissenheit leben, mit allen Folgen, wie Neid, Gier, Egoismus, Lieblosigkeit, Angst, Isolation, Trennung, Fähigkeit zum Beschuldigen, Möglichkeit zur Sünde. In dieser Situation leben wir, in einer Schöpfung mit Bruch, in einer Welt mit Knacks.
Zweitens: Aber die Geschichte Gottes geht weiter. Gott entzieht dem Menschen seine Liebe nicht. Er lässt die Sonne immer wieder aufgehen über der gefallenen Schöpfung und mit jedem Kind, das in die Welt kommt, lässt er die Schöpfung neu beginnen. Aber der Keim des Bösen ist und bleibt im Menschen. Doch dann setzt Gott einen neuen Anfang mit der Botschaft des heutigen Evangeliums, wo er zu Maria kommt und ihr sagen lässt: „Du bist voll der Gnade.“ „Du bist voll der Gnade,“ um diesen einen Satz geht es heute. Gott hat in Maria einen Neuanfang gesetzt. Er hat sie von Anfang an, im Augenblick ihrer Empfängnis durch ihre Eltern, einzigartig erwählt und begnadet. Maria war von Anfang an nicht in ihrem Inneren behaftet, mit diesem Bruch in der Schöpfung. Und das nicht im Hinblick auf sich selber, sie hätte es für sich persönlich nicht gebraucht, sondern im Blick auf das, was vierzehn bis sechzehn Jahre nach ihrer Empfängnis stattfinden sollte in genau diesem heutigen Evangelium: „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden.“ So sollte die Welt von Innen her neu werden. In die Welt ist nicht nur der Keim des Todes, sondern auch der Keim des ewigen Lebens. Wir sind Teil auch dieser Neuschöpfung, die uns reich macht. „Er der reich war, wurde aus Liebe arm, und durch seine Armut hat er uns reich gemacht,“ sagt der heilige Paulus.
Drittens: Wir sind, in einer erbsündigen Welt, nach wie vor Glieder in der Geschichte Gottes und dürfen im Glauben darüber nachdenken. Was heißt das: „Du bist voll der Gnade der Herr ist mit dir.“ Immer wieder haben die Christen über die Worte des Engels nachgedacht. Jeder gebetete „Engel des Herrn,“ (schade dass dieser aus dem allgemeinen Gebetsalltag nach und nach verschwindet), ist eine kleine Meditation dieser Worte. Und dann noch die Worte „du bist gesegnet unter den Frauen.“ Und dann die Worte, die Maria selber spricht: „Hochpreiset meine Seele den Herrn, und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter.“ Wenn Gott in der Bibel einem Menschen begegnet kommt es oft zum Erschrecken. Denken wir hier an Jesaja. Er ruft bei seiner Gottesbegegnung aus: „Weh mir ich habe Gott geschaut, ich bin ein Sünder, ich habe Gott geschaut, ich bin verloren.“ Ein Engel muss ihn dann aufrichten und ihm sagen: „Habe keine Angst, deine Schuld ist vergeben, du bist versöhnt mit Gott.“ Bei Maria ist es anders. Es ist zwar das Nachfragen da, aber es ist keine Angst, sondern Vertrauen und ganze Bereitschaft. Ihre Antwort „Siehe ich bin die Magd des Herrn, ich bin ganz da für Gott,“ ist genau die vertraute Beziehung des Anfangs. Das Magnifikat ist dann schon der Jubel des erlösten Menschen. Jesus sollte, und das ist der Inhalt des heutigen Festes, auch nicht in seiner menschlichen Natur, als irdischer Mensch, belastet sein vom dunklen Erbe der Menschheit, vom Bruch in der Schöpfung. Der Erlöser sollte selbst nicht in der Kette der Schuldigen stehen. So hat Gott schon in Maria einen neuen Anfang gesetzt, indem er sie bewahrt hat vor jeder Sünde. Das haben die Christen immer wieder geahnt, bis es in der Kirche zur Gewissheit wurde: Maria ist ohne Erbschuld empfangen. Sie ist ganz gut und heil von Anfang an, um ihres Sohnes Jesu willen, der unser Erlöser ist. Maria ist die Ersterlöste, von Anfang an, und sie ist unsre Hoffnung, dass er an uns allen einmal vollenden wird, was er in Maria begonnen hat.
Liebe Brüder und Schwestern!
Legen wir unseren ganzen Glauben, unser ganzes Herz in dieses Fest hinein. Es geht um die Liebesgeschichte Gottes mit uns Menschen, damals ganz am Anfang der Schöpfung dann mit ihrem Bruch, und dann als Maria ihr Ja sagte, und heute geht es darum, dass wir uns an ihrem Ja orientieren und es leben. Vom heiligen Bernhard von Clairvaux, der sich mit dem heutigen Fest auch nicht leicht getan hat, gibt es eine für mich unübertroffene Predigt zum heutigen Evangelium mit dem Titel „die ganze Welt wartet auf die Antwort Marias.“ Ich möchte sie am Ende noch zitieren, mit der Bitte, dass auch wir uns hier angesprochen fühlen. Denn in einer dem Tod verfallen Welt voller Lieblosigkeit, wartet er auch auf unsere Liebesantwort. Der heilige Bernhard wendet sich hier folgendermaßen an Maria: „Der Engel erwartet deine Antwort, denn es ist Zeit, zu dem zurückzukehren, der ihn gesandt hat … O Herrin, antworte das Wort, das die Erde, das die Hölle, ja, das die Himmel erwarten. Steh auf, eile, öffne dich! Steh auf durch den Glauben, eile durch deine Hingabe, öffne durch deine Zustimmung!“ Amen.